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#23 Jahre jung, 173 Straftaten alt

23 Jahre jung, 173 Straftaten alt

Wissam R. hat zusammen mit einem Cousin im März 2017 die hundert Kilogramm schwere Goldmünze „Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen. Ihr Wert: 3,75 Millionen Euro. Und er war mutmaßlich auch mit dabei, als Juwelen und Schmuck von unschätzbarem Wert aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlen wurden – zusammen mit sechs weiteren Männern aus seiner Großfamilie. Es geht um Täter wie Wissam R. im ersten Berliner Lagebericht zur Clankriminalität, der am Montag vorgestellt wurde. In ihm ordnet das Landeskriminalamt 388 Personen in der Hauptstadt der Clankriminalität zu. Im vergangenen Jahr wurden 291 Tatverdächtige aus diesem Bereich registriert, auf ihr Konto gehen demnach 1013 Straftaten.

Markus Wehner

Was lässt sich über diese Kriminellen sagen? Es sind zu 95 Prozent Männer. Die meisten sind jung, zwischen 18 und 25 Jahre alt, auch das Alter bis 30 ist stark vertreten. Meist haben sie schon eine Vielzahl von Delikten begangen: Rauschgifthandel, Diebstahl, Raub, Betrug, illegalen Waffenbesitz und Verkehrsstraftaten. Das Rasen mit teuren Luxuskarossen gehört zum Protzverhalten der jungen Männer. Von den 291 Tatverdächtigen begingen im vergangenen Jahr 197 bis zu vier Straftaten, die restlichen 94 fünf oder mehr Taten. Ein 23 Jahre alter Libanese kam 2020 sogar auf 48 Straftaten, in den vergangenen fünf Jahren waren es 173. Dazu gehörten Diebstahl, Betrug, Raub, Körperverletzung, Rauschgiftdelikte, Verstöße gegen das Waffengesetz, Beleidigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bestechung sowie Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz.

Deutsche Staatsangehörigkeit

Fast die Hälfte, nämlich 45 Prozent der 388 Täter aus der Clankriminalität, besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die libanesische haben rund 17 Prozent, in 15 Prozent der Fälle ist die Staatsangehörigkeit ungeklärt. Zwar setzt der Senat verstärkt auf Abschiebungen von Clankriminellen und hat damit zuletzt auch schon einzelne Erfolge erzielt. Der hohe Anteil an Tätern mit deutscher Staatsangehörigkeit zeigt aber, dass Abschiebungen nur ein begrenztes Mittel sind, um gegen Mitglieder der Clans vorzugehen.

Wen eigentlich haben die Ermittler im Blickfeld? In Berlin begrenzen sie den Begriff der Clankriminalität „auf die Kriminalität von Angehörigen ethnisch abgeschotteter arabischstämmiger Strukturen, deren ethnische Wurzeln insbesondere auf so genannte Mhallami-Kurden, Libanesen und staatenlose Palästinenser zurückgeführt werden können und die seinerzeit als Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon zugewandert sind“. Andere Gruppen, die etwa aus Tschetschenen oder Roma bestehen, bleiben unberücksichtigt, auch wenn sie ähnliche Strukturen aufweisen. Auch hat der rot-rot-grüne Senat darauf verzichtet, Straftaten bestimmten Familiennamen zuzuordnen – anders als es im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen gehandhabt wird. „Wir nehmen niemanden in Sippenhaft, nur weil er oder sie Mitglied einer bestimmten Familie ist. Wir gehen gegen Kriminelle vor, nicht gegen Familien“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag dazu.

Mehr als 1000 Strafanzeigen

Die Berliner Polizei versucht zudem, durch Kontrolleinsätze an Orten, an denen Clankriminelle sich treffen oder Geld machen, die Szene zu verunsichern und kriminelle Geschäfte zu unterbinden. So hatte die Polizei im vergangenen Jahr 240 Einsätze, davon mehr als 70 zusammen mit anderen Behörden, vom Zoll über die Lebensmittelaufsicht bis zum Ordnungs- und Jugendamt. Sie kontrollierte 159 Bars oder Cafés, 127 Barber-Shops, 102 Shisha-Bars, 27 Wettbüros und neun Bordelle. Von 525 kontrollierten Objekten wurde 85 geschlossen, es wurden mehr als 1000 Strafanzeigen und gut 5600 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Beschlagnahmt wurden unter anderem 374 Kilogramm Wasserpfeifentabak und 78 Autos.

Innensenator Geisel ist überzeugt, dass das Konzept, das im Bezirk Neukölln, einer Hochburg der Clans, entwickelt wurde und nun auch in anderen Bezirken angewendet wird, erste Erfolge zeigt. „Bei den kriminellen Clanmitgliedern stellt die Polizei eine zunehmende Verunsicherung fest. Die Kriminellen merken jetzt offenbar, dass wir es ernst meinen.“ In einem besonders dreisten Fall im Bereich der Clankriminalität erhob die Staatsanwaltschaft Berlin am Montag Anklage gegen den 20 Jahre alten Munyr F. Er soll im Mai 2019, im Alter von 18 Jahren, gemeinsam mit mindestens einem Mittäter in eine Berliner Grundschule eingebrochen sein, dort eine Glasvitrine aufgesägt und das darin ausgestellte Kunstobjekt „Goldnest“ gestohlen haben. Es ist 28.000 Euro wert. Gegen Mitbeschuldigte konnte der Tatverdacht nicht erhärtet werden. Das „Goldnest“ ist seit dem Diebstahl verschwunden.

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