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#Unternehmen sehen wenig Einsparpotential für Erdgas

„Unternehmen sehen wenig Einsparpotential für Erdgas“

Auf den ersten Blick sieht es nach einem verlockenden Mo­dell aus: Unternehmen, die ihren Verbrauch an teurem Erdgas verringern, sollen zusätzlich Staatsgeld bekommen, damit sich die Speicher für den kommenden Winter schneller füllen. Das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Wochenende vorgeschlagene Auktionsverfahren stößt in den Spitzenverbänden der Industrie auf ein grundsätzlich positives Echo – schließlich wären solche Ausschreibungen weniger einschneidend als eine Zwangsrationierung des Gasverbrauchs, wie sie die Bundesnetzagentur für den schlimmsten Fall vorbereitet. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) lobte den bisher nur in seinen Umrissen bekannten Habeck-Plan denn auch als „marktwirtschaftliches Instrument“.

Bernd Freytag

Wirtschaftskorrespondent Rhein-Neckar-Saar mit Sitz in Mainz.

Mehr als ein Drittel des deutschen Erdgasverbrauchs entfällt auf die großen In­dustrieunternehmen, 13 Prozent gehen in Handel, Gewerbe und Dienstleistungen. Das wirkt wie ein großer Hebel, tatsächlich ist es indes zumindest kurzfristig schwierig, den Gasverbrauch der Unternehmen zu verringern. Wie groß das Einsparpotential ist, versucht die Bundesnetzagentur durch eine Abfrage unter den 2500 größten Gasverbrauchern zu klären.

Sollte die Bundesregierung den Notfall auf dem Gasmarkt ausrufen, müssten sich diese Unternehmen auf Kürzungen einstellen. Der Branchenverband BDEW veranschlagt die kurzfristigen, binnen eines Jahres möglichen Einsparungen der In­dustrie auf rund 8 Prozent. Trotz steigender Kosten geht es in vielen Unternehmen und Produktionsverfahren einfach nicht ohne Erdgas. Leichter ist die Umstellung der Stromver­sorgung auf mehr Kohle.

Rund 12 Prozent des Erdgasverbrauchs gingen zuletzt in die Kraftwerke. Das ist weniger als der Verbrauch der Chemieindustrie, die auf einen Anteil von rund 15 Prozent kommt. Die Einsparmöglichkeiten sind laut VCI extrem begrenzt. Von den 135 Terawattstunden Gas könnten nur ein bis zwei durch alternative Brennstoffe ersetzt werden.

Branchenführer BASF, der größte in­dustrielle Gasverbraucher in Deutschland, wollte die Habeck-Pläne auf Anfrage am Montag „noch nicht“ kommentieren. Zurzeit würden alle Standorte in Europa bedarfsgerecht mit Gas beliefert. Für den Fall, dass die Lieferungen weiter zurückgehen oder gar gestoppt werden und die Bundesregierung die dritte Stufe des Notfallplanes Gas ausruft, greift nach Darstellung der BASF am Stammsitz Ludwigshafen ein „Sonderalarmplan Erdgas“.

Darin sei „detailliert vorgedacht“, wie der Konzern auf Kürzungen oder Druckschwankungen reagiert. Solange die Versorgung nicht unter etwa 50 Prozent des Maximalbedarfes sinke, könne der Produktionsverbund mit reduzierter Last wei­terbetrieben werden. Fällt die Gasversorgung unter 50 Prozent, müsste der Standort heruntergefahren werden.

„Für die meisten Betriebe gibt es keine Alternative“

Ein anderer Großverbraucher ist die Stahlindustrie, die im Jahr so viel Erdgas benötigt wie alle privaten Gasheizungen in Berlin und München. Mit 2,1 Milliarden Kubikmetern entfallen rund 6 Prozent des industriellen Bedarfs auf den Stahl. Rund die Hälfte davon wird in den Walzanlagen benötigt, die den Stahl zu Blechen weiterverarbeiten. Ungefähr ein Drittel geht in die Rohstahlerzeugung.

Der Präsident der Wirtschaftsverei­nigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, unterstützte Habecks Plan für ein Ausschreibungsverfahren. „In den Prozessen der Stahlerzeugung ist Erdgas allerdings kurzfristig kaum ersetzbar“. Wichtig sei es, aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung die stahlbasierten Lieferketten in Gang zu halten und Anlageschäden zu vermeiden.

Für weitergehende Anpassungen müsste nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung auf den Betrieb mit Wasserstoff oder auf elektrische Anlagen umgestellt werden. Die dafür erforder­lichen Brennertechnologien seien teils noch gar nicht verfügbar, zudem wären erhebliche Umbauten, neue Genehmigungen und Netzanschlüsse notwendig. In der Papierindustrie liegt der Erdgasanteil am Gesamtbrennstoff bei rund 55 Prozent. „Für die meisten Betriebe gibt es keine Alternative“, sagt der Verbandspräsident Winfried Schaur. Auf Jahressicht ließen sich einer früheren Umfrage zufolge höchstens 10 bis 15 Prozent des Verbrauchs durch Heizöl, Kohle oder eine strombasierte Dampferzeugung ersetzen.

Beim Glashersteller Schott treffen die Auktionspläne grundsätzlich auf Zustimmung. Das Unternehmen verweist aber auf die eigene besonders kritische Lage. „Wir unterstützen die Idee, können aber leider nicht auf Gas verzichten“, sagte ein Sprecher. Um die Produktion zu gewährleisten, sind Glashersteller auf permanente Erhitzung der Schmelzwannen angewiesen. Der Düsseldorfer Verpackungshersteller Gerresheimer sieht sich nicht in einem großen Risiko, von der Gasversorgung abgeschnitten zu werden. „Wir sind systemrelevant, das haben uns schon mehrere Regierungen bestätigt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Siemssen der F.A.Z. Das Unternehmen stellt neben Verpackungen aus Kunststoff und Glas für die Kosmetikindustrie viele Produkte für Pharmaunternehmen her.

Volkswagen hat an seinem Stammsitz Wolfsburg schon umgesteuert. Dort be­treibt VW mehrere Kraftwerksblöcke, in denen bislang Steinkohle verfeuert wird. Von November an sollten sie mit Gas laufen und rund 1,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Wegen der Risiken durch den Ukrainekrieg zögert der Konzern die Umstellung hinaus. Ziel sei es, „auch weiterhin Steinkohle als Energieträger einzusetzen und in einer Übergangszeit mit den bestehenden Anlagen den benötigten Strom- und Wärmebedarf für das Werk in Wolfsburg sowie die Wärmeversorgung vieler privater Haushalte in der Stadt zu gewährleisten“, teilt ein Sprecher mit.

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