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#Evidenzbasierte und einheitliche Risikokommunikation? – Gesundheits-Check

„Evidenzbasierte und einheitliche Risikokommunikation? – Gesundheits-Check“

Die Bundesregierung hält sich eigens einen Corona-Expertenrat. Der hat in seiner 5. Stellungnahme – ein halbes Jahr ist es her – eine evidenzbasierte und einheitliche Risikokommunikation angemahnt. Andernfalls würde das Vertrauen in staatliches Handeln untergraben. Und auch der Sachverständigenausschuss nach § 5(9) IfSG hat in seinem Evaluationsbericht ganz ähnlich darauf hingewiesen, dass die Risikokommunikation informierte Entscheidungen ermöglichen soll, damit auch „schützendes bzw. lebenserhaltendes Verhalten fördern, das Vertrauen in öffentliche Institutionen bewahren und den sozialen Zusammenhalt stärken.“ Das war vor sechs Wochen.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat das entweder nicht gelesen, oder nicht verstanden, oder es ist ihm egal. Bei der Frage, für wen eine 4. Impfung sinnvoll ist, hat er für maximale Verwirrung gesorgt. Die STIKO empfiehlt die 4. Impfung derzeit für ältere Menschen ab 70 Jahren, für Jüngere nur unter bestimmten Voraussetzungen. Darüber kann man natürlich diskutieren. Die EMA empfiehlt die Impfung seit kurzem schon ab 60 Jahren. Insofern: Die einen sagen so, die anderen so. Auch bei den Risikogruppen unter 70 (bzw. unter 60) kann man unterschiedliche Meinungen vertreten, neben immunsupprimierten Personen gibt es sicher weitere Risikogruppen, die von einer 4. Impfung profitieren könnten.

Ergo: Möge doch die STIKO die Sachlage und die sich anreichernde Evidenz neu prüfen, so dass man eine Grundlage für eine evidenzbasierte Risikokommunikation hat, die den Menschen eine informierte Entscheidung ermöglicht und das Vertrauen in staatliches Handeln nicht (weiter) untergraben wird. Das ist beim Thema Impfen besonders wichtig, zumal hier kommunikativ in der Vergangenheit weiß Gott nicht alles optimal gelaufen ist.

Herr Lauterbach wollte aber nicht auf die STIKO warten. Mitte Juli sagte er:

„Wenn jemand den Sommer genießen will und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich in Absprache natürlich mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen”.

Das klingt nach einer allgemeinen Impfempfehlung für Jüngere. Evidenzbasiert ist seine Begründung „wenn jemand den Sommer genießen will“ aber eher nicht. Prompt kam es zu Widerspruch. Namhafte Immunologen wie Andreas Radbruch oder Carsten Watzl sehen nicht die Notwendigkeit einer 4. Impfung für alle, jedenfalls nicht jetzt, und der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens sagte, er kenne keine Daten, die das rechtfertigen. Das STIKO-Mitglied Rüdiger von Kries gab Lauterbach den Rat, es wäre gut, wenn er „seine Zunge etwas besser im Griff hätte“. Lauterbach hat auf den Gegenwind reagiert, er will es nicht so gemeint haben:

„Ich habe nie gesagt, dass alle jüngeren Leute sich jetzt impfen lassen sollen. Das ist einfach falsch.“

Das stimmt, das hat er so nicht gesagt, aber zumindest das Missverständnis nahegelegt, dass er es so gemeint hat. Auf jeden Fall muss man seine Aussage als Kritik an der STIKO verstehen. Aber wie gesagt, „wenn jemand den Sommer genießen will“ ist keine Formulierung, die ich in einer STIKO-Empfehlung sehen möchte. Da sollen bitte wissenschaftliche Begründungen angeführt werden. Böse hat der Medizinjournalist Werner Bartens gestern in der Süddeutschen daher formuliert: “Die STIKO ist eine weltweit anerkannte Institution; Lauterbach hält sich für eine.”

Damit nicht genug, bringt auch der Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes Verwirrung in die Lage, weil er die Befreiung von Maskenpflichten im Herbst an eine Impfung knüpft, die nicht länger als drei Monate zurückliegt – für viele Menschen also nur bei einer 4. Impfung.

Damit darf man die Kommunikationslinie vielleicht so zusammenfassen: Wenn jemand den Sommer genießen will, oder im Herbst keine Maske tragen möchte, oder älter ist oder glaubt, irgendeiner Risikogruppe anzugehören, möge er mit seinem Arzt sprechen, ob der noch versteht, wann wem warum die 4. Impfung zu empfehlen ist.

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Zum Weiterlesen oder Weiterhören:

• Expertenstimmen zur 4. Impfung beim science media center
Video von Werner Bartens zum Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes

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