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#Waffenruhe in Nahost: Zwei Sieger, ein Verlierer

Waffenruhe in Nahost: Zwei Sieger, ein Verlierer

Die in der Nacht zum Freitag in Kraft getretene Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel hielt schon ein paar Stunden, da gingen in Ramallah Hunderte Menschen auf die Straße, um einen Sieg der Islamisten zu feiern. Eine derartige Kundgebung mit grünen Fahnen der Islamisten hatte es seit mehreren Jahren nicht mehr in Ramallah gegeben, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde und der dort regierenden Partei Fatah. Deren Präsident Mahmud Abbas ist ein Gegner der Hamas, und seine Sicherheitskräfte hatten gemeinsam mit israelischen Kräften in den vergangenen Wochen einige Funktionäre der Hamas festgenommen. Doch diesmal griff die Polizei der Autonomiebehörde nicht ein. Sie wollte keine Zusammenstöße provozieren und der unbeliebte Abbas nicht noch weiteren Volkszorn auf sich lenken.

Jochen Stahnke

Politischer Korrespondent für Israel, die Palästinensergebiete und Jordanien mit Sitz in Tel Aviv.

Denn die Hamas hat nach dem elf Tage währenden Kurzkrieg mit Israel gezeigt, dass sie jene Macht zu sein scheint, die für die Identität aller Palästinenser kämpft, indem sie auf die Unruhen in und um die Al-Aqsa-Moschee mit Raketenangriffen reagiert hatte. Und so wurden auch zu den Freitagsgebeten am Mittag auf dem Haram al Sharif (Tempelberg) in Jerusalem wieder Hamas-Fahnen geschwenkt. Das israelische Fernsehen zeigte eine Menschenmenge vor dem Felsendom, die Sprechchöre anstimmte: „Wir sind das Volk von Muhammad Deif.“ Sie feierten einen Mann, der seit Jahren im Untergrund lebt, durch lange zurückliegende israelische Luftangriffe mutmaßlich kriegsversehrt ist, doch seinen Anhängern gezeigt hat, dass mit ihm weiter zu rechnen ist: Deif ist der Militärchef der Hamas, der Anführer der Qassam-Brigaden.

„Das Volk will den Präsidenten stürzen“

Deif war es auch gewesen, der Israel am Freitag, dem siebten Mai, ein „Ultimatum“ gestellt hatte, die „Aggression“ gegen Palästinenser auf dem Plateau von Al Aqsa zu beenden und mit den Zwangsräumungen in einem angrenzenden Stadtviertel aufzuhören. Er machte dieses Ultimatum wahr, indem er drei Tage später Raketen auf die Vororte von Jerusalem schießen ließ und damit schon das wesentliche Ziel der Hamas erreichte: Zu zeigen, wer für Jerusalem aufstehe – und wer nicht: Nämlich Mahmud Abbas, der gerade erst eine Parlamentswahl abgesagt hatte mit dem Hinweis, dass Israel den Palästinensern dort die Stimmabgabe nicht erlaube. Schon in der Nacht zu diesem Freitag, als die Waffenruhe früh um zwei Uhr morgens in Kraft getreten war, riefen die Leute vor dem Felsendom: „Das Volk will den Präsidenten stürzen.“ Gemeint war Abbas.

Der palästinensische Präsident hatte weder im Kriegsverlauf noch bei der Beendigung eine Rolle gespielt. Vermittelt hatte die Waffenruhe vor allem Ägypten, und es war ein Abkommen ohne Vorbedingungen oder weitere Vereinbarungen. „Ruhe für Ruhe“ lautet die Gleichung derzeit, was die Lage weiter fragil macht. Ein Bezug zur Situation in Jerusalem, den die Hamas gefordert hatte, wurde nicht hergestellt. Aber auch Israel bekam, soweit öffentlich bekannt, keine weiteren Garantien der Hamas, über die ägyptische Emissäre vorerst weiter verhandelten.

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Im Militärhauptquartier in Tel Aviv erklärte die politische und die militärische Führung Israels am Freitag dennoch einen großen Erfolg. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, Israel habe das militärische Gleichgewicht zu Ungunsten der Hamas verändert, „nicht nur während der Kampfhandlungen, sondern auch für die Zukunft“. Die Operation sei erfolgreich verlaufen und man habe der Hamas massiven Schaden zugefügt. „Ich habe als wesentliches Ziel festgelegt, den Terrororganisationen einen harten Schlag zu verpassen und Ruhe auf Basis von Abschreckung wieder herzustellen“, sagte Netanjahu. Das hieß auch, dass eine Vertreibung der Hamas, mithin eine Bodenoffensive, nie das Ziel der Gegenschläge gewesen war.

„Zeit für diplomatisches Handeln“

Verteidigungsminister Benny Gantz sprach davon, dass man die militärischen Fähigkeiten der Islamisten „um Jahre zurückgeworfen“ habe. Nun, wo die militärische Phase vorüber sei, sei es „Zeit für diplomatisches Handeln“, so Gantz. Es gehe nicht um „hastige Deals, sondern um einen langfristigen Prozess, der die Extremisten schwächt und die Moderaten zusammenbringt und stärkt“. Gantz spielte dabei auf zunehmende Kritik auch innerhalb Israels an, die Netanjahu-Regierungen der vergangenen Jahre hätten die moderate palästinensische Autonomiebehörde systematisch geschwächt. Gleichzeitig hatte Israel seit drei Jahren zugelassen, dass ein Emissär des Emirats Qatar jeden Monat rund dreißig Millionen Dollar Bargeld in den Gazastreifen fuhr, während der Hamas-Chef im Gegenzug für sogenannte Ruhe in Gaza sorgte. Das verfestigte die innerpalästinensische Spaltung und machte Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung unmöglich.

„Waffenstillstand? Wie wäre es, das Bargeld stillzulegen“, twitterte der nationalistische Politiker Avigdor Lieberman, der sich einem Oppositionsbündnis gegen Netanjahu angeschlossen hatte, das durch den Krieg gestorben zu sein scheint. Ein weiterer Politiker daraus hatte erklärt, in dieser Lage keine Vereinbarungen mit arabischen Abgeordneten schließen zu können. Ein Hinweis darauf, dass die Kampfhandlungen tatsächlich vorüber sind, war die heftige Kritik der israelischen Oppositionspolitiker an der Regierung.

Oppositionsführer Jair Lapid, der vor den Kampfhandlungen kurz davor gewesen war, eine eigene Koalition zu formen und Netanjahu von der Macht zu verstoßen, lobte das Militär, „doch die politische Führung ist gescheitert“. Die israelische Bevölkerung, vor allem in der Nähe des Gazastreifens, so Lapid, habe Raketenangriffe erdulden müssen, sie habe „im Gegenzug aber nichts gewonnen“. Der Vorsitzende der konservativen Partei „Neue Hoffnung“ Gideon Saar, bis vor kurzem noch selbst Teil von Netanjahus Likud-Partei, nannte die Waffenruhe „peinlich“, weil Netanjahu mit „der besten Aufklärung und der besten Armee“ nicht mehr als „einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen“ erreicht habe.

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