#Emmanuel Macron ist ein unzeitgemäßer Präsident
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Zu den Stärken Emmanuel Macrons zählt seine Unerschrockenheit, europäische Lebenslügen offenzulegen. Er hat überfällige Debatten über wirtschaftliche und militärische Abhängigkeiten angestoßen und in der EU zu einem Umdenken beigetragen. Doch seinen Führungsanspruch in Europa macht der französische Präsident derzeit selbst zunichte.
Seine Abgrenzungssucht gegenüber den Vereinigten Staaten steht in sonderbarem Gegensatz zu seiner Neigung, sich auf autoritäre Herrscher einzulassen. Schon am Beispiel Wladimir Putins war zu beobachten, wie er sich der Illusion hingab, mit einem Diktator auf Augenhöhe verhandeln zu können. Macron schlug auch Warnungen aus, dass Xi Jinping das Konzept der „strategischen Autonomie“ fördere, um Europa zu spalten und den transatlantischen Zusammenhalt auszuhöhlen.
Macron verspielt Glaubwürdigkeit
Es fällt schwer, hinter dem neuerlichen Ausscheren Macrons nicht ein Muster zu erkennen. Ob hirntote NATO, fruchtbare Konfrontation mit Deutschland oder Sicherheitsgarantien für (den Aggressor) Russland: Immer wieder zieht Macron mit provokativen Äußerungen die Aufmerksamkeit auf sich. Das teuerste Gut eines Staatsmannes, die Glaubwürdigkeit, verspielt er auf diese Weise leichtfertig. Macron konterkariert damit sein selbst erklärtes Ziel größerer europäischer Souveränität. Die Chance zu einer Selbstkorrektur bei seiner Europarede in Den Haag ließ er verstreichen. Seinen Diplomaten bleibt stets die undankbare Aufgabe, nachträglich den Schaden zu begrenzen.
Der chinesische Präsident hatte leichtes Spiel mit seinem Gast aus Frankreich. Macron ließ sich von der chinesischen Seite hofieren. Er nutzte nicht die Gelegenheit, sich bei der gemeinsamen Presseerklärung mit Xi klar zum Status quo von Taiwan zu bekennen, und vermied es, öffentlich Übereinstimmung mit der Chinarede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu bekunden.
Macrons Äußerungen zeugen darüber hinaus von einer verstörenden Bereitschaft, chinesische Denkweisen zu übernehmen. So betonte er mit Blick auf Taiwan, dass „die Chinesen besorgt um ihre Einheit“ seien. Auch die Warnung vor einer Logik der Blöcke war dem chinesischen Denken entlehnt.
Mehr denn je flüchtet sich der innenpolitisch angeschlagene Präsident in gaullistische Illusionen. Das gilt insbesondere für die problematische Äußerung, Europa dürfe sich in Bezug auf Taiwan nicht in Krisen hineinziehen lassen, „die nicht unsere sind“. Tatsächlich ist die Formulierung fast wortwörtlich von Charles de Gaulle übernommen. Der General begründete 1966 den geplanten Rückzug aus den integrierten NATO-Militärstrukturen damit, er wolle nicht, „dass Frankreich in Konflikte hineingezogen wird, die es nicht direkt betreffen“.
Gaullistische Illusionen
Doch Macron verkennt, dass de Gaulle den Zeitpunkt sorgsam erwogen hatte, bevor er diesen Schritt vollzog. Während der Berlin- und Kubakrise telefonierte er nicht mit Nikita Chruschtschow, sondern stellte sich eindeutig auf die Seite Amerikas. Moskau hielt er in einer Pressekonferenz 1961 einen aggressiven Imperialismus vor, auf den der Westen nicht mit Zurückhaltung reagieren müsse, sondern mit Stärke.
Macron vermittelte bei seinem Staatsbesuch in China den Eindruck, als könne er ignorieren, wie sehr der verschärfte Systemwettbewerb mit autokratischen Regimen die westlichen Demokratien unter Druck setzt. Daraus entsteht auch eine gefährliche innenpolitische Botschaft. Seine Wiederwahl verdankte Macron dem Willen einer Mehrheit der französischen Wähler, die Geschicke des Landes nicht Marine Le Pen anzuvertrauen. Indem er den Unterschied zwischen dem demokratischen System Taiwans und der autokratischen Führung in Peking herunterspielt, baut er Hemmschwellen ab. Von einer Präsidentin Le Pen erwartet man einen Kuschelkurs mit Diktatoren, von Macron nicht.
Noch vor Ende seines ersten Amtsjahres liegt ein Hauch von Fin de Règne über der Regierung. Auch im Rentenkonflikt hat sich die solitäre Führungsmethode Macrons als nicht zeitgemäß erwiesen. Es wäre unfair, den Präsidenten allein dafür verantwortlich zu machen, dass es der fragmentierten französischen Gesellschaft immer weniger gelingt, sich auf einen gemeinsamen Zukunftsentwurf zu verständigen. Aber Macrons vertikales Politikverständnis hat die demokratische Krise verschärft, statt sie zu lindern. Mit der Missachtung der Gewerkschaften hat er sich in eine Sackgasse manövriert.
Vielleicht gelingt es dem Verfassungsrat an diesem Freitag, einen gesichtswahrenden Ausweg aufzuweisen. Die nächsten vier Amtsjahre drohen zur politischen Hängepartie zu werden, sollte Macron seine Methode nicht radikal ändern. Er sollte weniger Gaullismus und mehr Parlamentarismus wagen.
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