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Vienna Calling

Nicht jeder gestandene Ökonom gesteht, selbst noch dazuzulernen. Gabriel Felbermayr machte aus seinem eigenen Lernfortschritt keinen Hehl. Als Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) schon im Olymp der deutschen Volkswirtschaftslehre, gab er zu Protokoll, kürzlich noch einmal bei Adam Smith nachgeschlagen zu haben – und sein Urteil von der Globalisierung leicht revidieren zu müssen. „In einer Welt geostrategischer Rivalität kann es mitunter notwendig sein, etwas vom eigenen Wohlstand aufzugeben, um Sicherheit und Unabhängigkeit zu gewinnen“, sagte er. Und ergänzte: „Mit dieser Sichtweise musste ich mich auch erst anfreunden.“

Andreas Mihm

Andreas Mihm

Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

Niklas Záboji

Das war Ende 2019. Im Weißen Haus residierte zu der Zeit noch Donald Trump, der Konflikt zwischen Amerika und China erklomm Nacht für Nacht neue Eskalationsstufen. Felbermayr stand zu der Zeit erst ein halbes Jahr an der Spitze des IfW. Trumps Zolldrohungen aber hatten ihm nicht erst da den Schlaf zu rauben begonnen: 2010 als Leiter des Ifo-Zentrums für internationale Wirtschaft nach München berufen, war der Handelsexperte mit dem markigen Akzent auch schon vor 2019 ein gefragter Mann. 1976 in Steyr in Oberösterreich geboren, ausgebildet in Linz und Florenz und habilitiert in Tübingen, fand Felbermayr nicht nur in den Medien Gehör. Auch an der Kieler Förde sah man in dem Österreicher den richtigen Mann zur richtigen Zeit.

Klare Führung, wirtschaftsliberaler Kompass

In der öffentlichen Wahrnehmung hatte das von großen Namen wie Herbert Giersch und Horst Siebert geprägte Institut für Weltwirtschaft an Bedeutung verloren; einige seiner rund 90 Wissenschaftler sahen in dem Kurs von Dennis Snower, Felbermayrs Vorgänger an der Institutsspitze, mehr Selbstverzwergung denn Öffnung. Mit Felbermayrs Berufung im März 2019 sei dann wieder Struktur in den Laden gekommen, heißt es allenthalben: klare Führung, mediale Präsenz, wirtschaftsliberaler Kompass.

In der deutschen Ökonomenszene hat sich Felbermayr als Kämpfer für Markt und Freihandel einen Namen gemacht. Zuletzt belegte er Rang sechs im F.A.Z.-Ökonomenranking, das den Einfluss in Politik, Medien und Wissenschaft misst. Die Debatte scheut er nicht: Der Staat solle lieber konsequent Kohlendioxid bepreisen statt Investitionen lenken, sagte Felbermayr in Richtung Brüsseler Klimapolitik.

Scharfe Kritik übte er auch an den Corona-Hilfen in Deutschland, die vor der Pandemie gesunde Unternehmen unzureichend unterstütze. Hierzulande müsse dringend darüber nachgedacht werden, woher Produktivität und Wachstum in den nächsten Jahren kommen können, forderte Felbermayr jüngst mit Nachdruck – andernfalls würden die 2020er Jahre ungemütlich.

Bestürzung beim IfW

Umso bestürzter reagierte man am IfW am Dienstag auf die Ankündigung, dass Felbermayr nach nur zweieinhalb Jahren Kiel schon wieder verlässt, auch wenn sein Name in österreichischen Medien zuletzt auffällig oft fiel. Mit dem traditionsreichen Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung übernimmt er zum 1. Oktober eines der beiden Flaggschiffe der Konjunkturforschung und finanz- und wirtschaftspolitischen Beratung in Wien; das andere ist das Institut für Höhere Studien, bei dem in diesen Wochen ebenfalls eine Neubesetzung der Führung ansteht.

Auswahlkommission und Vorstand hätten sich einstimmig für Felbermayr entschieden, der sich in einem zweistufigen Verfahren gegen nationale und internationale Konkurrenten durchgesetzt habe, teilt das Wifo mit. Instituts-Präsident Harald Mahrer, der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, nannte Felbermayr „eine herausragende Persönlichkeit im Bereich der Wirtschaftsforschung und damit ein großer Gewinn für das Wifo“. Felbermayr wurde mit der Bemerkung zitiert, das Institut und Wien seien „ein toller Standort für angewandte wirtschaftswissenschaftliche Forschung“. Seine Arbeitsschwerpunkte will er nach Dienstantritt im Oktober präsentieren.

Im Wifo, das im historischen Arsenal-Gelände im Süden Wiens liegt, verfügt Felbermayr dann über eine Truppe von etwa 60 Ökonomen und gleich viel anderem Personal. Das Institut wird von den Sozialpartnern, Wirtschafts- und Arbeiterkammer getragen und finanziert. Auftrags- und Projektforschung für die öffentliche Hand, etwa regelmäßige Konjunktureinschätzungen, sowie für andere Träger kommen hinzu.

Das Institut hat den Ruf, dem Kurs einer eher keynesianischen Wirtschaftspolitik zu folgen, auch wenn der Ende August ausscheidende, 2016 in Amt gekommene Vorsitzende Christoph Badelt das zurückweist. In der aktuellen Krise hat der Wirtschaftswissenschaftler, der im Februar sein 70stes Lebensjahr vollendete, den Kurs der Kreditaufnahme und großzügigen Stützung der österreichischen Wirtschaft mit Staatshilfen und Kurzarbeitergeld vorbehaltlos unterstützt.

Er hat aber auch kritisch auf dringenden Reformbedarf in der Klima- und Energiepolitik, der Digitalisierung und beim Rentensystem hingewiesen. Steuererleichterungen für Unternehmen standen auf seiner Prioritätenliste nicht oben. Felbermayr steht nun künftig in der Tradition großer Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek, die 1927 das Wifo nach Berliner Vorbild gegründet hatten.

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