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#Russlands wunde Punkte

Russlands wunde Punkte

Dass Russlands Präsident Wladimir Putin im Falle einer Invasion der Ukraine mit schmerzhaften Sanktionen rechnen muss, hat Washington in den vergangenen Tagen deutlich gemacht. Im Gespräch sind Maßnahmen, die die russische Wirtschaft deutlich härter treffen könnten als jene, die seit der russischen Annexion der ukrainischen Krim und Russlands Intervention in der Ostukraine 2014 verhängt worden sind und an die sich die russischen Unternehmen mittlerweile weitgehend angepasst haben.

Katharina Wagner

Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

Als folgenreichste, sogenannte „nukleare“ Option gilt das Abkoppeln Russlands vom internationalen Zahlungsverkehrsdienstleister SWIFT, über den global Finanztransaktionen abgewickelt werden. Zwar ist Russland seit 2014 bemüht, eine Alternative aufzubauen, und könnte im Falle eines Abschaltens westlicher Dienstleister wie Visa und Mastercard innerrussische Transaktionen über das eigene Kreditkartensystem „Mir“ und das russische SWIFT-Pendant SPFS abwickeln, das bisher nur für rund ein Fünftel des innerrussischen Zahlungsverkehrs steht. Für internationale Zahlungsanweisungen ist das russische System aber nicht geeignet, da zu wenige Banken sich daran beteiligen.

Sollte Russland von SWIFT abgeschnitten werden, hätte das auch Folgen für westliche Länder, denn Moskau wickelt einen Großteil seiner internationalen Öl- und Gasgeschäfte über das System ab. Deutschland deckt mehr als die Hälfte seines Gasverbrauchs aus Russland, Amerika importierte 2020 immerhin 7 Prozent seines Erdöls aus Russland. Gerade amerikanische und deutsche Banken interagieren besonders häufig über SWIFT mit russischen Banken.

Besondere Rolle für Nord Stream 2

Wegen dieser engen Verbindungen hält Maria Shagina, Expertin für Sanktionen gegen Russland an der Universität Zürich, diese Option für wenig wahrscheinlich: Russlands Vernetzung mit anderen Märkten habe bisher gewissermaßen als „Schutzschild“ vor derart drastischen Sanktionen gewirkt und werde dies wohl auch weiterhin tun. Tatsächlich fällt auf, dass bisher keine Rede von einer Beschränkung von Öl- und Gasexporten aus Russland ist. Doch Washington hat klargemacht, dass die fertig gebaute, aber noch nicht zertifizierte Ostseepipeline Nord Stream 2 im Falle einer russischen Invasion der Ukraine keinesfalls in Betrieb genommen werden dürfe: Falls Putin sehen wolle, wie Gas durch die Pipeline ströme, solle er das Risiko einer Invasion nicht eingehen, sagte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan am Dienstag. Man sei über das Thema in Gesprächen mit der scheidenden und der neuen Bundesregierung.

Auch der hinter der Pipeline stehende, staatlich kontrollierte Energiekonzern Gazprom könnte Ziel neuer Sanktionen werden. Das Unternehmen, das angesichts der weltweit hohen Gaspreise dieses Jahr Rekordgewinne macht, ist von den bisherigen Maßnahmen nur punktuell getroffen wurden. So wurden Möglichkeiten der Finanzierung an westlichen Finanzmärkten eingeschränkt, einzelne Tochtergesellschaften und Repräsentanten auf Sanktionslisten gesetzt, aber nicht der Konzern in Gänze.

Ein ähnlicher Versuch mit einem global bedeutsamen Unternehmen war 2018 fehlgeschlagen: Damals hatte Washington den weltweit zweitgrößten, russischen Aluminiumproduzenten Rusal mit Strafmaßnahmen bedacht, was zu einem Preissprung für Aluminium um 30 Prozent führte. Rusal wurde daraufhin von der Liste entfernt, der kremlnahe Oligarch Oleg Deripaska musste aber formal die Kontrolle über sein Unternehmen abgeben.

Druck auf die Banken

Dennoch könnten die USA und die EU den großen russischen Konzernen erheblich schaden, indem sie deren Finanzierungsmöglichkeiten im Westen weiter einschränkten, sagt Expertin Shagina. Zwar habe die Abhängigkeit russischer Unternehmen von westlichem Geld seit 2014 abgenommen, doch seien die Finanzierungsbedingungen im Westen nach wie vor viel besser als die in asiatischen oder arabischen Ländern.

Als weitere Maßnahme erwägt Washington offenbar ein Verbot eines Währungstauschs von Rubel in Dollar, Euro und britisches Pfund. Auf welche Akteure sich ein solches Verbot erstrecken und welchen Effekt es haben würde, ist bisher unklar. Der Rubel dürfte zwar deutlich abwerten, spielt aber im internationalen Handel keine große Rolle. Russland hat sich zudem seit 2014 auf ein solches Szenario vorbereitet und seine Währungsreserven langsam auf andere Währungen umgestellt.

In Russlands Nationalem Wohlfahrtsfonds befinden sich schon keine Dollar mehr, doch sind 45 Prozent in Euro und Pfund denominiert. Ohnehin steht Russland makroökonomisch viel besser da als 2014, als Sanktionen und der Verfall des Ölpreises eine schwere Wirtschaftskrise auslösten: Die Staatsverschuldung ist gering, die Reserven sind gut gefüllt, der seit Ende 2014 freigegebene Rubelkurs kann Schocks abfedern.

Ein solcher Schock könnten weitere Maßnahmen gegen russische Staatsanleihen sein. Der Handel mit ihnen auf dem Primärmarkt ist amerikanischen Finanzinstituten ohnehin schon verboten, und der Anteil ausländischer Investoren geht seit 2014 immer weiter zurück. Doch sollten westliche Anleger gezwungen sein, im Umlauf befindliche Staatsanleihen auch auf dem Sekundärmarkt fallen zu lassen, dürfte dies den Rubelkurs ebenfalls stark belasten.

Auch neue Maßnahmen gegen russische Banken könnten die gesamte russische Wirtschaft hart treffen. Diese hatte sich nach dem ersten Schock der Corona-Pandemie schnell erholt; für dieses Jahr wird ein Wachstum von gut 4 Prozent erwartet. Zugleich kämpft die Zentralbank mit laufender Anhebung des Leitzinses gegen die steigende Inflation, die im November bei fast 9 Prozent lag. Die Teuerung führt schon jetzt, angesichts seit Jahren sinkender und stagnierender real verfügbarer Einkommen, zu großem Unmut in der Gesellschaft. Neue, spürbare Sanktionen dürften diesen noch verstärken.

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