Nachrichten

#Straßenfotografie aus Frankfurt: Von Jägern und Anglern

Die Journalistin und Fotografin Andrea Diener bereiste als Reporterin die Welt und berichtet nun aus der Region. Im Interview spricht sie über das Licht und die Farben Frankfurts und wie sich ihr Blick auf die Stadt durch Fotografie verändert hat.

Im Vergleich zu den großen Metropolen der Welt – wie gut schneidet Frankfurt als Terrain für Straßenfotografie ab?

Frankfurt hat einerseits den Nachteil, dass es in Deutschland ist, und da sieht es meistens aufgeräumt aus. Man muss etwas länger suchen, bis etwas visuell Interessantes auftaucht. In Japan hängen beispielweise kreuz und quer Stromkabel, es gibt sehr kleinteilige Strukturen an den Fassaden. Hier gibt es dafür riesige Betonwände und insgesamt viel gröbere Strukturen. Frankfurt hat jede Menge Glas, es gibt Spiegelungen und Lichtbrechungen, und damit kann man viel machen. In Südostasien oder Indien ist zwar mehr los auf den Straßen, und überall ereignet sich etwas, es wird gegessen, gehandelt und so weiter. In Bangkok zum Beispiel ist es nicht so schwer, exotisch anmutende Szenen zu finden, das empfinde ich aber als ein bisschen faul. Straßenfotografie aus Deutschland interessiert mich mittlerweile mehr, weil man sich in der vertrauten Umgebung mehr Mühe geben muss. Die Herausforderung in der Heimatstadt anzunehmen ist doch viel interessanter.

Hat sich dein Blick auf Frankfurt durch das Fotografieren verändert?

Ich habe in Frankfurt ein ganzes Koordinatensystem an Stellen, an denen es sich lohnt, nach Bildern Ausschau zu halten, und eine Art Kalender der Lichtstimmungen. Ich weiß gut, wo im Sommer zu einer bestimmten Uhrzeit das Licht auf eine bestimmte Weise zwischen zwei Türmen hindurchfällt. Das ist ein Vorteil, den ich an anderen Orten der Welt nicht habe. Manchmal kehre ich noch Wochen oder Monate später zu der gleichen Ecke der Stadt zurück, wenn ich finde, dass die vielversprechend ist. Ich laufe die Stellen immer wieder ab, bis mir etwas gelingt.

Mich interessieren die Farben und das Licht, und wenn darüber hinaus im Bild noch etwas Interessantes passiert, dann freue ich. Ich gucke viel auf den Regenradar und habe das Wetter im Blick. Von März bis Oktober kann man eigentlich auch in Frankfurt immer schönes Licht und satte Farben finden.

Stiller Moment in einer unruhigen Stadt, Frankfurt 2016


Stiller Moment in einer unruhigen Stadt, Frankfurt 2016
:


Bild: Andrea Diener

In der Frankfurter Innenstadt, 2023


In der Frankfurter Innenstadt, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Pustefix am Opernplatz, 2023


Pustefix am Opernplatz, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Streifzüge in Pandemiezeiten, Frankfurt 2020


Streifzüge in Pandemiezeiten, Frankfurt 2020
:


Bild: Andrea Diener

Im Frankfurter Winter, 2017


Im Frankfurter Winter, 2017
:


Bild: Andrea Diener

Es gibt dieses Klischee vom fotografierenden Flaneur, meistens ein Mann, der allein die Stadt durchstreift und sich im für ihn richtigen Moment blitzschnell und ungefragt ein Bild nimmt. Eine chauvinistische Geste?

Ich finde, das hängt von der konkreten Geste ab – natürlich gibt es Fotografen, bei denen es sich sogar um aggressive Gesten handelt, die beispielsweise Fremden ins Gesicht blitzen. Aber das kann man auch anders machen und eher vom Rande aus beobachten. Da gibt es ein sehr großes Spektrum an Haltungen. Menschen und Gesichter kommen in meiner Arbeit zwar vor, aber sind ohnehin nicht das Zentrum meines Interesses, ich halte mich gerne am Rande des Geschehens auf.

Wie gehst du mit Fragen von Erlaubnis und Zustimmung, unabhängig von dem, was juristisch geboten ist, um? Musst du dich gelegentlich für dein Tun rechtfertigen?

