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#Doping für das Homeoffice

Doping für das Homeoffice

Millionen Deutsche sitzen im Homeoffice, jetzt schon wieder drei Monate am Stück. Es gibt in dieser Krise schlimmere Probleme. Aber auf die Dauer und als Zwangsmaßnahme zehrt diese Form der Erwerbsarbeit an Nerven, Kreativität und Leistungskraft. Das gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen. Die einen hetzen von einer Zoom-Sitzung in die nächste, schaffen es zwischendurch kaum aufs Klo, geschweige denn zu einem Spaziergang nach draußen. Die anderen langweilen sich, fühlen sich nutzlos. Und Mütter und Väter, die sich bei geschlossenen Schulen und Kitas tagsüber um ihre Kinder kümmern müssen, legen häufig Nachtschichten ein.

Sebastian Balzter

Sebastian Balzter

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Die neue Arbeitswelt führt, wen wundert es, zu Veränderungen im Konsumverhalten: Wachmacher und Seelentröster aller Art sind gefragt. Der Kaffeeverbrauch zum Beispiel ist im Corona-Jahr 2020 gestiegen, obwohl Restaurants und Cafés monatelang geschlossen waren und auch die Kaffeemaschinen in den Bürogebäuden des Landes unterdurchschnittlich genutzt wurden.

Das geht aus einer großangelegten Marktforschungsstudie des Deutschen Kaffeeverbands hervor, deren Ergebnisse der F.A.S. vorab vorliegen: Ein Plus von 10 Prozent beim heimischen Kaffeekonsum hat den Rückgang im Außer-Haus-Verbrauch demnach mehr als ausgeglichen.

Von den Befragten, die im Homeoffice arbeiten, gab etwa jeder Zweite an, zu Hause mehr Kaffee zu trinken als sonst auf der Arbeit; nur 17 Prozent kommen zu Hause nach eigener Auskunft mit weniger Kaffee aus als sonst im Büro. Ein vergleichbarer Effekt ist unter Kurzarbeitern, die plötzlich länger zu Hause sind, interessanterweise nicht zu beobachten. Noch ein Detail: „Am stärksten ist die Nachfrage nach ganzen Bohnen gewachsen, der Verkauf von Vollautomaten mit eigenem Mahlwerk hat mit einem zweistelligen Prozentbereich zugelegt“, berichtet Holger Preibisch, der Geschäftsführer des Kaffeeverbands.

Bleiben wir kurz bei den Getränken. Treibt uns die Pandemie dem Alkoholismus in die Arme? Dafür gibt es bislang keinen Beleg; der Bier- und Wein-Absatz ist nach den vorliegenden Daten insgesamt nicht gestiegen. Gleichwohl haben sich gezwungenermaßen die Trinkgewohnheiten verändert. Das betrifft nicht nur den Ort des Konsums. Im Supermarkt und im Internet wird im Durchschnitt günstigerer Wein gekauft als im Lokal. Und Heini Zachariassen, der Gründer der Wein-App Vivino, einer Bewertungsplattform mit angeschlossenem Online-Marktplatz, weiß zu berichten: Während es vor dem Ausbruch der Seuche die meisten Zugriffe auf die App abends und am Wochenende gab, klicken die Leute nun auch gerne unter der Woche und tagsüber auf den Bestellknopf. Ob sie den Wein dann auch während der Arbeitszeit trinken, darüber ist allerdings nichts bekannt.

Ein Espresso vor der Zoom-Sitzung, ein Glas Wein danach

Mit Alkohol ist nicht zu spaßen. Wem ein Glas Wein am Abend genügt, um sich von der Monotonie der Videokonferenzen zu erholen, dürfte indes nicht akut gefährdet sein. Ist der Wein das Gegenmittel, um nach sehr vielen Tassen Kaffee wieder zur Ruhe zu kommen, wird es schon ernster.

Schwere Fälle von Homeoffice-Geschädigten kommen in die Praxis von Christa Roth-Sackenheim in Andernach. Die Vorsitzende des Berufsverbands der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie registriert einen vermehrten Bedarf an Schlafmitteln, Antidepressiva sowie an Medikamenten zur Bekämpfung von Angstzuständen. Das Gleiche höre sie von den Kollegen im Verband. „Die Verschreibungen haben um 10 bis 20 Prozent zugenommen“, überschlägt Roth-Sackenheim. Betroffen seien sowohl Patienten, die schon länger bei ihr in Behandlung sind, als auch neue, zuvor unauffällige Menschen. Die Ursache dafür sei eine um sich greifende Erschöpfung; vor allem berufstätige Eltern mit minderjährigen Kindern seien am Rande ihrer Kräfte.

Die bundesweite Arzneimittelstatistik des Branchendienstleisters Iqvia verzeichnet für das vergangene Jahr zwar kein nennenswertes Plus bei den Psychopharmaka. Die beiden zurückliegenden Monate sind darin aber auch noch nicht enthalten. Vielleicht erklärt das den Unterschied zum Eindruck, der sich bei den Ärzten festgesetzt hat. „Der zweite Lockdown jetzt schlägt viel stärker durch als der erste im vergangenen Frühjahr“, sagt Christa Roth-Sackenheim.

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