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#Schultze-Naumburg wird entgiftet

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Schultze-Naumburg wird entgiftet

Wer in das Dörfchen Saaleck fährt, sieht außer heruntergelassenen Rollos und menschenleeren Straßen nur ein großes Plakat, das zum Protest gegen den Bau einer neuen Straßenbrücke durch das Saaletal aufruft. Die Sorge über „Umweltzerstörungen und die Disharmonie der Moderne“ hatte auch den berühmtesten Bürger des Ortes, Paul Schultze-Naumburg, vor hundert Jahren schon umgetrieben: Der Siegeszug der Technik zeige, „dass das so maßlos erleichterte Leben auf der entstellten Erde nicht mehr lebenswert ist, dass wir zwar alles an uns gerissen haben, was unser Planet herzugeben hatte, dass wir aber bei dieser Wühlarbeit ihn und damit uns selbst zerstört haben.“

Schultze-Naumburg den radikalsten Architekten des Nationalsozialismus zu nennen, wie das mitunter geschieht, ist zugleich eine Unter- und eine Übertreibung. Denn einerseits war der Künstler aus Naumburg ein geifernder Antisemit und Propagandist der NS-Rassenlehre, andererseits lehnte er die herrische, übersteigerte NS-Architektur ab und bemühte sich zeitlebens um eine neue vernakuläre Architektur, die man damals „völkisch“ genannt hätte und die heute unter dem Schlagwort „regionales Bauen“ wieder in die Zeit zu passen scheint. Mit jeweils mehr als hundert Aufsätzen und fertiggestellten Gebäuden war Schultze-Naumburg in Theorie und Praxis einer der produktivsten Architekten seiner Zeit.

Minimalinvasive Architektur

Die interessante Ambiguität im Werk von Schultze-Naumburg ist das Erbe, mit dem sich die neugegründete Design-Akademie Saaleck mit dem pfiffigen Kurz-Namen „dieDAS“ auseinandersetzen muss. Die Voraussetzungen für einen Erfolg sind zugleich gut und schlecht: Auf der einen Seite hat die im Aufbau befindliche „Akademie für Gestalter im Handwerk, Designer, Architekten und Unternehmer“ einen phantastischen Sitz in einer „bukolisch-perfekten Landschaft“, wie der Kopf der Akademie, der Hamburger Kulturwissenschaftler und Denkmalpfleger Arne Wasmuth, es nennt. Zehn Millionen Euro an Steuergeldern zur Re­no­vierung der von Schultze-Naumburg er­richteten Anlage mit Villa, Werkstätten und weiteren Nebengebäuden wurden bewilligt, und auch an einem Konzept zur behutsamen Umgestaltung mangelt es nicht mehr, seit die dänische Architektin Dorte Mandrup sich mit ihrem sensiblen Plan bei einer Auswahl durchsetzte. Ihr Entwurf wird in den nächsten Jahren in Zusammenarbeit mit dem Büro Arc Architekten aus Magdeburg umgesetzt.

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Die Stiftung des Berliner Kunstsammlers und Mäzens Egidio Marzona hat 2018 das Ensemble erworben, ein Stiftungsvermögen steht darüber hinaus aber nicht zur Verfügung. Marzona hatte keine Angst vor dem unbequemen Denkmal, aus dem er „einen Ort der Freiheit, Wachheit und Grenzenlosigkeit“ machen will. Dazu passt, dass Mandrup ihre Architektur als „change agent“ betrachtet, also als Träger eines Wandels. Im Falle des Ensembles unterhalb der Burg Saaleck im hintersten Zipfel von Sachsen-Anhalt ist dies angesichts der Geschichte keine kleine Anforderung. Die Ausstellung zum Leben und Wirken von Schultze-Naumburg wird in dem ehemaligen Hühnerstall eingerichtet, der sich mit einer Glas-Holzfassade zum Garten hin öffnet.

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