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#Selbstsuche mit Hangklima

„Selbstsuche mit Hangklima“

Als es uns gut ging, fast zu prächtig, rundum gut jedenfalls, bevor also der lange nur als Gerücht behandelte Klimawandel seine Zähne zu zeigen begann, eine Pandemie zuschlug und ein Krieg nicht nur Teile von Europa verwüstete, sondern auch den westlichen Optimismus, vor gar nicht so langer Zeit also, zwischen 2013 und 2016, um genau zu sein, da war der transgressive, körpernahe Humor der scharfzüngigen New Yorkerin Amy Schumer einer der heißesten Importartikel auf dem Serienmarkt.

Mit „Inside Amy Schumer“, einer an ihrer eigener jüdisch-großstädtischen Biographie orientierten Gag-Polonaise aus Fremdschäm-Konfessionen und wüsten Sex-mit-dem-Ex-Geschichten, gelang der Stand-up-Comedienne, was zuvor nur Woody Allen in solcher Vehemenz durchexerziert hatte: in der eigenen Person das gesamte neurotische, verlogene, sexbesessene und raubtierhafte, aber doch auch freie, sorglose und schlagfertige Leben in New York zu verkörpern. Sie hatte sich ein bestechendes Porträt urbaner Hipness und Verzweiflung auf den ob seiner vermeintlichen Unzulänglichkeiten geradezu obsessiv thematisierten Leib geschneidert.

Sechs Jahre später kehrt Amy Schumer zurück, und auch in ihrer aktuellen, von ihr (mit Hilfe) selbst geschriebenen Serie „Life & Beth“ – im Deutschen weniger gewitzt: „Beth und das Leben“ – greift Schumer auf ihr eigenes Leben zurück, auf ihre Kindheit auf Long Island, die einschneidende Insolvenz des Vaters, die Heirat mit einem Koch und Farmer. Wieder handelt es sich um eine schlagfertige, charmante Protagonistin, die sich permanent an der Inkongruenz von Selbst- und Fremdeinschätzung abarbeitet, was zu ulkigen psychologischen Verrenkungen führt. Sollte man Beth mit einem Wort charakterisieren, wäre es wohl Unzufriedenheit. „Versuch einfach mal, Freude zu verbreiten“, sagt ihr – bald abgeschossener – Freund ihr ins Gesicht.

Vollmundige Selbstsuche statt herbe Selbstentblößung

Dabei führt Beth auf den ersten Blick ein beneidenswertes Leben als erfolgreiche Weinvertreterin. Liiert ist sie mit dem gut aussehenden, ihr intellektuell nicht das Wasser reichen könnenden Kollegen Matt (Kevin Kane). Ihre selbstbezogene Mutter (Laura Benanti) wirkt oberflächlich und liebesbedürftig, ist aber eigentlich herzensgut. Dass der gescheiterte, jedoch immer noch gewinnende Vater (Michael Rapaport) als Penner im Park vegetiert, ist nur eines der mitgeschleppten Traumata, die es aufzuarbeiten gilt. Den Anstoß dazu bildet der Tod einer geliebten Person gleich in der ersten Episode. Beth beschließt, was Filmfiguren in solchen Fällen immer beschließen: auf Selbstfindungstrip zu gehen. Sie verlässt die City und deren Small Talk, zieht nach Long Island zurück. Die einzige Vertraute ist zunächst ihre Schwester Ann (Susannah Flood). Bald schon entwickelt sich eine von schräger Komik geprägte romantische Beziehung zwischen Beth und einem leicht autistischen, auch in peinlichen Angelegenheiten grundehrlichen Landmenschen namens John (Michael Cera), einem Adonis, der direkt der Schäferdichtung entsprungen zu sein scheint.

Es geht hier also eher um vollmundige Selbstsuche als um herbe Selbstentblößung. Wo die Handlung ansatzweise spontan wirkt, ist Schumer in ihrem Element. Wortgewandt und smart feuert sie ihre sarkastischen Sätze ab, von denen nicht wenige wie ein Bumerang zurückkehren. Auch die herrschende Sprachverunsicherung wird thematisiert: „Darfst du überhaupt das Wort Jüdin sagen?“ – „Ich bin schwarz, ich kann sagen, was ich will.“ Aber das alles hilft nicht darüber hinweg, dass der Plot kaum origineller ist als der eines Herzkino-Films im deutschen Rentnerfernsehen. Etwas ansprechender als die bukolische Romantikhandlung sind immerhin die melancholischen, autotherapeutischen Erinnerungsszenen. Wie in der auch ästhetisch verwandten Serie „This Is Us“ werden schöne und schmerzhafte Jugendepisoden in Rückblenden aufgearbeitet; Violet Young spielt die junge Beth dabei sogar bezaubernder als Schumer die gereifte. Schlicht überflüssig wirken die monothematischen Giggel-Szenen mit Beths Freundinnen Jen (Arielle Siegel), Jess (Sas Goldberg) und Maya (Yamaneika Saunders), eine müde „Sex and the City“-Anleihe, um die für zehn Episoden wohl einfach nicht ausreichende Handlung zu strecken. Bis auf Beth selbst wirken zudem alle Charaktere überzeichnet.

Trotz der Einwände ist „Beth und das Leben“, wenn auch dessertweinsüß im Abgang, eine schön anzusehende, sonnentrunkene und stellenweise höchst amüsante Lebensumarmung. Regie führten neben Schumer selbst Ryan McFaul, Kevin Kane und Daniel Powell. Talking-Heads-Frontmann David Byrne ist in einer kleinen Nebenrolle zu sehen. Dass das Ergebnis dennoch so eigentümlich leer wirkt, liegt auch daran, dass es in seiner narzisstischen Nabelschau und Befindlichkeitshuberei noch ganz auf eine Zeit zugeschnitten ist, in der es keine drängenderen Probleme zu geben schien als die Frage, ob die Mutter etwas mit verheirateten Männern hatte. Oder ob der Rabbi facebooksüchtig ist. Pech haben hieß, dass jemand ein missglücktes Muskeldate aus seinem Tagebuch voller Krafttrainingseinträge vorliest. Glück, das war ein Selleriezüchter aus dem Umland. Selige Zeiten.

Beth und das Leben läuft bei Disney+.

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