#Warum die AfD nicht von den Corona-Protesten profitiert
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„Warum die AfD nicht von den Corona-Protesten profitiert“
Die bekanntesten Köpfe der AfD schwärmen an diesem Samstag ins ganze Land aus. Parteichef Tino Chrupalla kommt nach Dresden, seine Stellvertreterin Beatrix von Storch nach Neumünster, der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke nach Magdeburg. Neun Kundgebungen in neun Städten hat die AfD angemeldet, und der Bundesverband hat für den „Aktionstag“ gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht tief in die Parteikasse gegriffen. Jede Veranstaltung wird mit bis zu 15.000 Euro bezuschusst, hinzu kommen Ausgaben etwa für Flyer und Plakate. Insgesamt macht das laut Pressestelle mehr als 300.000 Euro.
Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine wird die AfD für ihren Protesttag wohl nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie sich vorgestellt hatte. Dafür hat sie eine neue Antwort auf die Frage, ob das denn sein müsse: Großveranstaltungen in Pandemiezeiten. Beatrix von Storch sagt über die Hunderttausende, die in Berlin „richtigerweise“ gegen den Krieg demonstriert hätten: „Es kommt – zu Recht – niemand auf den Gedanken, die Friedensdemo verbieten zu wollen. Aber einen Tag später ebenso legitime, friedliche Proteste gegen Corona-Maßnahmen einiger Hundert sollen gefährlich sein. Das ist doch absurd.“
Unklar bleibt allerdings, warum die AfD den Aufwand überhaupt betreibt. Bislang konnte sie nicht von ihrer Fundamentalopposition gegen die Corona-Politik der Bundesregierung profitieren. Unabhängig vom Inzidenzwert liegt die Partei seit Pandemiebeginn irgendwo zwischen neun und elf Prozent.
Es geht viel um „Freiheit“
Wenig spricht dafür, dass sich das bald ändern wird. Die Partei zieht am Wochenende mit bekannten Positionen in den Protest: keine Impfpflicht und das sofortige Ende aller Corona-Beschränkungen. Auf den Flyern, die Demonstranten im Fanshop kaufen können, und in den derzeitigen Reden von AfD-Politikern geht es viel um „Freiheit“. Es klingt ein bisschen nach FDP. Und tatsächlich hört man in der Partei bisweilen die Einschätzung, dass man ein paar Prozentpunkte gewinnen könne auf dem Feld, das die Liberalen freigemacht haben, seit sie in der Ampelkoalition Kompromisse eingehen müssten. Genauso ist in der AfD aber die Einschätzung zu hören, dass man sich dabei selbst im Weg stehe.
Denn eine neue FDP ist die AfD natürlich nicht plötzlich geworden. Das erkennt man schon am Zungenschlag: Bis hinauf in die Parteispitze wird es als angemessen empfunden, von einer „Corona-Diktatur“ zu sprechen. Hinzu kommt: Selbst einflussreiche AfD-Leute vertreten „Querdenker“-Positionen. Da sei es kein Wunder, dass man über die Stammwähler hinaus mit dem Thema nicht mobilisieren könne, beschweren sich gemäßigtere Funktionäre hinter vorgehaltener Hand.
Eine der Reden, die sogar Parteifreunde irritiert hat, hielt im Dezember Christina Baum. Es war die erste Rede der Zahnärztin aus Baden-Württemberg im Bundestag, Thema: die partielle Impfpflicht. Baum sprach von „Terror“ und „Knechtschaft des Volks“, nannte das Vorhaben eine „Vergewaltigung von Teilen des Volkes“. Und sie appellierte an die Ständige Impfkommission, die Zulassung für die Impfstoffe zurückzuziehen, weil der Nutzen nicht erwiesen und das Risiko fatal sei.
Sicher: Baum hat in der AfD wenig Einfluss. Das lässt sich aber nicht von allen „Querdenkern“ in der Partei behaupten. Peter Boehringer zum Beispiel. Der Bundestagsabgeordnete aus Bayern gilt als der Wunschkandidat des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland für die Nachfolge von Jörg Meuthen an der Parteispitze. Voriges Jahr sprach er in einem Interview von „statistischem Betrug“ im Zusammenhang mit der Pandemie, bei dem es sich um ein „internationales Phänomen“ handle. Als Grund für die angeblichen Machenschaften nannte Boehringer das viele Geld, das Regierungen in aller Welt mit Verweis auf die Pandemie schöpfen könnten.#
Tausende seien „totgespritzt“ worden, behauptet Höcke
In die Reihe gehört auch der Thüringer Landeschef Höcke. Anfang Februar sagte er im Landtag in Erfurt, man müsse „mittlerweile von Tausenden Menschen ausgehen, die mit mRNA-Impfstoff totgespritzt wurden“. Bei anderer Gelegenheit behauptete Höcke, es sei nicht auszuschließen, dass Corona-Impfungen eine Unfruchtbarkeit der nächsten Generation produzierten.
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In der Parteiführung spricht man trotz solcher Positionen von einer großen Einigkeit in der Corona-Politik: „Wir sind uns in der Partei vollkommen einig, dass der Staat niemanden zur Impfung zwingen darf und dass alle Maßnahmen beendet werden müssen, sofort“, sagt Beatrix von Storch. „Zu der Frage, ob eine Impfung ratsam ist, gibt es unterschiedliche persönliche Einschätzungen, die uns aber eben wieder einen: Impfen ist deswegen Privatsache.“
Die klare Abgrenzung zu Radikalen fällt der AfD nicht nur innerhalb der Partei schwer, sondern auch auf der Straße. Immer wieder ruft die AfD in den sozialen Netzwerken zu denselben Aktionen auf wie Rechtsextreme, regelmäßig marschiert man bei denselben Demonstrationen mit. Parteichef Chrupalla sagt, das lasse sich leider nicht verhindern: „Jeder Mensch hat das Recht, bei einer Demonstration mitzulaufen.“ Und: „Leider wird friedlicher Protest auch von problematischen Typen missbraucht.“
Erst vor wenigen Wochen wollte der Bundesvorstand einen Pflock einrammen und setzte einstimmig die „Freien Sachsen“ auf die Unvereinbarkeitsliste. Eine Zusammenarbeit der AfD mit der rechtsextremen Kleinpartei, die sich zuletzt vor allem durch die Organisation von Corona-Protesten hervorgetan hat, ist nun ausgeschlossen. Doch prompt kam Kritik an dem Vorstoß. Aus ostdeutschen Landesverbänden hieß es, die Entscheidung sei den Demonstranten auf der Straße kaum zu vermitteln.
Auch die Abgeordnete Baum meldete sich zu Wort. Im Interview mit dem Magazin „Compact“ nannte sie den Unvereinbarkeitsbeschluss „unsäglich“. Dass AfD-Mitglieder nicht mehr gemeinsam mit „Freien Sachsen“ protestieren dürfen, sei eine „Bevormundung“, an die sie selbst sich im Zweifel nicht halten werde. Der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung attestierte sie „eine gute Arbeit“.
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