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#Sie propagieren, wir wären böse

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Sie propagieren, wir wären böse

Ich studiere an einer georgischen Universität und ich bin queer. Wenn ich öffentlich meinen Namen und mein Alter nenne, drohen mir Konsequenzen. Gewalt. Seit dem Jahr 2000 ist Homosexualität in Georgien legal. Theoretisch. Aber in der Praxis tut die Regierung nicht viel, um Minderheiten zu schützen. Homophobe Gewalt gibt es überall im öffentlichen Raum. Politiker, Priester, religiöse Führer: Sie propagieren, wir wären böse. Das stimmt nicht. Wir tun niemandem etwas Böses. Sie machen uns das Leben schwer. Deswegen habe ich Angst, dass man mich erkennt. Dass man meinen Namen kennt. Dass man mich exmatrikuliert oder Menschen, die mir etwas antun wollen, mich finden. Ich bin eine Studentin in Georgien.

Eigentlich unterscheidet unser Leben sich nicht stark von dem Leben von westeuropäischen Studierenden. Wir haben das gleiche Bachelor- und Mastersystem wie in Europa. Ähnliche Studienfächer. Das wars auch. Das Studentenleben an georgischen Universitäten ist nicht leicht. Die Bildung ist unterfinanziert. Promotionsstudenten erhalten zum Beispiel nur 25 Lari pro Stunde. Das sind ungefähr 6 Euro. Die Finanzierung ist nur symbolisch. Es gibt aber weitaus größere Probleme als das Einkommen in Georgien: Queere Menschen sind unsichtbar. So wie ich. Seit mehr als 20 Jahren ist Homosexualität in Georgien legal. Aber in der Praxis tut die Regierung nicht viel, um Minderheiten zu schützen.

Die Gesellschaft in Georgien ist sehr homophob, und das kann man im alltäglichen Leben sehen. Gegen uns wird im privaten und öffentlichen Umfeld gehetzt. Das beste Beispiel sind unsere Familien: Wenn du dich outest, droht dir sehr schnell Gewalt und Vernachlässigung. Wir werden als Schande gesehen. Oft schmeißen Eltern ihre queeren Kinder zu Hause raus. Was aus Ihnen wird? Sie werden obdachlos. Und Arbeit? Für offen homosexuelle Menschen sehr schwer. Wenn dein Arbeitgeber herausfindet, dass du queer bist, wirst du entlassen. Zu groß ist der Einfluss der orthodoxen Kirche und konservativen Kräfte in der georgischen Gesellschaft. Auch in den Universitäten. Die sind nämlich eingebettet in die georgische Gesellschaft. Die Studenten. Die Organisationen. Die Verwaltung. Sie lasse meistens keine queeren Organisationen zu. Auch in meiner meiner Universität. Obwohl mein Studium eigentlich ziemlich liberal ist.

Wir sind unsichtbar

An meiner Universität gibt es keine offene Feindseligkeit seitens der Verwaltung. Auch von den Studierenden habe ich keine Angriff abbekommen. Weder körperlich noch verbal. Trotzdem, muss ich sagen, dass es keine Strukturen für queere Menschen in Georgien gibt. Das macht uns unsichtbar. Und fehlende Sichtbarkeit in der Gesellschaft trägt zur Diskriminierung von Menschen bei. Ich möchte, dass unsere Bedürfnisse ernst genommen werden. Es ist es sehr schwierig, sich zu organisieren in dieser Art von Gesellschaft, die so homophob ist, und keine Leute akzeptiert, die offen queer sind. Wir bewegen uns als Gesellschaft dahin, fortschrittlicher, liberaler sein, aber das endet bei der Homosexualität. An der Akzeptanz anderer Lebensentwürfe mangelt es. Sowohl die Gesellschaft als auch die Universitäten wollen schlicht nichts von uns wissen.

Aber es gibt noch Hoffnung. Bewegungen wie die Pride in Georgien werden zwar häufig Opfer von queer-feindlicher Gewalt, aber ich glaube, dass die junge Generation der Georgier, die mit uns auf die Straßen geht, immer lauter wird. Sie mobilisiert, solidarisiert sich und dringt immer weiter in die Politik ein. Ich hoffe, dass dies Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt haben wird. Das wünsche ich mir.

Ich würde mir auch wünschen, dass unsere Gesellschaft von dieser Krankheit geheilt wird. Der Krankheit der Homophobie. Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft. Die queere Gemeinschaft in Georgien soll akzeptiert und integriert werden. Jeder Mensch in dieser Gemeinschaft  soll sich unterstützt fühlen. Einen Ort in diesem Land haben. Und sich von niemandem etwas gefallen lassen.  Wir wollen in Frieden in Georgien leben. Und sichtbar sein. Ich möchte mich offen zeigen.

Artur Weigandt (26) absolviert derzeit eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Verbrachte aber auch als Kind und Student längere Zeit in Kasachstan, Georgien, der Ukraine, Russland und Belarus. Für die Reihe „Uni live“ schreibt er in unregelmäßigen Abstände Protokolle über den Alltag von Studierenden in Osteuropa.

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