#Auf welchem Flügel sollte man die „Mondscheinsonate“ spielen?
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„Auf welchem Flügel sollte man die „Mondscheinsonate“ spielen?“
Beethovens Geburtstag vor einem Jahr: Im Berliner Musikinstrumentenmuseum findet ein Gesprächskonzert statt zur Frage „Wie texttreu muss man Beethoven spielen?“. Das Staatliche Institut für Musikforschung hat eingeladen, auf dem Podium sitzen Andreas Staier und Alexander Melnikov, zwei ausgewiesene Kenner im Umgang mit historischen Tasteninstrumenten, zwei gute Bekannte außerdem: Melnikov, der zunächst bei Alexei Lubimov in Moskau in Berührung mit der historischen Aufführungspraxis kam, arbeitete auch eng mit Staier zusammen.
Es ist ein Abend, bei dem der Wunsch nach wissenschaftlich klaren Aussagen auf den Behauptungswillen künstlerischen Fühlens prallt. Der Moderator hätte gerne greifbare Ergebnisse, die beiden Pianisten weichen ein ums andere Mal gekonnt aus: Bloß keine Regeln! Verzierungen oder Ornamente einfügen, wie es damals durchaus üblich war? Kann man machen, nur sei Beethovens Musik so „solide“ (Staier) und „robust“ (Melnikov) geschrieben, dass für Anreicherungen durch den Interpreten kaum einmal Platz sei. Eine linke Hand, die sich mit der Begleitung begnügt, und eine rechte Hand, die ungestört der Melodie frönt und dabei verzierend tätig wird – das fände sich bei Beethoven kaum einmal. Und falls es dann doch unbedingt ein Ornament sein muss – Alexander Melnikov ist gesegnet mit Sinn für Ironie wie für Lakonik –, dann müsse es ganz aus dem Inneren des Interpreten kommen, gleichsam als organisches Aufblühen des Ausdruckswillens.
Höhlenartiges Übestudio
Am Ende entscheidet das Gefühl, nicht der Kopf, so der Eindruck, den die beiden Pianisten hinterlassen. Und die Sicherheit vor Augen, mit der sie ihre Intuition gegen die Fragen des Moderators verteidigen, der gerne von Regeln hören würde, ahnt man, dass sie wohl nicht nur mit der genauen Kenntnis des Notentextes zu tun hat, sondern auch aus der praktischen Erfahrung herrührt mit den Instrumenten, für die Beethoven seine Musik schrieb.
Ein paar Wochen später in Melnikovs höhlenartigem Übestudio in Berlin-Wilmersdorf. Ein Copy-Shop war hier früher untergebracht, jetzt befindet sich in den Räumen hinter abgeklebten Fensterscheiben, in Nachbarschaft einer Duschkabine und einer Waschmaschine die Instrumentensammlung des Pianisten: zwei Konzertflügel und drei Hammerklaviere. Von der Beethovenzeit bis heute reicht die Spanne: Der Nachbau eines Pianoforte des Wiener Klavierbauers Anton Walter ist der Bauweise nach das älteste Instrument. Christoph Kern, Spezialist für historische Tasteninstrumente in Staufen im Breisgau, nahm dafür einen Walter-Flügel von 1795 als Vorlage. Beethoven lebte da seit drei Jahren in Wien.
Von Alois Graff stammt ein weiterer Wiener Flügel in Melnikovs Sammlung, Baujahr um 1830, drei Jahre nach Beethovens Tod. Auf einen Erard-Flügel von 1880 – Melnikov spielte auf ihm Werke von Claude Debussy und von Robert Schumann ein – folgt ein Bösendorfer aus der Zeit von Johannes Brahms. Und schließlich und nahezu schnöde anmutend in der eleganten, meist naturholzbraunen Gesellschaft ein moderner Steinway. Zuweilen führt Melnikov seine Klaviere aus, etwa wenn er einen seiner „many pianos“-Klavierabende gibt: jedes Werk auf einem Instrument der Entstehungszeit gespielt. Oder er nimmt sie mit ins Aufnahmestudio. Den Walter-Nachbau etwa, der gerade am Tag des Treffens aus den Teldex-Studios in Berlin-Lichterfelde zurückgekehrt ist. Gemeinsam mit der Geigerin Isabelle Faust und dem Cellisten Jean-Guihen Queyras nahm Melnikov dort die Triofassung von Beethovens zweiter Symphonie auf.
Das Bild eines modernen Konzertflügels vor Augen, erstaunt die Zartheit dieses Walter-Flügels: Der äußere Bau elegant wie der eines Teetischchens, der Klang weich und obertonreich. Die Hämmerchen nicht wie heute mit Filz überzogen, sondern wie in Wien damals üblich mit Leder. Und sie prallen nicht direkt auf die Saiten, sondern schlagen in streichelnder Bewegung den Ton an. Ein sogenannter „Moderator“ lässt sich einstellen, eine Dämpfung durch ein Stück Filz, die die Klangfarbe nicht einfach fahler werden lässt wie das zweite Pedal beim modernen Flügel, sondern dem Ton zusätzliche Weichheit verschafft und den Klang intimer macht.
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