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#Wann ist ein Mann ein Mann?

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„Wann ist ein Mann ein Mann?“

Vor einiger Zeit bekamen wir von einem Verlag das Angebot, ein Buch über den heu­tigen Mann und seine Probleme zu schreiben. Das schmeichelte uns na­türlich wie früher Komplimente ei­ner Frau, denn offenbar gelten wir als Fachmann in Sachen Männlichkeit. Andererseits: Soll man das heute noch wollen, zumal als Mann?

Wir haben es dann gelassen: aus Rücksicht auf die Familie, denn in den Nachtstunden, in denen man so ein Werk verfassen müsste, kann man auch Hausarbeit erledigen. Uns hatte aber auch eine Angst erfasst, die man in dunkler Vorzeit „weibisch“ genannt hätte. Dass diese nur allzu berechtigt war, wussten wir, als jüngst ein Kol­lege von der „Süddeutschen“ ein Buch über den „gekränkten Mann“ publizierte: In den sozialen Netzwerken ha­gelte es reflexhaft Häme. Manche sprachen ihm gar die Männlichkeit ab – dabei ist ein Buch über Männlichkeit zu schreiben gerade für einen SZ-Mann fast so männlich wie der Todesmut ukrainischer Frauen, die, obwohl sie ihr Land verlassen dürften, geblieben sind, um es zu verteidigen, und zwar nicht mit den angeblichen „Waffen einer Frau“, sondern mit den Ra­keten, deren Bau, man erinnere sich an Grönemeyer, früher einmal als konstitutiv fürs Mannsein galt, buchstäblich wie metaphorisch, vergleiche dazu auch Kiss: „Put your hand in my pocket / Grab onto my rocket.“

Auch bei anderer Gelegenheit er­wogen wir, uns in den Geschlechterkampf zu stürzen: Uns war nämlich aufgefallen, dass bei Terroranschlägen und in anderen lebensbedrohlichen Situationen häufig Menschen Courage zeigten, die augenscheinlich Männer waren und aus Kulturen stammten, in denen Attribute archa­ischer Männlichkeit noch recht vital scheinen: In Würzburg war es ein iranischer Kurde, der sich mit seinen Box­künsten dem Messerattentäter ent­gegenstellte, in Wien waren die Hel­den türkischstämmige Kampfsportler, und in der Nacht, in der Tugce Albayrak niedergestreckt wurde, beschützten sie zunächst zwei Ro­cker aus Afghanistan, beide, wie die Of­fenbacher Jugend von heute sagen wür­de, stabil. Aber auch bei diesem Textvorhaben haben wir den Schwanz eingezogen – wir fürchteten nicht nur den Chauvinismus –, sondern auch den Rassismusvorwurf und verlegten daher unsere Truppen vom offenen Feld auf das der Ironie.

In deren Schutz fragen wir Sie: Ha­ben Sie das Foto gesehen, auf dem der ukrainische Präsident Selenskyj die Hand der EU-Parlamentspräsidentin Metsola fast zerquetscht, mit einem Unterarm, von dem Putin nur träumen kann? Haben Sie den Briefwechsel von Carl Schmitt und Ernst-Wolfgang Böckenförde gelesen? Ist es ein Zufall, dass zwei frühere Boxer zu den Gesichtern des ukrainischen Widerstands geworden sind? Müssen wir wo­möglich nach dem Irrglauben, im Atomzeitalter brauchten wir keine Panzer mehr, auch einem zweiten Irrglauben abschwören, wonach es in der Ära der Handfeuerwaffen keiner Muskeln mehr bedarf? Kurz gefasst: Braucht es doch noch Männer ­ – oder ist das die falsche Frage?

Auf jeden Fall! Sie müssen sich nämlich auch den Oberarm von Frau Metsola anschauen, Mannomann! Nico Sombart schreibt in seinem Buch „Die deutschen Männer und ihre Feinde“ – es geht darin um den erwähnten Carl Schmitt, der mal wieder der „Philosoph der Stunde“ ist: Die Utopie des Menschen als „Zweigeschlechterwesen“, als „höchste Syn­these des männlichen und weib­lichen Prinzips“, bleibe das „höchste Entwicklungsziel der Geschichte“. Das ist doch eine Verhandlungsbasis, sowohl für Gegner wie Anhänger fe­ministischer Politik. Um es anders mit dem großen Philosophen Slavoj Žižek zu sagen, von dem viele leider nur wissen, dass er mal mit einem Unterwäschemodell verheiratet war: „Wir Männer sind missratene Frauen.“

Transparenzhinweis: Der Autor dieser Zeilen befand sich beim Verfassen in den letzten Zügen seiner Elternzeit. Er saß dabei in der Sonne vor der Kita, in der sein Söhnchen gerade eingewöhnt wird. Wenn er drin gebraucht worden wäre, hätte er nicht etwa die Ehefrau angerufen, sondern wäre ­ – selbst ist der Mann ­ – herbeigeeilt und hätte wie Anne Spiegel in ihren besten Zeiten das Kind mit der einen Hand tröstend mit der anderen den Text auf dem Handy fertig getippt.

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