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#Virologe kritisiert Corona-Mutations-Screening als unzureichend

Virologe kritisiert Corona-Mutations-Screening als unzureichend

Bei der Bekämpfung der Pandemie rückt die Eindämmung der Mutanten immer stärker in den politischen und den medizinischen Mittelpunkt. In Berlin infizierten sich in einer Klinik mehr als ein Dutzend Patienten mit der britischen Virusvariante B.1.7.1. An der Universitätsklinik Köln wurden kürzlich zwei Fälle der britischen Variante nachgewiesen. Im baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd prüft das Gesundheitsamt gerade, ob ein Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim mit 13 Toten möglicherweise auf eine Virusmutante zurückgeführt werden kann.

Rüdiger Soldt

Die Virologen sprechen von einer „Pandemie in der Pandemie“ und betonen, dass der Lockdown und eine Senkung der Inzidenzen weiterhin zwingend ist, weil sonst das Infektionsgeschehen mit den neuen Mutanten nicht hinreichend kontrolliert werden kann. Liegt der Anteil der stärker infektiösen Varianten über zehn Prozent aller Neuinfektionen, würde die Pandemie außer Kontrolle geraten. Auch Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hatte am Wochenende der Zeitschrift „Spiegel“ gesagt, dass die Bekämpfung der Mutanten nunmehr im Mittelpunkt der Pandemiepolitik stehen müsse. „Alles hängt davon ab, ob stärker ansteckende Mutanten in Deutschland die Oberhand gewinnen oder nicht. Unser Ziel ist, die Fallzahlen sehr schnell zu senken“, hatte Braun, der selbst Arzt ist, gesagt.

Kritik an schlechter Finanzierung von Laboren

Virologen haben große Zweifel, ob die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erlassene Verordnung zur Genom-Sequenzierung bei Corona-Proben (CoronaSurV) überhaupt ausreichend ist, um Mutanten unter Kontrolle zu bringen. Jahrelange politische Versäumnisse treten zutage. Nach Auffassung von Hartmut Hengel, dem Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg, wird es „noch Monate“ dauern, bis sich Gesundheitsämter und Forscher über das durch Mutanten beschleunigte und veränderte Infektionsgeschehen einen Überblick verschaffen können: „Wir haben in Deutschland bisher nur unsystematisch gewonnene Einzelnachweise, somit ist es noch schwer zu durchschauen, ob und wie schnell die Mutanten das Infektionsgeschehen beeinflussen“, sagte Hengel der F.A.Z. Zur Eindämmung der Pandemie wäre es von entscheidender Bedeutung gewesen, wenn man schon jetzt „zuverlässige molekularvirologische Daten“ hätte, die molekulargenetische Überwachung in Deutschland sei immer noch „völlig unzureichend“.

Hengel bezweifelt, dass es ausreichend ist, nur bei fünf bis zehn Prozent der positiven PCR-Tests eine Sequenzierung vorzunehmen, wenn es tatsächlich gelingen soll, über das weitere Infektionsgeschehen einen repräsentativen Überblick zu bekommen. „Entscheidend ist“, sagte Hengel, „dass aus allen Regionen in Deutschland kontinuierlich Sequenzierungen erfolgen.“ Epidemiologen, Virologen und die Medizinstatistiker müssten dringend wissen, welche Mutanten im Land unterwegs seien, wie schnell sie sich verbreiteten, wo es regionale Schwerpunkte gebe und zudem wo es womöglich schon Reinfektionen durch die Mutanten gegeben haben könnte: „Davon hängen politische und epidemiologische Antworten ab.“ Deshalb sei es so bedauerlich, dass der Aufbau der „molekularen Surveillance“ in Deutschland nicht schon viel früher aufgebaut und „fast 20 Jahre“ versäumt worden sei. „Solche Strukturen lassen sich nicht in wenigen Wochen schaffen, wenn die Datenbasis wissenschaftlich solide und repräsentativ für das gesamte Land sein soll.“ Das Konsiliarlabor von Christian Drosten in Berlin könne das unmöglich allein leisten, die Finanzierung sei „marginal“.

Vor und sogar während der Pandemie, so der in Freiburg lehrende Virologe, sei die Bundesregierung von der virologischen sowie der mikrobiologischen Fachgesellschaft auf diese Missstände aufmerksam gemacht worden. Auch im vergangenen Sommer, als die Infektionszahlen niedrig waren und Zeit zur Vorbereitung auf die zweite Pandemiewelle war, erinnerten die Fachleute im Berliner Bundesgesundheitsministerium per Mail und Brief an die Defizite. Rechtzeitige Antworten wollen sie nicht bekommen haben. Zu der von Spahn jetzt angeordneten Genom-Sequenzierung müsse es auch einen nationalen Forschungsverbund und einen wissenschaftlichen Beirat geben, fordert Hengel. In einer Pandemie müsse man permanent neue Antworten geben. „Es geht jetzt darum, schnell eine Immunitätsmauer durch die Impfung aufzubauen, damit sich Mutanten möglichst nicht ausbreiten können.“ Es sei wichtig, das auch den Bürgern zu erklären. Es sei irritierend, „wenn sie einerseits zum Impfen aufgefordert werden und andererseits erfahren, dass Zweifel an der perspektivischen Wirksamkeit des Impfstoffs wegen neuer Mutanten bestehen“, so der Mediziner.

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Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg will künftig nahezu alle positiven PCR-Tests zur Genom-Sequenzierung in die Labore der Universitätskliniken schicken, das sind derzeit bei 10.000 Covid-Fällen pro Woche etwa 750 Sequenzierungen pro Tag, 90 Prozent müssen vom Land finanziert werden, bis Ende Juli sind das Kosten in Höhe von 12,2 Millionen Euro, heißt es in einer Kabinettsvorlage, die der F.A.Z. vorliegt. Wenn eine Infektion aufgrund einer Mutation festgestellt werden sollte, gelten für diese Infizierten strengere Quarantänevorschriften, außerdem solle es eine besonders gründliche Kontaktverfolgung geben.

Ein besonderes Augenmerk sollen die Gesundheitsämter auf Infizierte mit geschwächtem Immunsystem und HIV-Infekt legen, um die Entstehung sogenannter „Immunfluchtvarianten“ zu erkennen. Eine Vollgenom-Sequenzierung soll auch bei allen Personen gemacht werden, die sich trotz Impfung oder einer Erstinfektion abermals mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert haben. Außerdem sollen Genom-Sequenzierungen zum Aufspüren neuer Mutanten gemacht werden.

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