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#Sie hat’s mit den Klassikern, gottlob

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Vor drei Jahren stellte Catherine Meu­risse im Centre Pompidou aus, erst als zweite Comiczeichnerin nach Claire Bretécher, ihrem im selben Jahr gestorbenen großen Vorbild. Damit eroberte sie sich aber auch einen Platz in der Reihe von Hergé, André Franquin, Art Spiegelman oder Jean-Marc Reiser, die dort vor ihr gezeigt worden waren.

Mittlerweile ist Catherine Meurisse jedoch eine Klasse für sich geworden: Noch im selben Jahr 2020 wurde sie in die Académie des beaux-arts aufgenommen, die prestigeträchtigste Auszeichnung für französische Künstler. Und das nicht etwa nur als erste Comiczeichnerin. Auch keinem Mann aus ihrem Metier war diese Ehre jemals zuvor zuteilgeworden. Man wird damit zu Lebzeiten kanonisiert.

Mit der Verleihung der den Akademiemitgliedern zustehenden grünen Jacke und des obligatorischen Degens ließ sich Meurisse, auch heute mit 43 Jahren noch eine der Jüngsten im illustren Kreis, den Schneid jedoch nicht abkaufen: Zur Aufnahme zeichnete sie einen selbst­ironischen Kurzcomic, in dem sie sich selbst beim Antritt als Akademikerin im ikonischen Kuppelgebäude des In­stitut de France zeigt.

Während des Lockdowns zeichnete Catherine Meurisse Bilder für eine konzertante Aufführung von Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“ in der Pariser Philharmonie.


Während des Lockdowns zeichnete Catherine Meurisse Bilder für eine konzertante Aufführung von Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“ in der Pariser Philharmonie.
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Bild: Catherine Meurisse

Diese beiden Seiten bieten ein Feuerwerk von Bildanspielungen auf die Comic-Kunstgeschichte: Da er­wacht Catherine Meurisse in einem Bett, das dem von Little Nemo aus Winsor McCays gleichnamigem klassischen Comic-Strip entspricht, und lässt sich von dem Butler Nestor, einer berühmten Nebenfigur aus Hergés „Tim und Struppi“, für ihren großen Tag ankleiden, ehe sie dann im Hof der Akademie auf lauter Doppelgängerinnen trifft, die alle aussehen wie Bécassine, denn grüne Kleidung ist auch das Charakteristikum dieser vor mehr als hundert Jahren höchst populären, aber äußerst naiven französischen Comic-Heldin. Der Einzug des Comics in die Akademie, zumal in gestalt einer Frau, wird so zur Bestätigung aller seiner Verächter: eine Versammlung schlichtester Gemüter. Doch Meurisses selbstironische Bosheit beweist einmal mehr, als was sie eben auch be­rufen worden ist: als Pressezeichnerin von einem Witz und einer Schärfe, wie sie solch beliebte Vorläufer wie Sempé oder Tomi Ungerer ausgezeichnet hatte.

Die schönste Hommage an Sempé

Beide bewundert Catherine Meu­risse, und dass sie jetzt im Musée Tomi Ungerer in dessen Heimatstadt Straßburg ausgestellt wird, ist nur passend. Zum Auftakt der Schau kommt die ungererartige Vielfalt der Zeichnerin zum Ausdruck: Reportagecomics, Presseillustrationen, Karikaturen, Kinderbücher. Und eine hinreißende Hommage anlässlich des Todes von Sempé im vergangenen Jahr: ein meisterhaft gezeichneter Blick in den großen vollbesetzten Saal der Philharmonie von Paris, auf dessen Bühne ganz klein Sempé vor seinem Zeichenbrett sitzt – wie jene winzigen Pianisten, die er in seinen eigenen Konzerthauszeichnungen auf ihre riesigen Instrumente treffen ließ. Bei Meurisse flüstert ein Zuschauer seinem Nachbarn zu: „Ich habe ihn ’78 im ‚New Yorker‘ gesehen, er war außergewöhnlich!“ Schöner kann man Sempé als musikalischstem aller Cartoonisten nicht seine Reverenz erweisen.

Zeichnung von Catherine Meurisse für einen Hintergrund im Album „Weites Land“ (2017)


Zeichnung von Catherine Meurisse für einen Hintergrund im Album „Weites Land“ (2017)
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Bild: Catherine Meurisse, Éditions Dargaud

Meurisse gilt in Frankreich bereits als dessen einzig legitime Nachfolgerin; ihre mit wenigen Linien hingeworfenen Figuren vor aufwendig ge­zeichneten Dekors in den Zeichnungen setzen in der Tat fort, was seine Meisterschaft ausgemacht hat. Das wird vor allem an den drei letzten Comicalben von Meurisse deutlich, für die sie alles aufbot, was sie graphisch beherrscht: In „Die Leichtigkeit“, jenem heute schon legendären Band, mit dem sie 2016 von Über- und Nachleben des Attentats auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ er­zählte, dem sie selbst im Vorjahr nur deshalb entgangen war, weil sie zu spät zu der Redaktionssitzung eintraf, in der das Massaker angerichtet wurde, ist es die Goachentechnik; in „Weites Land“ von 2018 über ihre Faszination für Natur als Kunstgegenstand die scheinbare Einfachheit von Bleistiftzeichnungen; und in „Nami und das Meer“ die virtuose Kombination von Tusche und Kohle, mit der sie 2021 die Eindrücke eines eigenen mehrmonatigen Japan-Aufenthalts wiederaufleben ließ und zur Grundlage einer Erzählung machte, die Mythen- und Kunstgeschichtsschreibung zugleich betreibt. Und auch Autofiktionalität.

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