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#Spekulations-Hype oder artistische Avantgarde?

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Spekulations-Hype oder artistische Avantgarde?

Als alle Welt sich im Lockdown an Computer, Tablets oder Smartphones klammerte und versuchte, digital am Laufen zu halten, was nur ging, ist es passiert: Für 60,25 Millionen Dollar, mit Aufgeld 69,3 Millionen, versteigerte Christie’s im Frühjahr online eine Collage aus Tausenden Digitalbildchen von Beeple alias Mike Winkelmann – und ein kollektives Japsen ergriff den Kunstbetrieb. Nicht nur, dass ein Grafikdesigner aus dem Popbusiness mit trashigen Memes nach Jeff Koons und David Hockney den dritten Platz auf der Rangliste lebender Künstler, für deren Arbeiten die höchsten Preise erzielt werden, erklommen hatte. In der Versteigerung in New York, bei der das Auktionshaus Kryptowährung als Zahlungsmittel zuließ, war weder ein Bild zum Aufhängen noch eine Datei verkauft worden, sondern ein NFT. Ein was, bitte?

Non-Fungible Token, so der Begriff hinter der Abkürzung, ging bis dahin allenfalls Krypto-Jüngern lässig über die Lippen, die ganz selbstverständlich mit Blockchain und Bitcoin hantieren. Nun lernten Künstler, Kritiker, Händler, Sammler und Museen in Windeseile: NFT könnten die Lösung für ein Riesenproblem der Kunst im Digitalzeitalter sein – und eine Gelddruckmaschine. Warum? Ein NFT ist ein auf einer Blockchain hinterlegtes Echtheitszertifikat für ein digitales Werk. Es macht das prinzipiell unendlich oft Kopierbare zum Unikat. Wie eine Signatur markiert es ein vom Urheber autorisiertes Original und vermerkt dessen Besitzer.

CryptoKitties, ein Onlinespiel, bei dem virtuelle Katzen gezüchtet, gesammelt und verkauft werden, bereiteten den Boden für den NFT-Hype.


CryptoKitties, ein Onlinespiel, bei dem virtuelle Katzen gezüchtet, gesammelt und verkauft werden, bereiteten den Boden für den NFT-Hype.
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Bild: CryptoKitties

Ist das die kryptographische Antwort auf Walter Benjamins Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“? In diesem hatte er 1935 angesichts von Foto-, Film- und Tonaufnahmen die im „Hier und Jetzt“ begründete „Aura“ des Kunstwerks schwinden sehen. Eine Aura im Benjamin’schen Sinne, deren Leuchten noch einen Abglanz der kultischen Ursprünge der Kunst erahnen lässt, hat ein NFT gewiss nicht. Beeples Bildchen, um beim Eingangsbeispiel zu bleiben, wurden als tagesaktuelle Kommentare über Jahre hinweg frei verfügbar auf Tumblr und Instagram gepostet; sie stehen im Traditionszusammenhang der sozialen Medien. Das NFT der retrospektiv zusammengestellten Collage dieser Cartoons verlässt den Kontext. Es ist eine Besitzurkunde, an der sich die Spekulationswut einer kryptoaffinen Klientel abseits des traditionellen Kunstbetriebs entzündet. Nicht um Aura geht es, sondern die Handhabbarkeit digitaler Güter als Sammler- und Handelsware, ermöglicht durch die technische Verschmelzung von Kunst- und Finanzwelt. Unromantischer geht es nicht.

Fabian Müller-Nittel, neben Markus Reindl und Jesse Damiani einer der Kuratoren der ersten musealen NFT-Schau „Proof of Art“, die im Linzer Francisco Carolinum zu sehen ist, wandelt Benjamins Aufsatztitel denn auch passend ab: Ein NFT ist ein „Kunstwerk im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit“. Was die Ausstellungsmacher alles nicht interessiert, ist offensichtlich: Den Beeple-Hype lassen sie ebenso links liegen wie die Versteigerung des von Tim Berners-Lee geschriebenen Internet-Quellcodes als NFT bei Sotheby’s oder die Bemühungen von Weltklasse-Museen, ihren Souvenirshop kryptographisch aufzumotzen. Wenn die Uffizien einen Scan von Michelangelos „Tondo Doni“ samt Zertifikat mit Unterschrift des Museumsdirektors als NFT verticken, mag das die Finanzmisere des pandemiegeschüttelten Hauses lindern. Für Müller ist es dennoch eine Beleidigung Michelangelos und der NFT-Technologie zugleich.

Hilft das Digitalkünstlern weiter?

Ursprünglich nämlich wurde diese – von Anil Dash und Kevin McCoy – entwickelt, damit Digitalkünstler ihre Werke besser schützen und mit ihnen handeln können, ohne Intermediäre, in einem kollektiven virtuellen Raum. Was herrlich basisdemokratisch klingt, entpuppte sich ziemlich schnell als auch zur Turbokapitalisierung geeignetes Werkzeug. Das wiederum nutzen Blockchain-Künstler in kaltblütiger Selbstironie zugleich aus und unterlaufen es. Die Logik der Plattformen und Algorithmen denken sie dabei immer mit.

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