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#Wärme aus der Tiefe

„Wärme aus der Tiefe

Mit der Geothermie ließe sich ein großer Teil der aktuellen Energieprobleme lösen. Doch bislang wird die Wärmequelle im Untergrund kaum genutzt. Was sind die Gründe?

von HARTMUT NETZ

Die Freude war groß am 27. September 2004, als am Bohrplatz von Unterhaching aus 3346 Meter Tiefe eine 122 Grad Celsius heiße Wasserfontäne in die Höhe schoss. Sechs Monate lang hatte man in der Gemeinde mit rund 25.000 Einwohner südlich von München gebohrt, bis man fündig wurde. In der Feierstunde tags darauf ließ es sich Bürgermeister Erwin Knapek nicht nehmen, zur Gaudi der geladenen Gäste vor laufenden Kameras in ein Bassin mit heißem Thermalwasser zu steigen, das zuvor allerdings auf Badetemperatur heruntergekühlt worden war.

Das sei ein historischer Durchbruch für die Geothermie – nicht nur in Unterhaching, sondern in ganz Deutschland –, gab Knapek aus der Badewanne heraus zu Protokoll.

Seine Prophezeiung hat sich bis heute nicht erfüllt, obwohl auf den Unterhachinger Erfolg ein Boom sondergleichen folgte: Kommunen und private Investoren rannten dem bayerischen Wirtschaftsministerium förmlich die Türen ein, um eines der rund 100 Anrechte für Geothermie-Bohrungen in der Münchner Schotterebene zu ergattern. Schließlich ist das gesamte bayerische Alpenvorland wie geschaffen für die Nutzung von Energie aus dem Inneren der Erde.

Im sogenannten Malmkarst des Süddeutschen Molassebeckens, einer bis zu 600 Meter mächtigen, zerklüfteten und mit Wasser gefüllten Kalksteinschicht, die sich von der Donau im Norden und Osten bis zu den Alpen im Süden und dem Bodensee im Westen erstreckt, finden sich Temperaturen, wie sie für die Erzeugung von Wärme und elektrischem Strom gebraucht werden. Liegt der Malm an der Donau noch offen zutage, verschwindet er in Richtung Alpen immer weiter im Untergrund und liegt südlich von München in bis zu 5000 Meter Tiefe. Und mit zunehmender Tiefe steigt die Temperatur des Thermalwassers: von etwa 35 Grad Celsius im Norden auf bis zu 160 Grad Celsius im Süden.

Ein Fiasko am Rekordbohrloch

Allerdings: Die anfängliche Goldgräberstimmung war schon bald verflogen; mehrere Geothermie-Höhenflüge in der Region endeten mit einer jähen Bruchlandung. Am spektakulärsten geschah das in Geretsried, einer rund 25.000 Einwohner zählenden Gemeinde südlich von München, wo trotz der mit 6036 Metern europaweit tiefsten Bohrung das erhoffte heiße Thermalwasser ausblieb – ein 35 Millionen Euro teures Fiasko. Ernüchterung machte sich breit.

Heute arbeiten im Voralpenland 25 geothermische Anlagen; deutschlandweit sind es gerade mal 42. Zusammengenommen verfügen sie über eine Wärmeleistung von 360 Megawatt – in etwa so viel wie ein einziges größeres Kohleheizkraftwerk. Damit bleibt Deutschland, gemessen am geothermischen Potenzial, weit unter seinen Möglichkeiten.

„Erdwärme ist ein Bodenschatz, der den Wärmebedarf Deutschlands nahezu vollständig decken könnte“, rechnet der heute 80-jährige Geothermie-Pionier Erwin Knapek vor. Ausgenommen seien lediglich Hochtemperaturprozesse in der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie. Der promovierte Physiker, der als treibende Kraft hinter dem Geothermie-Heizkraftwerk in Unterhaching agierte und nach seiner kommunalpolitischen Karriere etliche Jahre lang den Bundesverband Geothermie führte, kämpft bis heute für den Durchbruch der Energie aus dem Erdinneren: „Wenn es um klimaneutrale Wärme geht, ist Geothermie für Deutschland erste Wahl“, ist Knapek überzeugt.

Seine These wird durch zwei Studien von Forschern der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG untermauert. Demnach hat die sogenannte tiefe Geothermie das Potenzial, etwa ein Viertel (ca. 325 TWh) des gesamten deutschen Wärmebedarfs – das sind rund 1300 Terawattstunden (TWh) – zu decken. Weitere 600 TWh könnte die oberflächennahe Geothermie liefern. Der geothermische Beitrag zu einem klimaneutralen und zudem von Energieimporten weniger abhängigen Deutschland könnte also gewaltig sein – vorausgesetzt, man erschließt diese in der Erdkruste schlummernde Wärmequelle im großtechnischen Maßstab.

Zusatz-Info: Ungleich verteiltes Potenzial

Breite Nutzungsmöglichkeiten bietet die Geothermie vor allem im Norden Deutschlands, im Alpenvorland und am Oberrhein.
©bdw-Grafik/Karl Marx

Die beiden Geothermie-Varianten, die tiefe und die oberflächennahe, nutzen jeweils unterschiedliche Temperaturniveaus. Die Temperatur in der Erdkruste steigt in Deutschland um durchschnittlich drei Grad pro 100 Meter Tiefe. Für die oberflächennahe Geothermie bohrt man bis 400 Meter tief. Zum Wärmetransport nach oben werden Erdwärmesonden eingesetzt, die in der Regel aus zwei am Fuß miteinander verbundenen Kunststoffrohren bestehen.

Geschlossener Wasserkreislauf

In den Rohrpaaren zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf ein Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel. Auf dem Weg zum Tiefpunkt und zurück nimmt diese Trägerflüssigkeit Erdwärme auf – allerdings nicht in dem Maß, wie diese für das Beheizen von Wohnräumen gebraucht wird. Das erledigt eine Wärmepumpe an der Oberfläche, die die eingesammelte Wärme von maximal 25 Grad Celsius auf das erforderliche Temperaturniveau von 35 oder mehr Grad Celsius anhebt. Die Technik ist ausgereift. In Deutschland beheizen aktuell fast 450.000 Wärmepumpen Ein- und Mehrfamilienhäuser, Bürogebäude, Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser. Zuletzt kamen pro Jahr rund 20.000 neue Anlagen hinzu.

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