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#Steigen Sie bloß nicht in diesen Wagen

„Steigen Sie bloß nicht in diesen Wagen“

Es gibt Regisseure, bei denen die Kamera selbst zu einer der Figuren wird, durch ihre Bewegung die Handlung vorantreibt und zusammenwirkt mit einem Bildaufbau, der die Emotionen der Figuren und ihre Beziehungen zueinander herausarbeitet oder bei weiten Einstellungen neue Perspektiven auf Städte und Landschaften schafft. Und dann gibt es Regisseure wie Michael Bay, die das Gerät Kamera als reines Spielzeug betrachten, als handle es sich hierbei nicht um ein ästhetisches Werkzeug, sondern um ein neues Weihnachtsgeschenk, an dem alle Knöpfe ausprobiert werden müssen.

Den Irrglauben, dass wilde Bewegungen die Wirkung einer Actionszene verstärken, hatte man bereits in seinen fünf „Transformers“-Filmen aushalten müssen, in denen er Kämpfe zwischen intelligenten Maschinenwesen, die sich auf der Erde als Autos tarnen, als große Materialschlachten zu inszenieren versuchte.

Im neuesten Film „Ambulance“ sind die Autos zwar nicht intelligent, aber verformt, zerbeult und durch die Luft geschleudert werden sie trotzdem. Manchmal meint man, hier gehe es nur darum, John Landis‘ Actionkomödie „Blues Brothers“ (1980) den Spitzenrang auf der Liste der Filme mit den meisten beim Dreh demolierten Polizeiwagen abzulaufen.

Die Handlung, die das Spektakel legitimieren soll, ist simpel: Der junge Ex-Soldat Will (Yahya Abdul-Mateen II) braucht Geld, um die Krebsbehandlung seiner Frau zu bezahlen. Als er seinen Stiefbruder Danny (Jake Gyllenhaal) um Unterstützung bittet, schlägt der ihm einen letzten Banküberfall vor. Natürlich geht das schief, sodass die Brüder in einem Krankenwagen vom Tatort fliehen müssen. In dem sitzt aber noch die junge Rettungssanitäterin Cam (Eiza González) und versucht, einen von den Brüdern angeschossenen Polizisten zu retten.

Kamerafahrten wie auf Speed

Da liefert man sich mit der Polizei denn fröhliche Verfolgungsjagden durch Los Angeles. Und spätestens hier zeigt sich, dass Bay Regieführen mit Gasgeben verwechselt. Wie auf Speed rast die Kamera durch die glitzernde Filmstadt – an die soll „Ambulance“ auch eine Hommage sein, denn die Initialen L.A. leuchten im Titel neonfarben auf.

Dabei gelingt es nie, die Stadt als eigenen, gegenüber Postkartenwissen oder Google View irgendwie noch Neuigkeiten bietenden Raum zu erfassen. Stattdessen stürzt die Kamera im Drohnenflug von Dächern in die Tiefe der Straßenschluchten, wirbelt um Häuserecken, springt dann den Figuren mitten ins Gesicht, ohne dass man die Protagonisten irgendwo verorten könnte.

Verfolgungsjagd vor ikonischer Kulisse: Danny fährt den Krankenwagen zum Los Angeles River


Verfolgungsjagd vor ikonischer Kulisse: Danny fährt den Krankenwagen zum Los Angeles River
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Bild: Universal Studios

Das ist schade, denn wie viel Potential der Film hat, zeigt das dänische Original „Ambulancen“ (2005), dessen Remake „Ambulance“ ist. Der Film des Regisseurs Laurits Munch-Petersen folgte dabei dem Prinzip des Kammerspiels, konzentrierte sich völlig auf die vier Personen im Krankenwagen, ließ dem Konflikt zwischen den Brüdern Platz, sich zu entwickeln. Bay dagegen ist jemand, der stolz erklären kann, er drehe Filme für Teenager-Jungs. Die Erweiterung der Handlung, die er hier für dieses Publikum anbringt, bedient sich einiger tollkühner Einfälle, denen nichts ferner liegt als Subtilität. Als eine Operation im Wagen notwendig wird, für die sich die Sanitäterin nicht qualifiziert sieht, ruft sie zwei Ärzte an, die vom Golfplatz aus per Videoschalte Anweisungen geben, während die Frau ihre Hand im offenen Bauchraum des Angeschossenen versenkt. Wenn der Ex-Soldat Will das Haus verlässt, weht eine amerikanische Fahne im Wind, pathetische Musik gießt sich wie Sirup über die Bilder. Und wenn die beiden Brüder sich gegenüberstehen und Danny versucht, Will zum fatalen letzten Raub zu überreden, dann beginnt die Kamera dramatisch um die beiden zu kreisen, nur um vor der Vollendung des Kreises durch unmotivierte Schnitte unterbrochen zu werden und die Drehung an anderer Stelle des Kreises wieder fortzusetzen. Vielleicht soll solche Pseudodramatik aber auch bloß über die hölzernen Dialogzeilen hinwegtäuschen.

Ab durch den Los Angeles River

Zu allem Überfluss gibt es dann auch noch Versuche, an Filmklassiker zu erinnern. Auf dem Höhepunkt der Handlung biegt der Krankenwagen in das Flussbett des Los Angeles River ein. Der Drehort unter den Brücken der Stadt, wo sich zwischen Betonwänden der Fluss als ein Rinnsal dahinschlängelt, ist ikonisch für Verfolgungsjagden. Im Actionfilm „Leben und Sterben in L.A.“ (1985) fliehen zwei US-Agenten im Chevy vor Gangstern durch das spritzende Wasser im Flussbett, im Krimi „Point Blank“ (1967) fährt Lee Marvin auf der Flucht einen Wagen gegen einen Brückenpfeiler, und im Thriller „Drive“ (2011) nutzt Ryan Gosling als Stuntman eine Autofahrt an den Schrägen der Betonwände, um eine junge Frau zu beeindrucken.

Bay hat all das im Kopf, doch am Ende fällt ihm dazu nichts Besseres ein, als das Bild in Zeitlupe einzufrieren, das zeigt, wie der Krankenwagen im sprühenden Nebel des Flusswassers dahinbraust, während ein Polizeihubschrauber als plumper Raubvogel über ihm hängt – und weil es so schön ist, wird das dreimal aus verschiedenen Einstellungen wiederholt.

Gibt es also überhaupt einen Grund, sich diesen Film anzusehen, wenn man älter als dreizehn Jahre ist und von Kino mehr als schnelle bunte Bilder erwartet? Gyllenhaal-Fans könnten auf ihre Kosten kommen, denn der Mann nimmt jede noch so banale Dialogzeile und garniert sie mit irren Blicken, als wäre die Veranstaltung ein Casting für die Joker-Rolle im nächsten Batman-Film. Und auch die Mexikanerin Eiza González reißt den Film in jeder Minute an sich, die Bays überreizte Kamera ihr gibt; ihrer kaltschnäuzigen Sanitäterin verpasst sie sowohl Herz wie Verstand – und rettet so das Ende davor, einfach im Kitsch zu ertrinken.

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