Ich bin offenbar zu unauffällig, als dass ich mich häufig erklären müsste. Man ist als nicht mehr ganz junge Frau in gewisser Weise unsichtbar. Das hat große Vorteile bei dieser Tätigkeit, man kann sich das gut zunutze machen. Erst neulich erzählte mir eine Bekannte, dass sie sich beim Fotografieren sehr frei fühle, weil sie vermutet, ohnehin für eine schrullige Oma gehalten zu werden. Meistens kann ich machen, was ich will. Aber natürlich gibt es ab und an Empörte, die einen in Diskussionen verwickeln. Das sind aber in der Regel Dritte, die an der Situation nicht beteiligt waren, und diese Diskussionen bringen auch wenig, ich gehe dann lieber.

Die Bilder wirken häufig, als wären sie ganz beiläufig, wie mit einem Wimpernschlag aufgenommen. Wie kalkuliert sind denn diese vermeintlich beiläufigen Bilder?

Sehr kalkuliert. Man unterscheidet zwei Strategien bei den Straßenfotografen: Jäger und Angler. Die Angler stehen ewig an der Ecke und warten auf einen besonders bunten Fisch, und die Jäger folgen eine Weile einer Figur, wenn sie das Gefühl haben, da könnte etwas Interessantes passieren. Die einen legen Köder aus und warten, dass etwas anbeißt, die anderen bewegen sich mit dem Strom. Man braucht Ausdauer. Ich selbst bin Anglerin und jage eher selten, weil mir mehr an präzisen Kompositionen liegt als an Gesichtern. Oft stehe ich an Straßenecken herum und habe meinen Bildausschnitt schon komponiert, dann lege ich meinen Köder aus und warte. An einem besonders schönen Zebrastreifen am Bahnhof in Luxemburg stand ich einmal sicher zwanzig Minuten.

Am Morgen in Wien, 2023


Am Morgen in Wien, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Bild oder Abbild? Eine Stadtpflanze in Luxemburg, 2023


Bild oder Abbild? Eine Stadtpflanze in Luxemburg, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Auf der japanischen Halbinsel Noto, 2015


Auf der japanischen Halbinsel Noto, 2015
:


Bild: Andrea Diener

Gengar & Panda auf dem Römerberg, Frankfurt 2023


Gengar & Panda auf dem Römerberg, Frankfurt 2023
:


Bild: Andrea Diener

Schach auf dem Salzburger Kapitelplatz, 2023


Schach auf dem Salzburger Kapitelplatz, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Das Vokabular in der Fotografie erinnert manchmal an die Jagd. Man peilt an, und man schießt, manchmal auch „aus der Hüfte“. Sind gelungene Bilder wie Trophäen? Ist es aufregend, die zu machen?

Ja, man sieht eine interessante Szenerie, und dann hofft man, dass noch etwas geschieht, was das Bild interessanter macht, und wartet. Das ist aufregend, und wenn es gelingt, freue ich mich. Das können auch adrenalingesättigte Momente sein. Ob das Bild Bestand hat und ich es nach ein paar Jahren noch gut finde, steht aber auf einem ganz anderen Blatt.

Streifst du denn meistens allein durch die Stadt, oder gibt es innerhalb der Szene Kooperationen und Austausch?

Der Austausch ist in den letzten Jahren stärker und wichtiger geworden und die Szene in den letzten Jahren zum Glück viel weiblicher. Frauen sind inzwischen sichtbarer und auch untereinander vernetzter. 2017 war ich in Frankfurt noch eine der wenigen Fotografinnen, die das betrieben haben. Viele probieren das auch für eine Weile aus und verschwinden wieder, einige meinen es aber durchaus ernst und machen sich Gedanken. In Frankfurt kenne ich mittlerweile eine ganze Menge Straßenfotografen und -fotografinnen, und wir verabreden uns auch. Heute zum Beispiel liegt Neuschnee, da wollen wir noch gemeinsam raus.

Drei Grazien in der Frankfurter Taunusanlage, 2023


Drei Grazien in der Frankfurter Taunusanlage, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Wäldchestag im Frankfurter Stadtwald, 2023


Wäldchestag im Frankfurter Stadtwald, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Warten auf den Zug nach Salzburg, 2023


Warten auf den Zug nach Salzburg, 2023
:


Bild: Andrea Diener

Am Frankfurter Gutleuttunnel, 2022


Am Frankfurter Gutleuttunnel, 2022
:


Bild: Andrea Diener

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!