Wissenschaft

#Sexuelle Entwicklung vor 240 Millionen Jahren

Vielleicht machten „starke Arme“ auch schon vor Urzeiten sexy: Paläontologen berichten über die Entwicklung von Geschlechtsmerkmalen bei kleinen Meeressauriern, die vor rund 240 Millionen Jahren im heutigen China lebten. In den Untersuchungsergebnissen der fossilen Überreste dieser sogenannten Keichousaurier zeichnet sich ab, wie die Männchen im Rahmen der Pubertät kräftige Oberarmstrukturen hervorbrachten, die vermutlich den Weibchen gefielen oder Rivalen in Schach halten sollten.

Das Fachwort heißt Sexualdimorphismus: Bei vielen Tieren gibt es abgesehen von den Geschlechtsorganen teils deutliche körperliche Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen einer Art: Hirschgeweih, Pfauen-Rad oder Löwenmähne sind besonders prominente Beispiele dafür. Auch beim Menschen spiegelt sich das Konzept in den sogenannten sekundären Geschlechtsmerkmalen wider. In der heutigen Tierwelt und auch bei uns Menschen entwickelt sich der Sexualdimorphismus meist im Rahmen der Ausbildung der Fortpflanzungsfähigkeit – der Entwicklungsphase, die als Pubertät bezeichnet wird. Dieser Prozess ist beim Menschen und vielen anderen heutigen Lebewesen gut untersucht – bei urzeitlichen Tieren aus der Gruppe der Reptilien allerdings nicht. Ein Problem ist dabei, dass der Sexualdimorphismus bei Reptilien oft nur von Größenunterschieden und geschlechtsspezifischen Färbungen geprägt ist. Beide Aspekte lassen sich anhand von Fossilien schwer nachweisen.

Pubertät im Spiegel von Knochenstrukturen

Doch wie ein internationales Forscherteam berichtet, konnten sie nun erstmals bei einem urzeitlichen Vertreter der sogenannten Amnioten die Pubertät eindeutig dokumentieren. Es handelt sich um Meerestiere, die vor rund 240 Jahren im heutige China Jagd auf kleine Fische machten. Obwohl die Keichousaurier im Wasser lebten, sind sie dennoch den Landwirbeltieren zuzurechnen. Denn ihre Vorfahren lebten an Land und entwickelten dann sekundär eine aquatische Lebensweise. Der Körperbau der Keichousaurier erinnert an den der großen Plesiosaurier des Jura- und Kreidezeitalters – allerdings erreichten sie nur vergleichsweise „niedliche“ Ausmaße von unter 20 Zentimetern. Bekannt geworden sind die kleinen Reptilien bereits durch Fossilien „mit Inhalt“: Reste von Embryonen zeigten, dass sie keine Eier legten, sondern lebendgebärend waren.

Das Forscherteam um Seniorautor Martin Sander von der Universität Bonn hat nun den umfangreichen Fossilienbestand von Keichousaurus genutzt, um auszuloten, ob sich bei diesen Wesen die Ausbildung von Sexualdimorphismus im Rahmen einer Pubertät belegen lässt. Es gab bereits Hinweise darauf, dass die größeren Exemplare Männchen und die kleineren Weibchen repräsentierten. Auch unterschiedlich entwickelte Oberarmknochen (Humeri) zeichneten sich bei unterschiedlichen Fossilien ab. Dieser Spur sind die Paläontologen nun durch genauere Untersuchungen nachgegangen. Sie fertigten dazu Dünnschnitte von Knochen verschiedener Fossilen an und untersuchten die Merkmale.

Wie die Forscher berichten, zeichneten sich in den baumringartigen Strukturen der Knochen Wachstumsprozesse im Verlauf der Entwicklung der Tiere ab. Zunächst spiegelte sich in den Analyseergebnissen ein ausgesprochen schnelles Wachstum bis zum ausgewachsenen Zustand wider. Später nahm die Knochendichte jedoch wieder zu, was auf eine Verlangsamung des Wachstums hindeutet. Schließlich verlagerten die kleinen Reptilien ihre Energieinvestition dann offenbar vom Wachstum auf die Fortpflanzung. Neben diesen grundlegenden Entwicklungsprozessen zeichneten sich nun allerdings auch geschlechtsspezifische Besonderheiten ab, berichten die Forscher: Aus den Befunden geht deutlich hervor, dass Keichousaurus-Männchen im Rahmen der Pubertät nicht nur größer wurden, sondern auch deutlich robustere Oberarme entwickelten als die Weibchen.

Dünnschnitte von Oberarmknochen von Keichousaurus. Die männlichen sind dreieckig, die weiblichen oval. © Qiang Li et al.

Männchen mit kräftigen Oberarmen

Im Querschnitt erscheint der Oberarmknochen eines Männchens dabei auffallend dreieckig und derjenige der Weibchen rund-oval, berichten die Wissenschaftler. Den Detailanalysen zufolge lag dies an einer unterschiedlichen Ablagerung von Knochengewebe durch die Wirkung von Hormonen nach dem Beginn der Pubertät. Bei den Weibchen ähnelte das Ablagerungsmuster weiterhin derjenigen bei den Jungtieren, beiden Männchen wich es ab. Wie die Forscher erklären, spiegelt sich in der Umwandlung der Oberarm-Mittelschäfte bei den Männchen auch eine Vergrößerung der Muskelansatzstellen wider, was auf robustere Vorderbeine hindeutet.

Ihnen zufolge liefern die Befunde damit auch Hinweise auf mögliche Präferenzen oder Verhaltensweisen bei den kleinen Reptilien. Möglicherweise fanden die Keichousaurus-Weibchen demnach größere Männchen mit kräftigen „Armen“ besonders attraktiv. Vielleicht waren die starken Vorderbeine aber auch bei der Kopulationshaltung während des Paarungsvorgangs vorteilhaft. Außerdem könnten sie bei territorialen Kämpfen zwischen den Männchen eine Rolle gespielt haben. Bei der Ausprägung des Merkmals kam demnach vielleicht auch ein Trainingseffekt zum Tragen. „Das Zusammenspiel von endogener hormoneller Regulation während der Pubertät und äußeren Reizen hat möglicherweise gemeinsam zur morphologischen Veränderung des männlichen Oberarmknochens beigetragen“, heißt es abschließend in der Mitteilung der Universität Bonn.

Quelle: Universität Bonn, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.05.073

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