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#Vom Geist in der Ketchup-Flasche

„Vom Geist in der Ketchup-Flasche“

Vielleicht muss man die Ge­schichte Buddhas erzählen, um eine Vorstellung von der Geschichte William Egglestons zu bekommen: Die Geschichte ei­nes jungen Mannes, der behütet in den besten Verhältnissen aufwächst, eines Ta­ges au­ßerhalb der eigenen Umgebung schockiert der Trübsal des Lebens ge­gen­übersteht und nun den Ärmsten der Ar­men Trost spenden will. Buddha schuf dazu seine Religion. William Eggleston fotografierte.

Er zerlegt die schäbige Welt

Freddy Langer

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das „Reiseblatt“.

Er fotografierte feuerrote Ketchup-Flaschen auf den Theken der Diners, Kunstledersitze einer Limousine, auf de­nen das Licht tanzt, die Markise einer Imbissbude, die trotz erheblicher Be­schädigungen geradezu übermütig glänzt, und einen grellorangenen Wischmopp, an einen Gartenzaun gelehnt.

Ein ums andere Mal zerlegte William Eg­gleston die schäbige Welt des Alltags in den ländlichen Regionen entlang des Mississippis in die schönsten Farben, bis alle Dinge strahlten, als steckten tausend Sonnen darin. Alles wirkt bei ihm wie von jenem seltsamen Zauber erfasst, den eine Generation zuvor die Imagisten mit ihrer Poesie heraufbeschworen, als es etwa William Carlos Williams mit nur sechzehn Wörtern in einem einzigen Satz gelang, die ungeheure Bedeutung der roten, vom Regen glänzenden Schubkarre neben den weißen Hühnern zu verdeutlichen.

Und dann stellt man sich vor, wie es William Eggleston, diesen Spross einer Baum­wollplantagen­dynastie aus Tennessee, bei seinen Spaziergängen und Autoausflügen angesichts all der Motive einen Moment lang schüttelte, gleichermaßen vor Er­regung wie vor Grauen, und wie er sich schließlich aufgeregt zu einer Pfütze hi­nunterbeugt, in die jemand acht aus­geleerte Motoröl­dosen geworfen hat, die aber in genau diesem Moment vom Abendlicht gestreichelt werden, als handele es sich um ei­nen wertvollen Schatz.

Den Cocktail gönn ich mir: „Untitled“, aufgenommen am Himmel zwischen 1971 und 1974


Den Cocktail gönn ich mir: „Untitled“, aufgenommen am Himmel zwischen 1971 und 1974
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Bild: William Eggleston

Wir müssen nur genau hinschauen

Ihr müsst doch bloß, meint man Eggleston hinter derlei Bildern raunen zu hören, ganz genau hinschauen. Und schon ist die Welt schön und das Leben lebenswert. Doch schiebt die Phantasie zugleich einen Hauch von Zynismus in seinen Ton. Und die Vokabel Dekadenz. Und dann fallen einem die Geschichten ein, die vom Dandy William Eggleston jenseits der Kunst erzählt werden, Ge­schichten zwischen Müßiggang und Ex­zessen, durch die sich Alkohol und Drogen, Waffen und Frauen und noch mehr Alkohol als rote Fäden ziehen und aus denen sich umstandslos ein klassischer Südstaatenroman vom Untergang mit Stil schnüren ließe.

Es war keine einfache Entscheidung für John Szarkowski, als er, damals der Kurator für Fotografie am Museum of Modern Art in New York, 1976 mit den Aufnahmen von William Eggleston die erste Ausstellung eines Farbfotografen ins Haus holte. Die Presse höhnte. Es fielen Vokabeln wie banal und langweilig. Und das Aperçu von Walker Evans, wo­nach Farbe in der Fotografie vulgär sei, klebte eine ganze Zeit lang an Eggleston und solchen Kollegen wie Stephen Shore, Joel Sternfeld und Joel Meyerowitz.

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