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#Tödliche Ablehnung

Tödliche Ablehnung

Der Fall ist so schockierend, dass der Betreiber der Seniorenresidenz in Rudolstadt von Anfragen und Kommentaren überrannt wird und deshalb einen Appell veröffentlicht hat: „Bitte bedenken Sie, dass es in unserer Situation nicht um Schlagzeilen und Ansichten von Impf­gegnern oder Impfbefürwortern geht, sondern um menschliche Schicksale“, heißt es darin. Es gehe um Respekt vor der Trauer der Angehörigen und auch gegenüber den Mitarbeitern. „Wenn sie trotz aller sorg­fältig umgesetzten Vorsichts- und Schutzmaßnahmen nichts mehr gegen das Virus und für die Betroffenen tun konnten, dann bewahrt auch keine langjährige Tätigkeit in der Pflege vor Trauer und seelischer Erschöpfung.“

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Bis zum Dienstag waren in dem Altersheim 28 der 147 Bewohner an Corona ­verstorben. Dem Betreiber zufolge hatten 22 der Toten keinen oder lediglich einen unvollständigen Impfschutz. Insgesamt sei rund ein Drittel der Bewohner nicht gegen Corona geimpft gewesen. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte der F.A.Z, dass es auch in der betroffenen Einrichtung ausreichend Impfangebote gegeben habe. Am 20. Oktober sei ein mobiles Impfteam der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, das die Impfungen im Freistaat organisiert, in dem Pflegeheim gewesen, um Boosterimpfungen anzubieten. 92 der Bewohner seien vollständig geimpft ge­wesen, 53 hätten eine Boosterimpfung bekommen. 50 Bewohner hätten sich bewusst nicht impfen lassen wollen.

Behörden wissen zu wenig über Situation in Pflegeheimen

„Nach allem, was wir bisher wissen, haben die tragischen Meldungen aus Rudolstadt ihren Ursprung in der bewussten Ablehnung der Corona-Schutzimpfung durch sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner oder ihre Angehörigen“, sagte der Sprecher. „Das macht tief betroffen.“ Auch die Betreibergesellschaft des Heims bestätigte, dass die Impfungen abgelehnt worden seien. Eine Sprecherin verwies darauf, dass es keine gesetzliche Impfpflicht gebe. Deshalb müsse man die freie Entscheidung der Senioren und ihrer Angehörigen oder Betreuer akzeptieren. „Sosehr wir die Impfung befürworten und uns wünschen würden, dass alle Bewohner sich für diese Schutzmaßnahme entscheiden: Dies liegt nur bedingt in unserer Hand.“ Unter Bewohnern wie Angehörigen seien wie überall in der Gesellschaft auch den Impfstoffen gegenüber skeptische Menschen zu finden.

Der Fall schlägt inzwischen auch bundesweit große Wellen. So hatte der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entsetzt reagiert und von „völliger Unvernunft“ gesprochen. Just am Mittwoch wurde dann ein weiterer schwerer Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim in Blankenhain im Kreis Weimarer Land bekannt. Dort sind dem Landratsamt zufolge bislang fünf Bewohner an den Folgen der Infektion verstorben. Seit Mitte November hätten sich in der Einrichtung 34 von insgesamt 63 Bewohnern mit dem Virus infiziert. Nach Angaben einer Sprecherin waren alle Verstorbenen älter als 80 Jahre alt. Wie viele der Bewohner geimpft waren, blieb am Mittwoch unklar. Allerdings seien auch 18 der 72 Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden.

Neben der Gefahr, die von ungeimpften Bewohnern und Mitarbeitern ausgeht, werfen die Fälle auch Fragen auf, ob die Behörden einen Überblick haben, wie gut Senioren in Deutschlands Alters- und Pflegeheimen vor Corona geschützt sind. Nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ haben zwei Drittel der Landratsämter keinen vollständigen Überblick über die Lage in den Einrichtungen. Zudem wüssten sie nicht, wie viele Mitarbeiter dort geimpft seien. Auch das Robert-Koch-Institut erfasse diese Zahlen nicht, obwohl Senioren am meisten durch Corona gefährdet sind. 85 Prozent aller Corona-Toten in Deutschland sind Per­sonen, die älter als 70 Jahre waren.

Besucher zurück im Pflegeheim

Aus dem Thüringer Gesundheitsministerium hieß es am Mittwoch, man habe keine Informationen darüber, dass in Alters- und Pflegeheimen Impfungen in großen Größenordnungen abgelehnt würden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wiederum forderte eine Debatte über den Umgang mit Impfentscheidungen betreuter Menschen. Eigentlich müssten die behandelnden Ärzte ein Betreuungsgericht anrufen, wenn sich die Meinung von Arzt und Betreuer unterschieden, um den Willen der Bewohner zu klären, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. „Alles andere ist fahrlässig.“ In anderen Fällen, in denen die Meinung von Arzt und Vormund differierten, entschieden Gerichte solche Fragen binnen 24 Stunden, wie Brysch sagte. Man müsse schnell handeln, man könne nicht warten, bis es eine Impfpflicht gebe. „Wir sind mitten in einer Pandemie und haben 900.000 Pflegeheimbewohner, bei denen geklärt werden muss, wer die Verantwortung trägt.“

In der Rudolstädter Seniorenresidenz durften am Mittwoch wieder Besucher empfangen werden. „Dies ist nach den zurückliegenden dramatischen Wochen ein ersehntes Zeichen auf Überwindung des Infektionsgeschehens“, teilte der Betreiber mit. Eine Sprecherin sagte, dass nun vermehrt Mitarbeiter und Senioren nach Impfungen fragten. Die eigene Haltung haben die Betreiber auf ihrer Website festgehalten: „Wir haben die Erfahrung machen müssen, dass das Virus vor allem bei ungeimpften Bewohnerinnen und Bewohnern schwere und tödliche Krankheitsverläufe verursachte, und erneuern daher unseren Appell, sich für eine Impfung zu entscheiden.“

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