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#Seht her, der Staat muss gar nicht sein!

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Seht her, der Staat muss gar nicht sein!

Die Angst der Menschheit vor sich selbst hat nicht nur in der Bezeichnung des gegenwärtigen Erdzeitalters als Anthropozän, sondern auch im populären Genre der globalen Menschheitsgeschichten ihren Niederschlag gefunden. Schon lange sind die Zeiten vorbei, in denen man wie Francis Fukuyama nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch ein Ende der Geschichte und ein zukünftiges Reich des Friedens und allgemeinen Wohlstands voraussagte. In dessen neueren Schriften über den Ursprung der politischen Ordnung wie auch in den zu internationalen Bestsellern gewordenen Abhandlungen des israelischen Historikers Yuval Noah Harari überwiegen bei Weitem die dystopischen Elemente. Und wenn auch der Grundtenor des Gemeinschaftswerks des Archäologen David Wengrow und des kurz nach Abschluss des Manuskripts verstorbenen Ethnologen David Graeber nicht ganz so pessimistisch ausfällt: Auch für sie steht fest, dass in der Weltgeschichte etwas „entsetzlich schiefgelaufen“ ist.

Anlass für ihr ambitioniertes Unternehmen, diese Geschichte neu zu schreiben, sind aufsehenerregende archäologischen Funde der letzten drei Jahrzehnte. Ihrer Auffassung nach widerlegen sie das klassische Entwicklungsschema, dem zufolge die egalitären Jäger- und Sammlerhorden der Urzeit durch verwandtschaftlich gegliederte Stammesfürstentümer abgelöst wurden, aus denen nach der Erfindung der Landwirtschaft die ersten Städte hervorgingen. Zu ihnen zählt auch die vor etwa neuntausend Jahren angelegte Siedlung Çatalhöyük in Anatolien. Die Häuser ihrer etwa zehntausend Einwohner hat man zwar gefunden, nach einem Königssitz und einem administrativen Zentrum dagegen vergeblich gesucht. Anders als die fest ummauerten Städte im Zweistromland brauchten die Bewohner Çatalhöyüks offenbar keinen Herrscher und Verwaltungsapparat, um ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

Ein einziges soziales Experimentierfeld

Noch ergiebiger für die Kritik der Autoren an den herkömmlichen Entwicklungstheorien ist, was bei Ausgrabungen im Amazonasgebiet zutage trat. Sie zeigten, dass es bereits zur Zeit von Christi Geburt mit einem Netzwerk von Städten, Monumenten und Straßen durchzogen war, dessen Ausläufer bis in das heutige Peru reichten. Die Ausbreitung dieser beeindruckenden Regenwaldzivilisation war offensichtlich durch die bereits einige Jahrtausende zuvor erfolgte Domestikation von tropischen Wildpflanzen begünstigt worden. Doch sei deren Anbau, so Graeber und Wengrow, nur in spielerischer Form betrieben worden. Später hätten die Menschen ihn wieder aufgegeben und wie früher vom Jagen und Sammeln gelebt. Einer der Gründe sei gewesen, dass man für diese Tätigkeit einen weit geringeren Aufwand an Arbeitszeit benötigt. Auch bot die nomadisierende Lebensform Möglichkeiten des Rückzugs in schwer zugängliche Gebiete, die denn auch verstärkt genutzt wurden, als die Kolonisierung Brasiliens durch die Europäer begann.

David Graeber und David Wengrow: „Anfänge“. Eine neue Geschichte der Menschheit.


David Graeber und David Wengrow: „Anfänge“. Eine neue Geschichte der Menschheit.
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Bild: Klett-Cotta Verlag

Diese und viele andere Beispiele beweisen für Graeber und Wengrow, dass die ökonomischen, sozialen und politischen Organisationsformen der frühen Menschheit vielfältiger waren als bisher angenommen. Das trifft nicht nur auf die frühen Städte zu, sondern auch auf das bis heute vorherrschende Bild vom Egalitarismus der steinzeitlichen Jäger- und Sammlerhorden. Gräberfunde zeigten nämlich, dass es auch schon in einigen dieser Gruppen tyrannische Anführer gab, bei deren Tod Dutzende von Menschen umgebracht und mit ihnen bestattet wurden.

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