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#So geht es einfach nicht weiter

So geht es einfach nicht weiter

Das ist kein Weinkeller, das ist eine Gruft, zu Zeiten des Dritten Kreuzzugs bei Nierstein in den rheinhessischen Fels gehauen und in achthundertfünfzig Jahren zu einem Verlies verwittert, bedeckt mit einer dicken Kruste schwarzer Schimmelpilze, bevölkert von Hundertschaften wilder Hefestämme, bestückt mit den Flaschen uralter Jahrgänge, die wie Sarkophage unter einer handbreiten Schicht aus Staub und Spinnweben begraben liegen. Und ausgerechnet hier, in den Halbstück- und Stückfässern dieses Methusalem-Kellers, die meisten auch schon ein halbes Jahrhundert alt, könnte sich die Zukunft des deutschen Qualitätsweinbaus entscheiden.

Jakob Strobel y Serra

Um nichts weniger geht es Kai Schätzel, dem Herrn der Gruft, der zwar nicht Weinbau, sondern Betriebswirtschaft studiert hat, aber seit jeher keine größere Leidenschaft als den Wein kennt. Sein Vater Otto war Direktor der Staatlichen Weinbaudomäne Oppenheim, bewirtschaftete nebenbei vier Hektar im Roten Hang, einer der besten Lagen Rheinhessens, und sorgte dafür, dass es im Hause Schätzel kaum ein anderes Thema als Sein und Wesen des Weinbaus gab.

Nicht gegen den Natur kämpfen

Sein Sohn kelterte schon mit dreizehn Jahren seine ersten eigenen Gewächse, tauschte dann leichten Herzens die Ökonomie gegen die Önologie und war sich einer Sache absolut sicher, als er 2008 das Familiengut übernahm: So wie bisher konnte es im Angesicht von Klimawandel und Ressourcenerschöpfung mit dem Weinbau nicht weitergehen. Er wollte nicht länger mit technischen Tricks und brachialer Gewalt gegen die Natur ankämpfen, um den Status quo zu bewahren, sondern sich so schonend und klug wie möglich dem Wandel anpassen, vor allem an die langen, heißen, trockenen Sommer, die immer häufiger werden. „Wir müssen unsere Reben an den Hitzestress gewöhnen, anstatt sie mit Tröpfchen zu bewässern, denn wenn wir alle das täten, wäre der Rhein bald leergepumpt“, sagt Schätzel, der inzwischen sechzehn Hektar bester Steillagen im Roten Hang bewirtschaftet und vier Fünftel seiner Weine in mehr als vierzig Länder exportiert.

Lebendige Weinbaugeschichte: Seit vielen Jahrhunderten werden im Keller des Weinguts Schätzel Fässer gelagert.


Lebendige Weinbaugeschichte: Seit vielen Jahrhunderten werden im Keller des Weinguts Schätzel Fässer gelagert.
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Bild: Weingut Schätzel

Das Kernproblem ist für ihn die Überreife. Der Temperaturanstieg habe dafür gesorgt, dass seine Weinberge klimatisch vierhundert Kilometer nach Süden gewandert seien. Dadurch würden die Trauben schon reif, noch bevor sie ihre aromatische Tiefe und Komplexität entwickeln könnten, sagt Schätzel. Deswegen lautet sein Leitmotiv im Weinberg Entschleunigung. Er reduziert die Laubwände, um die Photosynthese zu verlangsamen, geht sparsam mit Stickstoff um, baut stattdessen die Humusschicht behutsam auf und pflanzt als Vegetationskonkurrenz einen wahren Urwald aus Klee, Kamille, Rosmarin, Lavendel und wilden Erdbeeren zwischen den Rebzeilen, damit der Wein merkt, dass er sein Wachstum verlangsamen muss. So kann er die Trauben bei voller Aromenfülle mit Oechslegraden deutlich unter der Neunzigermarke ernten – selbstverständlich ausnahmslos von Hand und oft in einem halben Dutzend Durchgängen, weil der richtige Erntezeitpunkt jeder einzelnen Beere für Schätzel fundamental ist.

Spröde Gewächse, trocken wie die Sahara

Im Keller geht diese Sorgfalt hart am Rande des Fanatismus unter dem Primat der schonenden Natürlichkeit nahtlos weiter. Schätzel filtert und sedimentiert nicht, kontrolliert jedes Fass zweimal am Tag, lässt seine Weine ausschließlich spontan vergären, mitunter jahrelang auf der Hefe liegen und füllt sogar die Gutsweine erst zwölf Monate nach der Ernte ab. Er gibt ihnen alle Zeit, die sie brauchen, und lässt sie so werden, wie sie wollen – nämlich so unorthodox und unkonventionell wie der Winzer selbst, der zwar 2016 in den Verband der Deutschen Prädikatsweingüter (VdP) aufgenommen wurde, dessen Philosophie der Großen Gewächse aber nicht vollständig teilt.

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