Wissenschaft

#Urzeitliches Filtrier-Reptil

Was die heutigen Bartenwale können, konnte ein kleines Meeresreptil offenbar schon vor erstaunlichen 250 Millionen Jahren, berichten Paläontologen: Hupehsuchus nanchangensise siebte damals Kleintiere aus dem Wasser, geht aus der Untersuchung neu entdeckter Fossilien hervor. Die morphologischen Merkmale ähneln dabei in auffälliger Weise denen der heutigen Bartenwale. Es handelt sich somit um ein eindrucksvolles Beispiel paralleler Evolution, sagen die Forscher: Die beiden Tiergruppen haben das Konzept mit großem zeitlichen Abstand unabhängig voneinander hervorgebracht.

Faszination Evolution: In Fossilien spiegelt sich wider, wie die Lebewesen im Lauf der Jahrmillionen das Wasser, das Land und die Luft eroberten und dabei auch raffinierte Ernährungskonzepte hervorbrachten. Interessanterweise gab es dabei auch immer wieder „Rückkehrer“: Landtiere, die schon einmal zuvor aus Wassertieren hervorgegangen waren, entwickelten sich später erneut zu aquatischen Lebewesen. Das berühmteste Beispiel sind dabei die heutigen Meeressäuger, die von Landtieren abstammen. Doch schon viel früher in der Evolutionsgeschichte gab es solche Comebacks: Einige Herrscher der erdmittelalterlichen Meereswelt, wie die Ichthyosaurier, Plesiosaurier oder Mosasaurier waren ebenfalls aus landlebenden Reptilien hervorgegangen.

Dabei handelte es sich meist um Räuber größerer Beutetiere. Doch haben manche Meeresreptilien auch schon Kleintiere aus dem Wasser gesiebt – ähnlich wie die heutigen Bartenwale? Die Meeressäuger besitzen dazu spezielle Anpassungen: Sie nutzen siebartige Strukturen in ihrem Maul, durch die sie Wasser samt Futter drücken, das sie zuvor in einen Kehlsack eingesaugt haben. Bisher gibt es nur einige wenige Hinweise darauf, dass bestimmte Meeresreptilien aus dem Erdmittelalter schon ähnliche Verfahren genutzt haben könnten. Doch nun zeichnet sich das „Patent“ sehr deutlich und noch dazu bei einem sehr frühen Meeresreptil ab, berichten die Wissenschaftler um Zi-Chen Fang von der geowissenschaftlichen Universität Chinas in Wuhan.

Erstaunlich alt und speziell angepasst

Die fossilen Strukturen des Schädels von Hupehsuchus (links) weisen deutliche Ähnlichkeiten zu denen von heutigen Zwergwalen auf. © Zi-Chen Fang et al.

Bei Hupehsuchus nanchangensise handelte es sich um ein etwa einen Meter langes Reptil, dessen Überreste bereits von früheren Fossilienfunden in China bekannt waren. Das Tier lebte dort vor 249 bis 247 Millionen Jahren und seine Skelettmerkmale zeichneten es bereits eindeutig als einen Meeresbewohner aus, der von einstigen Landelebewesen abstammte. „Hupehsuchus war mit den Ichthyosauriern verwandt und ist seit 50 Jahren bekannt, aber seine Lebensweise wurde bisher nicht vollständig verstanden“, sagt Fang. Das lag daran, dass keine gut erhaltenen Schädelfossilien vorlagen. Doch das hat sich geändert: Die neuen Ergebnisse beruhen auf der Untersuchung von zwei neuentdeckten Hupehsuchus-Fossilien, bei denen die Köpfe detailliert erhalten sind. So konnten sie Forscher die Strukturen nun genau unter die Lupe nehmen und sie mit morphologischen Merkmalen verschiedener heutiger Wassertiere vergleichen.

„Die beiden neuen Hupehsuchian-Schädel zeigten, dass die lange Schnauze des Tieres aus nicht verschmolzenen, riemenartigen Knochen bestand, mit einem weiten Raum zwischen ihnen, der sich über die gesamte Länge des Mauls erstreckte“, sagt Seniorautor Long Cheng vom Zentrum des chinesischen Geologischen Dienstes in Wuhan. „Diese Konstruktion kommt sonst nur bei modernen Bartenwalen vor, bei denen die lockere Struktur des Mauls und vor allem des Unterkiefers es ihnen ermöglicht, einen riesigen Halsbereich zu stützen, der sich beim Vorwärtsschwimmen enorm aufblähen und kleine Beutetiere verschlingen kann“, erklärt der Paläontologe.

Hinweise auf bartenartige Weichstrukturen

Obwohl die Forscher keine Spuren von bartenartigen Strukturen finden konnten, gab es aber indirekte Hinweise darauf, dass möglicherweise einst ähnliche Weichteilelemente bei Hupehsuchus existiert haben. „Der Hinweis liegt dabei im Fehlen von Zähnen“, sagt Co-Autor Li Tian von der Geowissenschaftlichen Universität. „Moderne Bartenwale haben im Gegensatz zu Zahnwalen wie Delfinen und Orcas keine Zähne. Stattdessen haben die Filtrierer Rillen entlang der Kiefer, um Bartenvorhänge zu stützen – lange dünne Streifen aus Keratin. Hupehsuchus hatte genau die gleichen Rillen und Kerben an den Rändern seiner Kiefer und wir vermuten deshalb, dass dort ebenfalls bartenähnliche Strukturen saßen“, sagt Tian.

„Wir waren erstaunt, diese Anpassungen bei einem so frühen Meeresreptil zu entdecken“, sagt Fang. Es handelt sich dem Team zufolge damit um einen besonders interessanten Fall von paralleler Evolution. Davon spricht man, wenn im Lauf der Entwicklungsgeschichte bei nicht miteinander verwandten Lebewesen ähnliche Anpassungen an eine bestimmte Lebensweise entstanden sind. Was weitere Merkmale von Hupehsuchus betrifft, geht aus den Merkmalen seines Körpers hervor, dass er wahrscheinlich ein eher langsamer Schwimmer war, sagen die Forscher. Dies deutet ihnen zufolge darauf hin, dass sich die Meeresreptilien ähnlich wie Grönlandwale verhielten: Sie schwammen wohl mit offenem Maul in der Nähe der Meeresoberfläche, um ihre Nahrung aus dem Wasser aufzusammeln.

Dass Hupehsuchus diese Ernährungsweise schon so früh entwickelt hat, könnte mit der starken Konkurrenz um Nahrung in seiner Ära zu tun gehabt haben, sagen die Forscher. „Hupehsuchus lebte in der frühen Trias und war Teil einer riesigen und schnellen Wiederbesiedlung der Ozeane“, erklärt Co-Autor Michael Benton von der University of Bristol. „Dies war eine Zeit des Aufruhrs, nur drei Millionen Jahre nach dem großen Massensterben am Ende des Perms, das den größten Teil des Lebens ausgelöscht hatte. Es ist faszinierend zu entdecken, wie schnell diese Meeresreptilien auf den Plan traten und die damaligen Meeresökosysteme prägten“, so der Paläontologe.

Quelle: University of Bristol, Fachartikel: Ecology and Evolution, doi: 10.1186/s12862-023-02143-9

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