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#Schluss mit dem Schmuddelimage

„Schluss mit dem Schmuddelimage“

Dieses Buch zu besprechen liegt nicht eben nahe, wenn man seit einigen Jahren Vegetarier ist, doch die Erinnerung geht ja nicht verloren. Und Erinnerungen an den Döner Kebap hat, wer seine ersten Lebensjahrzehnte in Berlin verbringen durfte, in der Regel reichlich. Herzhaft geröstetes Fleisch, gebettet in warmes Fladenbrot und übergossen, ach was, ertränkt in sinnesbetäubenden Flüssigkeiten namens Knoblauch- und scharfer Soße – der Döner ist die klassische letzte Mahlzeit so mancher langen Nacht. Der von ihm auf die Plätze verwiesenen lokalen Fast-Food-Konkurrentin Currywurst hat er voraus, dass ihm Tomatenstücke und Salatblätter die Illusion gesunder Frische verschaffen; anders als die Wurst geht ein vollbepackter Döner auch locker als Hauptmahlzeit durch.

Jörg Thomann

Redakteur im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Doch in die Erinnerungen mischt sich noch etwas anderes, nämlich ein schlechtes Gewissen. Ist man sich doch bewusst, dass das, was hier verschlungen wird, letztlich nur hastiger Ersatz für vollwertige Ernährung ist und dass das Fleisch nur selten von glücklichen Hühnern oder Kälbern stammt; dass der Mensch beim Dönerverzehr wenig ansehnlich herüberkommt, tut sein Übriges.

Teil eines sozialen Sicherungssystems

Dem Döner hänge „bis heute hartnäckig ein Schmuddelimage an“, schreibt auch Eberhard Seidel, der als Grandseigneur der Dönerwelt gelten darf. Sein schlicht „Döner“ genanntes Buch, Untertitel „Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte“, beruht zu Teilen auf seinem schon 1996 erschienenen Buch „Aufgespießt. Wie der Döner über die Deutschen kam“. Mit seinem neuen Buch will Seidel dem Döner Kebap „den besonderen und ehrenvollen Platz in der Migrations- und der Nachkriegsgeschichte Deutschlands zuweisen, der ihm gebührt“. Mehr als jede intellektuelle Offensive habe diese einfache Speise die „interkulturelle Begegnung“ befördert: „Nicht in den Volkshochschulkursen und an den Stätten der Hochkultur, sondern an der Imbissbude kamen Hans und Mustafa ins Gespräch, reiften die Pläne für die erste Türkeireise, wurden die ersten türkischen Worte gelernt.“

Eberhard Seidel: „Döner“. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte.


Eberhard Seidel: „Döner“. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte.
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Bild: März Verlag

Das türkische Wort, als Reverenz des Landes an die Verdienste rund um den Döner, wählt Seidel auch für seinen Gegenstand: Er schreibt „Kebap“ statt des dem Arabischen entlehnten „Kebab“. Nicht mehr türkisch, aber auch nicht deutsch ist für ihn der Döner, wie wir ihn heute kennen, sondern „etwas Hybrides“, aber unzweifelhaft „eine Berliner Kreation“. Große Fleischportionen im Fladenbrot wie bei uns werde man in der Türkei, wo der Fleischkonsum um ein Drittel niedriger als in Deutschland liege, kaum finden. „Weltmeister im Dönerkonsum“ seien ohnehin die Deutschen. Seidels Recherchen zufolge gibt es rund 18.500 Döner-Imbisse und türkische Restaurants im Lande und allein 1600 Verkaufsstände in Berlin. „Bei einem Endverkaufspreis von bundesweit durchschnittlich fünf Euro werden allein mit dem Verkauf von einer Milliarde Döner-Sandwiches, Dürüm Döner und Dönerboxen in den Dönerimbissen fünf Milliarden Euro umgesetzt“, schreibt Seidel. „Das ist deutlich mehr als McDonald’s mit seiner gesamten Produktpalette.“

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