Nachrichten

#Wählen wie die Eltern

Inhaltsverzeichnis

Wählen wie die Eltern

Ganz egal, wie tief die SPD mal am Boden lag, bei Familie Siebel war sie immer die stärkste Kraft. Donnerstagnachmittag in Gelsenkirchen-Feldmark, Arbeiterbezirk, ehemaliges Kohlerevier, Erststimmenanteil bei der letzten Bundestagswahl: 38,3 Prozent. Mehr Sozialdemokratie geht nicht in Deutschland. Aber Zahlenklauberei ist den Siebels gerade nicht wichtig, sondern das Familienfoto. Parteibücher mit drauf oder nicht? Der Fotograf ist bereit, die Zeit knapp, außerdem will man zeigen, was man hat, also hoch mit den Büchern, eines nach dem anderen, wie einen Schatz halten sie sie in die Höhe. Daniel Siebel und seine Frau, seine Schwester, die Eltern, seine Oma, jeder hat eines dabei. In manchen steht 1974 als erste Zahl oder 1976, noch vor den alten Mitgliedsmarken und den Bildern großer Genossen. In die Partei wurde eingetreten, so früh es eben ging. Und Genosse zu sein, das ist hier keine Verpflichtung, in Gelsenkirchen-Feldmark ist es eine Frage der Familienehre. Schon in der vierten Generation.

Oliver Georgi

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wie wichtig ist das Elternhaus also dafür, was man später mal wählt, wie man politisch denkt? „Sehen Sie doch!“, sagt Daniel Siebel, 33, dünne Brille, Typ smarter Sonnyboy, und grinst breit. Sein Beruf: Rechnungsprüfer bei den Stadtwerken in Bottrop, seine Berufung: die Politik, als stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Gelsenkirchen. Einer, der noch etwas vorhat – und der es nicht anders kennt als die Dinge auszudiskutieren, bis jeder eine Meinung hat. Wie auch sonst, wenn beide Großväter aktive Gewerkschafter und SPD-Mitglieder waren, einer sogar Bezirksbürgermeister, und der Vater einem am 16. Geburtstag den Aufnahmeantrag für die SPD auf den Tisch legt mit den Worten: Jetzt ist es mal Zeit! „Meine Eltern haben mich nie zu etwas gedrängt“, sagt Daniel Siebel, das ist ihnen allen hier sehr wichtig: kein Gruppenzwang. Aber wer ständig so viel SPD um sich hat, von morgens bis abends, der muss auch nicht gedrängt werden. Der nimmt schon von alleine denselben Pfad, den offenkundig alle in der Familie für den richtigen halten.

Wenn die Eltern früher Wahlkampf machten, gingen Daniel Siebel und seine ältere Schwester Lena selbstverständlich mit, acht, neun Jahre waren sie da erst alt, schon weil Opa im Kinderzelt die Tombola machte. Wenn Siebel mit seinen Kumpels auf der Straße Fußball spielte, dann meistens mit den Bällen aus der großen Kiste in der Garage, die mit der roten Schrift darauf. Die SPD, bei den Siebels wanderte sie schon früh so unter die Haut, dass sie irgendwann ein selbstverständlicher Teil von ihnen war. „Ich war erst in der Partei und habe erst danach angefangen, mir eine politische Meinung zu bilden“, sagt Siebel heute.

Diskutieren, bis jeder eine Meinung hat

Auch bei seinem Vater Hans-Joachim, 62, und seit vielen Jahren stolzer SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Gelsenkirchen-Feldmark, war das schon so. Auch er machte mit seinem Vater Wahlkampf, 1972, mit 13, Willy wählen. Lief durch die Straßen, um Willy-Brandt-Aufkleber auf CDU-Plakate zu kleben, kämpfte als Juso gegen Atomkraft, protestierte im Bonner Hofgarten mit vielen anderen gegen Helmut Schmidt und den Nato-Doppelbeschluss. „Das habe ich an meine Kinder weitergegeben, dieses Engagement“, sagt Hans-Joachim Siebel heute, „mir war immer wichtig, dass auch sie mal bei den Jusos anfangen. Dass sie diskutieren lernen.“ Und zu diskutieren gab es bei Siebels immer schon genug. Über die Schrecken des Nationalsozialismus, die „Koalition der Willigen“ nach dem 11. September 2001, über den Irak-Krieg 2003. Und immer wieder über die Beteiligung der SPD an den großen Koalitionen, als Vater und Sohn zur Abwechslung mal grundlegend anderer Meinung waren: Daniel Siebel wollte raus, sein Vater rein. Doch bei den Sie­bels ist es mit ihrer SPD wie mit einer Familie: Es knirscht mal, es tut auch mal ziemlich weh, aber dass man zusammengehört, steht außer Frage.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!