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#Schön, aber wo bleibt der Widerstand?

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Schön, aber wo bleibt der Widerstand?

Ein Obstgärtner erlebt eine „Wahnperiode“, er hat kein Bewusstsein seiner selbst und gilt seiner dörflichen Umgebung als „Schlafwandler auch tagsüber“. Er verlässt sein Haus, schlägt sein Zelt auf einem alten Friedhof auf, läuft durch die Straßen und gibt „Beschimpfungen und Schmähreden“ von sich, die auf alle und keinen zielen, ihn selbst aber nicht davon ausnehmen – er nennt sich „Spaltpilz“ und „Ausgeburt der Hölle“.

Tilman Spreckelsen

Kehrt er von seinen Ausflügen ins Dorf auf den Friedhof zurück, ist er dann plötzlich „die Sanftmut in Person“. Er zetert nicht mehr, sondern lässt einen Singsang in einer nicht zu deutenden Sprache hören, ein „urfremdes Idiom“, gerichtet an die anwesenden Tiere. Die Neugierigen, die aus der Umgebung zu dem Besessenen kommen, werden von ihm mit Orakelsprüchen traktiert. Er macht Schule, immer mehr „Platz- und Marktschreier“ folgen seinem Beispiel, dies allerdings nicht als Gruppe, sondern als Einzelne, jeder für sich mit seinem Geschrei „aus abgrundloser Seelenverlorenheit“.

Was jener Obstgärtner, der Erzähler in Peter Handkes als „Dämonengeschichte“ bezeichnetem Buch „Mein Tag im anderen Land“, aus großem zeitlichen Abstand berichtet, steht unter einem gewichtigen Vorbehalt: Er hat an die Phase seiner Besessenheit so gut wie keine Erinnerungen. Was er berichtet, stammt eigentlich von seiner Schwester und den anderen Dorfbewohnern, und so herrscht in diesem Teil des Buchs die indirekte Rede vor. Das führt zu geschickt gesetzten Distanzierungssignalen, zu Varianten innerhalb der Geschichte oder zu Formulierungen wie „Außer Haus galt es in der Gegend als eine Tatsache“, was ja heißt, dass es im Haus schon anders aussehen kann.

Diese Herkunft seiner Geschichte legt der Obstgärtner gleich zu Beginn offen: „Ich habe sie, in ihrem ersten Teil, in Fleisch und Blut erlebt, leibhaftig wie kaum eine der sonstigen Geschichten meines Lebens. Aber ich weiß von ihr allein vom Hörensagen.“ Über der folgenden Darstellung seines exaltierten Verhaltens überliest man leicht, dass sich der Einschub „in ihrem ersten Teil“ nicht nur darauf bezieht, dass der Obstgärtner dann im Gegensatz dazu vom zweiten Teil eben aus erster Hand erzählen kann, nachdem die Dämonen von ihm gewichen sind. Wesentlich aber ist der Hinweis darauf, dass nur dieser erste Teil „in Fleisch und Blut“ erlebt wird und dies für den zweiten Teil nicht unbedingt gilt.

Dieses zweite von insgesamt drei Kapiteln beginnt mit einer Begegnung: Der Besessene trifft Fischer am Ufer eines Sees, einer von ihnen, „der gute Zuschauer“, blickt ihn auf eine Weise an, die zum sofortigen Auszug der Dämonen führt. Dann schickt ihn der Fischer auf die andere Seite des Sees, in die Region Dekapolis, um dort die Geschichte seiner Besessenheit und Heilung zu erzählen.

Der Nobelpreisträger Peter Handke im Jahr 2016


Der Nobelpreisträger Peter Handke im Jahr 2016
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Bild: dpa

Jenseitsfahrt und Apokalypse

Natürlich ruft diese Passage biblische Motive auf, vom See Genezareth in der Region der antiken zehn Städte, dem Austreiben der Dämonen bis hin zur Aussendung des Jüngers. Auch in der Beschreibung der Reise, die nun beginnt, folgt ein aus Jenseitsfahrten oder Apokalypsen herrührendes Bild auf das nächste, wobei das religiöse Arsenal keineswegs nur christlich ist – die Überfahrt mit dem Kahn, bei der ein Blutegel am Reisenden schon nichts mehr zu trinken findet, das selbstauferlegte Gebot, im Jenseits „nichts auflesen und an mich nehmen“, die Begegnung mit Verstorbenen, die vage Erinnerung, an diesem Ort schon gewesen zu sein, die Stadt auf einem Hochplateau, das es zu erklimmen gilt, und dergleichen mehr.

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