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#Spaßbremse im noblen Zwirn

„Spaßbremse im noblen Zwirn“

Ein nicht einfacher, nicht junger Mensch reist im Sommer nach Niendorf im Schleswig-Holsteinischen. Er fährt für drei Monate. Aber er bleibt (wohl) für den Rest seines Lebens dort. So könnte eine auf das Nötigste beschränkte Zusammenfassung eines zeitgenössischen „Zauberbergs“ lauten. Damals, vor nun bald hundert Jahren, las es sich so: „Ein ein­facher junger Mensch reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos-Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen.“ Das Ende ist bekannt.

Jeder seriöse Romanschriftsteller wird wissen, dass man keinen zweiten „Zauberberg“ schreiben kann oder, wenn doch, dann nur, indem man sich vor jeder Imitation hütet, es also ganz anders an­fasst, natürlich unter Beibehaltung der Grundidee: Ein Mensch reist . . . Aber warum „kann“ man so ohne Weiteres keinen zweiten „Zauberberg“ schreiben? Das ist eine Instinktfrage; zu groß ist die Gefahr, prätentiös zu erscheinen, aber sich dann schon beim Handwerklichen zu blamieren. Walter Kempowski scheint das erkannt zu haben, als er sein Schriftsteller-Alter-Ego Alexander Sowtschick in „Hundstage“ (1988) einen Roman schreiben lässt, der die unerreichbare Vorbildlichkeit des „Zauberbergs“ respektiert: „Diesem gewaltigen Zentralmassiv durfte er nicht zu nahe kommen.“ Etwas näher rückte ihm dann Thorsten Becker mit seinem gleich die ganze Mann-Familie in den Blick nehmenden, hochrespektablen Roman „Der Untertan steigt auf den Zauberberg“. Aber von der Konkurrenz mit einem Roman, der seinerseits schon Parodie und Endstufe des Bildungsromans ist, dazu sprachlich und in seinem Ideengehalt dermaßen hypertroph, lässt man vielleicht doch lieber die Finger.

Nicht viel am Hut

Es sei denn, man ist Heinz Strunk. Er wagt es und gewinnt. Um nicht missverstanden zu werden: Mit der Erzählweise Thomas Manns hat er wenig am Hut. Sein Stil ist die Nutzanwendung aus der Tatsache, dass die Zeiten dafür vorbei sind. Das schließt Respekt, Bewunderung nicht aus; von Einflussangst ist er aber frei. Er kann sich seine Abneigung gegen (allzu) realistisches, detailreiches oder einfach -verliebtes Erzählen allerdings leisten, weil er sie im Bewusstsein einer bestimmten Zeitgenossenschaft oder Zeitgemäßheit pflegt und dafür etwas an­deres auf Lager hat: eine so, in dieser von Buch zu Buch perfektionierten Ökonomie nur bei ihm zu habende Bestandsaufnahme einer seelischen Disposition, die ganz aufs Elend ausgerichtet ist und davon meistens aufgefressen wird.

Heinz Strunk


Heinz Strunk
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Bild: dpa

Sein neuer Roman „Ein Sommer in Niendorf“ wurde von Richard Kämmerlings in der „Welt am Sonntag“ mit dem „Tod in Venedig“ kurzgeschlossen. Das hat viel für sich, erst recht, wenn man bedenkt, dass der „Zauberberg“ als „humoristisches Gegenstück“ zum „Tod in Venedig“ gedacht und als Novelle konzipiert war – wie die Niendorf-Geschichte, die auch erst eine Erzählung war, bis Strunk im vergangenen Sommer, als sein Roman „Es ist immer so schön mit dir“ herauskam, gespürt haben muss, dass da mehr drinsteckt – nämlich eine Verfalls- oder Untergangsgeschichte, wie Thomas Mann sie zeit seines Lebens erzählt hat.

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