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#Spanien vor dem Stillstand

„Spanien vor dem Stillstand“

Auf vielen spanischen Stadtautobahnen ging am Montag nichts mehr. Mitten im Berufsverkehr fuhren lange Lastwagenkonvois im Schneckentempo durch Madrid, Sevilla, Valencia und viele andere Städte. Schon seit einer Woche streiken Zehntausende selbständige Fahrer in Spanien. Milch kommt nicht mehr in die Molkereien, Fisch nicht mehr in die Großmärkte, in Andalusien wurde an einigen Tankstellen schon das Benzin knapp. Supermarktketten wie Carrefour und Bekleidungsgeschäfte wie Zara warnen ihre Kunden vor Engpässen und Lieferschwierigkeiten.

Und das alles könnte erst der Anfang sein. Am Montag stellten die größten Gewerkschaften der Lastwagenfahrer der linken Minderheitsregierung ein Ul­timatum: Wenn es keine sofortige Entlastung bei den Treibstoffpreisen gebe, werde man den Mitgliedern freistellen, ihre Arbeit niederzulegen. Die bisherigen Aktionen hatte ein Zusammenschluss von mehr als 70.000 selbständig arbeitenden Fahrern organisiert.

„Der Dieselpreis ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, sagte ein Sprecher der neuen „Plattform für die Verteidigung des Transports“. Schätzungsweise 600 Millionen Euro betragen die wirtschaftlichen Schäden der ersten Streikwoche. Tausende Polizisten hat die Re­gierung schon in Marsch gesetzt, um Ge­walt zu verhindern – zuvor war es zu Übergriffen auf Lastwagenfahrer ge­kommen, die sich nicht an den Streiks beteiligten.

Vage Versprechen sind nicht mehr genug

Von Tag zu Tag wächst die Ungeduld mit der Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Im Unterschied zu anderen europäischen Staaten ist Spanien seinen Bürgern bisher noch nicht zur Hilfe gekommen, um die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zu lindern. Seit Tagen ist Sánchez hektisch in Europa unterwegs. Bis zum EU-Gipfeltreffen in dieser Woche will er die europäischen Partner von ei­ner gemeinsamen Linie überzeugen, um die schlimmsten Kriegsfolgen zu be­kämpfen. Am Montag war er in Paris und Brüssel, am Freitag in Berlin und Rom. Zusammen mit Portugal hatte sich Spanien zunächst für einen Höchstpreis beim Strom von 180 Euro pro Kilowattstunde eingesetzt, rückte aber von diesem Vorschlag am Montag wieder ab.

Vage Versprechen sind vielen Spaniern längst nicht mehr genug: Schon seit dem vergangenen Jahr leiden sie unter den unaufhaltsam steigenden Energiepreisen. „Gelbwesten“ wie in Frankreich tauchten in Spanien bisher zwar noch nicht auf. Aber am Sonntag trugen auf dem Castellana-Boulevard Hunderttausende orangefarbene Westen und Kappen: Bauern, Jäger, Fischer und Stierzüchter protestierten in Madrid. Mehr als 400 000 waren es nach An­gaben der Veranstalter, zu dem die größten Landwirtschaftsverbände des Landes gehören. Es war eine der größten Demonstrationen der Landbevölkerung, deren Lage die Folgen des Ukrainekriegs noch weiter verschärft hat.

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Treibstoff, Futter und Düngemittel werden immer teurer. In Kastilien bringen erste Schäfer ihre Herden in die Schlachthäuser, weil sie die Futterkosten nicht mehr decken können. Ferkel und Schweine werden deutlich unter den Preisen von vor einem Jahr gehandelt, während die Produktionskosten um 80 Prozent gestiegen sind.

Die Landwirtschaft ist praktisch der einzige Wirtschaftszweig, der die strukturschwachen Gebiete noch am Leben er­halten hat – und als strukturschwach gelten mehr als 60 Prozent von Spanien. Dazu bekommen die Milchbauern den Lkw-Streik zu spüren: Drei Millionen Liter Milch mussten sie schon wegschütten, weil sie nicht mehr die Molkereien erreichten.

Immer mehr Fischer verzichteten vor allem im Norden des Landes in den vergangenen Tagen darauf, mit ihren Booten auszulaufen. Das liegt an den Treibstoffpreisen, die sich in wenigen Wochen fast verdreifacht haben – und an den Blockaden der Lastwagenfahrer, deretwegen die Fischer ihren Fisch zuvor nicht losgeworden waren. Am Montag schloss sich dann die gesamte andalusische Fischereiflotte dem Streik an, zu dem einer der größten Fischerverbände aufgerufen hatte, um die Regierung und die EU endlich zu Nothilfemaßnahmen zu bewegen.

Die Fronten sind verhärtet

Trotz der Eskalation zeichnet sich in Madrid keine schnelle Lösung ab. Mi­nisterpräsident Sánchez will mit einem „Staatspakt“ gemeinsam mit der konservativen Volkspartei (PP) Kriegsfolgen mildern. Aber selbst in seiner eigenen Koalition haben sich die Fronten ver­härtet. Mit seinem diplomatischen Al­leingang in Marokko hatte er die Koalitionspartner von der Podemos-Partei vor den Kopf gestoßen. Nicht nur sie, sondern alle Parteien sind verärgert darüber, dass er Spaniens Neutralität im Westsaharakonflikt aufgegeben und Ma­rokkos Ansprüche auf das Gebiet anerkannt hat, ohne sie einzubeziehen. Das hat eine Einigung über den geplanten Pakt erschwert.

Die Auswirkungen der Krise könnten bald bis in Deutschland zu spüren sein, vor allem beim Fisch und bei den Erdbeeren, die gerade in der Nähe von Huelva geerntet werden. Lastwagenladungen voller Früchte sitzen im Süden Spaniens fest.

An den Küsten fürchtet man zudem, dass der Krieg die Reiselust vieler Europäer dämpfen könnte. Bei den Briten, die die größte Gruppe stellen, brachen die Buchungen um ein Drittel im Vergleich zu 2021 ein. Damit sich die spanische Wirtschaft nach dem Abklingen der Pandemie richtig erholen kann, müssten jedoch viele Urlauber kommen.

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