#Vom Geist in der Ketchup-Flasche
Inhaltsverzeichnis
„Vom Geist in der Ketchup-Flasche“
Vielleicht muss man die Geschichte Buddhas erzählen, um eine Vorstellung von der Geschichte William Egglestons zu bekommen: Die Geschichte eines jungen Mannes, der behütet in den besten Verhältnissen aufwächst, eines Tages außerhalb der eigenen Umgebung schockiert der Trübsal des Lebens gegenübersteht und nun den Ärmsten der Armen Trost spenden will. Buddha schuf dazu seine Religion. William Eggleston fotografierte.
Er zerlegt die schäbige Welt
Er fotografierte feuerrote Ketchup-Flaschen auf den Theken der Diners, Kunstledersitze einer Limousine, auf denen das Licht tanzt, die Markise einer Imbissbude, die trotz erheblicher Beschädigungen geradezu übermütig glänzt, und einen grellorangenen Wischmopp, an einen Gartenzaun gelehnt.
Ein ums andere Mal zerlegte William Eggleston die schäbige Welt des Alltags in den ländlichen Regionen entlang des Mississippis in die schönsten Farben, bis alle Dinge strahlten, als steckten tausend Sonnen darin. Alles wirkt bei ihm wie von jenem seltsamen Zauber erfasst, den eine Generation zuvor die Imagisten mit ihrer Poesie heraufbeschworen, als es etwa William Carlos Williams mit nur sechzehn Wörtern in einem einzigen Satz gelang, die ungeheure Bedeutung der roten, vom Regen glänzenden Schubkarre neben den weißen Hühnern zu verdeutlichen.
Und dann stellt man sich vor, wie es William Eggleston, diesen Spross einer Baumwollplantagendynastie aus Tennessee, bei seinen Spaziergängen und Autoausflügen angesichts all der Motive einen Moment lang schüttelte, gleichermaßen vor Erregung wie vor Grauen, und wie er sich schließlich aufgeregt zu einer Pfütze hinunterbeugt, in die jemand acht ausgeleerte Motoröldosen geworfen hat, die aber in genau diesem Moment vom Abendlicht gestreichelt werden, als handele es sich um einen wertvollen Schatz.
Wir müssen nur genau hinschauen
Ihr müsst doch bloß, meint man Eggleston hinter derlei Bildern raunen zu hören, ganz genau hinschauen. Und schon ist die Welt schön und das Leben lebenswert. Doch schiebt die Phantasie zugleich einen Hauch von Zynismus in seinen Ton. Und die Vokabel Dekadenz. Und dann fallen einem die Geschichten ein, die vom Dandy William Eggleston jenseits der Kunst erzählt werden, Geschichten zwischen Müßiggang und Exzessen, durch die sich Alkohol und Drogen, Waffen und Frauen und noch mehr Alkohol als rote Fäden ziehen und aus denen sich umstandslos ein klassischer Südstaatenroman vom Untergang mit Stil schnüren ließe.
Es war keine einfache Entscheidung für John Szarkowski, als er, damals der Kurator für Fotografie am Museum of Modern Art in New York, 1976 mit den Aufnahmen von William Eggleston die erste Ausstellung eines Farbfotografen ins Haus holte. Die Presse höhnte. Es fielen Vokabeln wie banal und langweilig. Und das Aperçu von Walker Evans, wonach Farbe in der Fotografie vulgär sei, klebte eine ganze Zeit lang an Eggleston und solchen Kollegen wie Stephen Shore, Joel Sternfeld und Joel Meyerowitz.
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