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#Strahlenphysiker hat jetzt Leukämie – Blog 38 – Tag 495 – Nucular

Strahlenphysiker hat jetzt Leukämie – Blog 38 – Tag 495 – Nucular

Lungenembolie? Noch eine verkackte Lungenembolie? Ne ällich jetz, als ob ich nichts Besseres zu tun hätte. Da ist man gerade in den letzten Zügen seiner ersten Blina-Therapie und dann gibt’s plötzlich keinen Sauerstoff mehr, obwohl die Hämoglobinwerte eigentlich ganz gut sind. Ok, ok, das CT sagt, dass die Lunge einen guten Grund hatte, ⅓ ihrer Kapazität einzustellen, aber ein wenig vorwurfsvoll in ihre Richtung gucken werd ich ja noch dürfen, oder?

Anscheinend hat sich irgendwo in meinem Körper ein Thrombus/Blutpropfenklumpen gelöst und ist dann durch das Blut geschwommen, bis er eine Stelle gefunden hat, wo es etwas enger war und er nicht mehr weiter gekommen ist. Dummerweise befindet sich dieser Engpass in meiner Lunge, so dass alles, was dahinter liegt, nicht mehr ordentlich versorgt wird und daher seinen Dienst einstellt. Tja, die gute Nachricht ist, dass ⅔ einer Lunge offensichtlich noch zum Leben reichen und das ganze reversibel ist. Sprich, ich bekomme jetzt erst mal Blutverdünner (also, ich glaube Faktor 10 in der Gerinnungskaskade oder so), damit da nicht alles zusammenklebt, in der Hoffnung, dass sich das schon wieder auflöst. Diese Hoffnung scheint auch ganz gut begründet zu sein, da wir von weiteren drastischen Maßnahmen, wie einer Thrombolyse, absehen und das erst mal so versuchen. Eine bleibende Schädigung soll es dadurch wohl nicht geben.

Sarkastischerweise muss ich sagen, dass die Lungenembolie auf der Hitliste der dummen Nebenwirkungen es sogar schwer hat, unter die TOP10 zu kommen. Daher abschütteln und weiter machen, es gibt Wichtigeres … wie z.B. die (erste) Blinatumomab-Therapie, die in einer Woche fertig ist. Erste Anzeichen zeigen, dass sich was Positives tut. Wie genau, das werden wir in einer Woche nach der nächsten Knochenmarkbiopsie wissen, genauso wie die Fragestellung, ob da eine zweite Runde notwendig wird oder ob wir direkt in die Transplantation gehen können. Da ich das ganze bislang mit wenig Nebenwirkungen (also außer einem Hand-Tremor und kleineren neuronalen Defiziten) gut überstanden habe, hätte ich jetzt keine große Angst vor einer zweiten Runde, aber je schneller ich in die Stammzellentransplantion gehen kann, desto besser.

Tja, wo steh ich denn jetzt so im großen und ganzen Bild der Dinge? Eigentlich bin ich zurück auf Square one. Das heißt, ich bin auf dem gleichen Stand wie bei meiner Diagnose vor fast zwei Jahren – nur mit dem essentiellen Unterschied, dass mein Körper nach 2 Jahren Chemo einiges abbekommen hat und bei weitem nicht mehr so fit ist, wie er es mal war. Bei der Erstdiagnose hatte man damals gesagt, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für den ganzen Prozess bei ca. 20% liegt. Das würde jetzt auch wieder zutreffen, nur dass es eher noch schlechter steht, weil der Körper mittlerweile so viel mitmachen musste. Also, wir reden jetzt eher von 20-40% Mortalitätsrate, worauf man im Casino nur wetten sollte, wenn man auch was Vernünftiges dabei gewinnen kann.

Ich habe ja öfter schon mal hier geschrieben, wie ich so mit der Angst vor dem Tod klar komme und fundamental hat sich da auch nicht viel dran geändert, wobei ich halt schon zugestehen muss, dass die veränderten Wahrscheinlichkeiten schon ihre Spuren hinterlassen. 40% Sterbewahrscheinlichkeit ist halt schon eine andere Hausnummer als 5% (da wo ich ich letzten Sommer gewesen bin). Wenn ich gerade im Wartebereich beim MRT sitze, über den Sinn des Lebens (Länge & Inhalt) nachdenke, bekommt die Person neben mir gefühlt gerade einen Nervenzusammenbruch: “Mimimi, die schieben mich in eine enge Röhre und ich muss eine halbe Stunde still liegen… Mimimi, ich musste 45 Minuten nach einem Parkplatz suchen… Mimimi, die stechen mir mit einer Nadel in dem Arm… Mimimi, das Paracetamol gibt mir Sodbrennen, ich nehm lieber was homöopathisches.” Irgendwie sinkt meine Toleranz für Erste-Welt-Probleme linear mit meiner Überlebenswahrscheinlichkeit. Andere Leute runtermachen war aber noch nie mein Weg und ich werde sicher nicht jetzt damit anfangen, also lächeln und nicken.

Letztens wurde mir noch berichtet, dass wohl jemand sagte: „Menno, ich will endlich, dass ich von dir lese ‘Strahlenphysiker schwimmt gesund mit Schweinen auf den Bahamas’” und das ist doch mal eine tolles Ziel. Ich mag Schweine und Strand. Allerdings bin ich schon mit Haien und Rochen auf den Fiji Inseln geschwommen, ich habe auf der großen Mauer gestanden, auf einem Isländischen Vulkan, habe ein 750kg Fiberglasflugzeug in eine Sturmfront geflogen und einen Kernreaktor mit Panzertape geflickt. Ich hatte ein schönes Leben. Natürlich ist es nicht so, dass ich jetzt nichts mehr vorhätte, ganz im Gegenteil. Mit jedem Tag, den ich im Krankenhaus sitze kommen zwei neue Dinge dazu, die ich unbedingt machen will, aber unterm Strich steht natürlich die Erkenntnis, dass man nie die ganze Liste abarbeiten kann.

Langer Rede kurzer Sinn, das ist gerade meine Gedankenwelt zum “Themenjubiläum” meiner Krankheit und den effektiven “Alles auf Anfang, jetzt kommt Runde Zwei”-ersten Schritten in die Zukunft. Ich hoffe, ihr bleibt dabei, das könnte jetzt wieder etwas dauern ?

 

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