Nachrichten

#Viktor Orbán und die Homosexualität: Damit Kritik kommt

Viktor Orbán und die Homosexualität: Damit Kritik kommt

Die ungarische Regierung hat mit Genugtuung auf die Entscheidung der Europäischen Fußball-Föderation (UEFA) reagiert, nach der das Münchner Stadion nicht in Regenbogenfarben illuminiert werden darf, wenn dort Deutschland gegen Ungarn spielt. „Gottseidank gibt es immer noch gesunden Menschenverstand in der UEFA-Führung“, sagte Außenminister Péter Szíjjártó. Ungarn war mit dem Vorstoß im Münchner Stadtrat direkt angesprochen worden, ein „sichtbares Zeichen der Solidarität mit der LGBTI Community in Ungarn“ zu setzen, die „unter der aktuell verschärften homo- und transphoben Gesetzgebung der ungarischen Regierung zu leiden“ habe.

Allerdings wäre die Annahme, der national-konservativen Regierung unter Viktor Orbán sei diese Debatte unangenehm, ein Kurzschluss. Denn die besagte Gesetzgebung war von Anfang an darauf angelegt, auch international Anstoß zu erregen. Das zeigt sich daran, wie scharf die Riege Orbáns sofort auf die Kritik aus dem Ausland reagiert hat. So sprach zuletzt Justizministerin Judit Varga von einer „lancierten internationalen Hasskampagne gegen Ungarn“. Da gab es keinen Moment des überraschten Zögerns wie beispielsweise im vergangenen Jahr, als man in Budapest ganz offensichtlich von der Heftigkeit der Kritik überrascht war, die sich an der damaligen Pandemie-Sondergesetzgebung entzündet hatte.

Gegen eine „Internationale der Liberalen“

Es ist ein Mechanismus, den die Regierung Orbán seit zehn Jahren immer wieder betätigt hat, anfangs vielleicht eher unbeabsichtigt, aber bald, durch Umfrage- und Wahlerfolge ermutigt, zweifellos bewusst: Durch Maßnahmen oder pointierte Formulierungen („illiberale Demokratie“), die im innerungarischen Kontext womöglich gar nicht so sehr aufgefallen wären, wird eine heftige Reaktion im Ausland hervorgerufen. Anschließend kann man sich als Kämpfer für die nationale ungarische Souveränität gegen eine Internationale der Liberalen inszenieren.

„Ich mit euch gegen die Mächtigen dort oben“, das ist eine wichtige Komponente, die die Politikwissenschaft dem Konzept des Populismus zuordnet. Für eine politische Bewegung wie Orbáns Fidesz-Partei, die seit mehr als zehn Jahren mit fast unumschränkter Macht an der Regierung ist, ist das eine schwer durchzuhaltende Attitüde. Denn wer ist da noch „oben“? Ohne Druck von außen ginge es gar nicht. Die Europäische Union und ihre Institutionen kommen für diese Rolle meistens wie gerufen. Zur Not wird (zusätzlich) ein Gegenspieler zu einem vermeintlich alles beeinflussenden, übermächtigen Feindbild aufgeblasen: Das war seit 2015 George Soros. Aber das Feindbild nutzt sich ab. Im Fall der Kritiker an der jüngsten Gesetzgebung braucht es das gar nicht, entsprechend spielt der Topos „Soros“ in den Gegenreaktionen aus Budapest keine sonderliche Rolle.

F.A.Z. Machtfrage – Der Newsletter zur Bundestagswahl

jeden Dienstag

ANMELDEN

Nimmt man die Regelungen im Einzelnen, so sind sie nicht durchwegs unvertretbar. Dass der Gesetzgeber zum Beispiel den Aufklärungsunterricht durch externe Anbieter an den Schulen reglementiert und an Lizenzen bindet, dürfte kaum zu beanstanden sein. Wer sieht, wie in manchen westlicheren Ländern externe Anbieter in expliziter Weise Kinder in oder sogar noch vor der Pubertät dazu ermuntern, Sex möglichst früh und in möglichst vielen Varianten auszuprobieren, mag sich auch hier eine strengere Reglementierung wünschen.

Wenn Kindern laufend eingeredet wird, sie müssten sich prüfen, ob sie nicht homosexuell seien oder sich in ihrem angeborenen Geschlecht unwohl fühlen, kann das zu einiger Verunsicherung führen, zumal in dieser Lebensphase. Das Thema allerdings gänzlich auszuschließen und zu verbieten, wie dies die ungarischen Regelungen nun vorsehen, ist Brechstangenpädagogik und das Gegenteil von Aufklärung.

Wichtig ist die politische Signalwirkung

Ähnlich verhält es sich mit dem Verbot, Jugendlichen homosexuelle Inhalte in Film, Werbung oder Literatur zugänglich zu machen. Zweifellos befremdet es so manche Menschen auch außerhalb Ungarns, wie immer öfter der Eindruck erweckt wird, als sei die sexuelle Ausrichtung nicht eine intime Privatangelegenheit, sondern müsse eine Sache öffentlich zur Schau gestellten Stolzes sein. Aber die homosexuelle Ausrichtung sozusagen im Gegenzug in die Schmuddelecke und ins Spätnachtprogramm verdrängen zu wollen, bedeutet, das Kind mit dem Bade auszugießen. Wegen des Diskriminierungsverbots dürfte das vor europäischen Gerichten kaum Bestand haben.

Abgesehen davon ist die Anforderung praktisch nicht anwendbar: Der Kanon von Film und Literatur (gerade auch der klassischen) steckt voll von Darstellungen und Anspielungen auf Homosexualität – wie soll das ausgeklammert werden? Aber weil es Orbán auf die politische Signalwirkung ankommt, dürfte ihm all das gleich sein.

Die eigentliche Schikane der ungarischen Gesetzgebung zu Homosexualität und Geschlechtsumwandlung besteht in dem Kontext, in den sie rechtlich gestellt wurde. Es ist eine Einfügung zu einer seit geraumer Zeit angekündigten Gesetzesverschärfung gegen Pädophilie. Diese war politisch unumstritten. Keine Partei hatte sich gegen das Anti-Pädophilie-Gesetz positioniert – bis vor zwei Wochen. Da hatten Abgeordnete von Orbáns Fidesz-KDNP-Koalition über Nacht (wie so oft) den Zusatz eingebracht. Das Manöver hatte einen offenkundigen Zweck: Die derzeit sich formende Oppositionsallianz, die von rechts (Jobbik) bis links (Sozialisten) reicht, auseinanderzudividieren.

Für diesmal ist die Rechnung aufgegangen. Die Jobbik-Abgeordneten stimmten im Parlament dafür, die anderen Fraktionen blieben fern. Das strategische Ziel scheint aber verfehlt worden zu sein: Von Auflösungserscheinungen der Anti-Orbán-Volksfront ist nichts zu sehen. Orbáns Manöver scheinen die ungleichen Pole eher weiter zusammenzutreiben.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!