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#Jugendstil-Hippies, die keine Kastanien malen können

Jugendstil-Hippies, die keine Kastanien malen können

Es muss eine befreiende, beflügelnde Zeit gewesen sein, die das frisch vermählte Paar – Caroline und Hans – zwischen 1902 und 1904 auf der Insel Capri im Golf von Neapel verbrachte. Sie liegen in der Sonne, klettern auf Felsen, baden im seichten Meerwasser, erkunden eine unerforschte Grotte und rasten auf dem Balkon ihrer kleinen Pension am Strand. Caroline und Hans, das sind der später berühmt-berüchtigte Schriftsteller Hanns Heinz Ewers und die bis vor Kurzem unbekannte Malerin und Illustratorin Ilna Ewers-Wunderwald.

Das Horst-Janssen-Museum Oldenburg widmet der Künstlerin nun eine Retrospektive. 2019 präsentierte bereits das Berliner Bröhan-Museum eine erste Werkschau, die den Startschuss zu einer fulminanten Wiederentdeckung gab, nachdem Ewers-Wunderwald hundert Jahre völlig vergessen war. Oldenburg legt nach und versammelt in der bisher größten Einzelausstellung neben Briefen und Fotografien, zum Beispiel aus Capri, rund 75 Arbeiten, die das virtuose Können der Künstlerin zeigen. Ihre Werkzeuge: Feder, Tusche, Blei- und Farbstifte. Ihre Motive: Tiere, Pflanzen, Fabelwesen, Mythologisches.

Widerstand gegen gesellschaftliche Konventionen bereits als Kind

Caroline Wunderwald wurde 1875 in Düsseldorf geboren. Ihr Vater war Fahnenmaler, auch Bruder und Cousin betätigten sich in Kunst und Kunsthandwerk. Wahrscheinlich besuchte sie kurzzeitig eine private Malschule (Frauen war der Zugang zu den Akademien noch verwehrt), Gewissheit über ihre Ausbildung gibt es aufgrund fehlender Quellen jedoch nicht. 1896 jedenfalls werden Arbeiten von ihr erstmals ausgestellt. Im selben Jahr verlobt sie sich mit dem Bohemien Hans (später Hanns, denn wer will schon ein gewöhnlicher Hans sein!) Ewers. Er übernimmt kurzzeitig die künstlerische Leitung des Berliner Kabaretts „Überbrettl“, später tourt das Paar mit eigener Truppe, zu der zeitweise auch Arnold Schönberg gehört, durch Europa. Caroline, die sich jetzt Ilna nennt, steht auf der Bühne, singt Lieder, rezitiert Gedichte und entzückt das Publikum.

o.T. (Wassermann), um 1910, Tusche, 26 x 35cm



Bilderstrecke



Ewers-Wunderwald in Oldenburg
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Jugendstil-Hippies, die keine Kastanien malen können

Doch das Geschäft ist nicht rentabel, und ohnehin sehnt sich das Paar nach Freiheit und kreativer Selbstfindung. Auf Capri, wo im neunzehnten Jahrhundert eine regelrechte Künstlerkolonie entstanden ist, zu der sich auch so mancher Naturapostel und Lebensreformer gesellt hat, entwirft Wunderwald aufwendige Kleider, „Toilettenkunst“, wie sie sagt, malt und übersetzt. 1903 erscheint ihre Übertragung (die erste ins Deutsche überhaupt) von Théophile Gautiers freizügigem Roman „Mademoiselle de Maupin“. In der androgynen Titelheldin, die sich in Männerkleidung als Théodore de Sérannes ausgibt, erkennt sie Züge von sich selbst. Wunderwald trägt Hosen, „eine englische Herrenjacke, dazu einen breiten Sombrero auf ihren dunklen, kurzgeschnittenen Locken“, so eine Zeitgenossin. Der unerhörte „exzentrische Anzug paßte wundervoll zu ihr“. Vom „Ungeheuer“ bürgerlicher Moral ist in einem Wunderwald-Brief von 1911 die Rede, schon als Kind habe sie „abseits“ gestanden und sich gesellschaftlichen Konventionen widersetzt. Sie und ihr Mann schwimmen gegen den Strom, frönen der Freikörperkultur, experimentieren mit Drogen. „Jugendstil-Hippies“ seien sie gewesen, sagt Germanist und Ewers-Wunderwald-Experte Sven Brömsel, der die Oldenburger Schau mitkuratiert hat. In den fünfziger Jahren wird die Künstlerin einige abstrakte Bilder malen, die fast die Psychedelic Art vorwegnehmen.

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