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#Schreib die Wahrheit, Bob!

Schreib die Wahrheit, Bob!

Eine der auffälligsten Stellen des Buchs „Rage“, das der Watergate-Enthüller Bob Woodward im vergangenen Monat über Donald Trump veröffentlicht hat, war die Information, der Präsident habe die Gefahr des Coronavirus im Februar „herunterspielen“ wollen. Und tatsächlich sagt Trump das dem altgedienten Journalisten, der schon über neun amerikanische Präsidenten geschrieben hat, ganz offen. Covid-19 herunterspielen? Klar – „weil ich keine Panik auslösen möchte“. Das Virus „wird verschwinden“, daran glaubt er fest. „Sie wissen“, sagt er zu Woodward, „dass es verschwinden wird und dass es vorübergeht. Und dass wir einen großen Triumph feiern werden.“ Aber die Leute machen sich Sorgen, wendet Woodward ein. „Ich weiß, Bob. Aber das Virus hat nichts mit mir zu tun … China hat das verdammte Virus rausgelassen.“

Paul Ingendaay

Was ist das für eine Stimme? Das mögen Fans und Verächter entscheiden. In jedem Fall die eines radikal optimistischen, radikal egozentrischen Mannes. Diese Stimme, sie erklingt sehr mächtig in Woodwards Buch, und als wäre dem Autor selbst unwohl dabei gewesen, hängt er seinem Bericht über die Jahre 2018 bis 2020 der Trump-Präsidentschaft einen Epilog an. Damit’s auch jeder versteht: „Trump ist der falsche Mann für den Job.“ Eine deutlichere Wahlempfehlung lässt sich den vielen hunderttausend Exemplaren nicht beilegen.

Das popkulturelle Phänomen Trump 

Doch „Wut“ – so der Titel der demnächst im Hanser Verlag erscheinenden Übersetzung – ist mehr als das vorhersehbare Verdikt eines linken Starjournalisten. Während Woodwards Vorgängerbuch „Furcht“ (2018) ganz ohne die Stimme des gegenwärtigen Amtsinhabers auskommen musste, erklärte sich Trump diesmal zu siebzehn Interviews über einen Zeitraum von drei Monaten bereit. In diesen neun Stunden – auch nachts, am Telefon – sprach Trump mit Woodward ungeschützt über Rassismus und Nordkorea, China und Corona, und während der Frühling verging und der Sommer kam, trübten sich seine Chancen auf Wiederwahl immer mehr ein. Dennoch monologisierte er weiter. „Hallo, Bob, was macht das Buch? Halte ich Sie schön auf Trab?“ Natürlich tut er das. „Sie haben mir Stoff für weitere Kapitel geliefert“, entgegnet Woodward. „Ja“, sagt Trump. „Es geht um Law and Order, Bob, Recht und Ordnung.“

Die Online-Flatrate: F+


So plaudert er dahin, aber er ist nicht blind. „Wenn es ein schlimmes Buch ist, nein, daran darf ich gar nicht denken“, sagt er. „Wenn es ein schlimmes Buch ist, bringen Sie’s genau vor der Wahl raus. Na, toll. Das ist ja schrecklich.“ Dann scheint Trump sekundenlang klar zu sein, in welcher Gefahr er mit Woodward schwebt. Eine Legende des amerikanischen Journalismus hat ihn in den Klauen. „Okay“, sagt er. „Hoffentlich behandeln Sie mich besser als Bush, denn Sie haben ihn wie einen dummen Idioten hingestellt, der er ja auch war.“ Das ist sein Ton, das ist sein Modus. Zu Krediten für mittelständische Unternehmen: „Das läuft alles gut, Bob.“ Zum Arbeitsmarkt: „Spätestens September, Oktober wird die Wirtschaft durchstarten.“ Und: „Bald werden alle Schwarzen wieder Arbeit haben, genau wie vorher.“ Zu einer seiner Reden: „Dafür habe ich Leute. Sie machen Vorschläge. Aber diese Rede, das sind alles meine Ideen, Bob. Ganz allein meine. Wissen Sie was? Alles kommt von mir. Alles, wirklich alles.“

Moralisch dubios und endlos faszinierend

Trumps Machbarkeitsglaube kennt kein Verstummen. Dieser Präsident hat aber auch keine Angst vor der Feder des ideologischen Gegners. Am Ende mag er denken, wenn nur die Zitate stimmen, könne es ihm nützen, in seinem Habitat als ganzer Mensch gesehen zu werden, mit seinem Bauchgefühl, seinen Reflexen. Und so ist „Wut“ zu einem Buch geworden, das den Präsidenten nur auf der Oberfläche verurteilt. Unterschwellig zollt Woodward dem popkulturellen Phänomen Trump gehörigen Respekt, indem er eine in der amerikanischen Literatur bekannte Figur zum Leben erweckt: den autoritären Selfmade-Mann, der sich aus der Nähe betrachten lässt, den erratischen, ruhelosen, skrupellosen Macher. Was immer sich gegen einen solchen Mann sagen lässt – es verblasst in den Augen derer, die in seinem Bann stehen.

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Die literarische Ahnenreihe dieser moralisch dubiosen, endlos faszinierenden Tatmenschen – allesamt erfolgreich verfilmt – reicht von Jack Londons „Seewolf“ (1904) über Fitzgeralds „Der große Gatsby“ (1925) bis zu Mario Puzos „Der Pate“ (1969). Dass Schurken dieses Kalibers in der amerikanischen Kultur gern als tragische Helden verstanden werden, macht sie unsterblich. Trumps Weiterleben im Reich der Populärmythen ist also schon heute garantiert. Gegen Ende sagt er zu Bob Woodward: „Ich hoffe nur, dass Sie bei der Wahrheit bleiben. Wenn Sie bei der Wahrheit bleiben, werden Sie ein tolles Buch schreiben.“

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