Nachrichten

#Warum Berlin den Gashahn nicht zudrehen will

„Warum Berlin den Gashahn nicht zudrehen will“

Hat Putin also doch nur geblufft, als er ankündigte, es werde Gas künftig bloß gegen Rubel geben? In dieser Woche dreht er den Hahn nicht zu. Aber wer will sich noch auf Äußerungen aus dem Kreml verlassen? Die Bundesregierung nicht mehr. Der Wirtschaftsminister rief deshalb die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus. Was jahrzehntelang so gut wie alle Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, die sich mit Russland beschäftigten, für unmöglich gehalten hatten, gilt nun als eine Gefahr, die jederzeit über das Land hereinbrechen könnte.

Über das ganze Ausmaß der Folgen eines Lieferstopps wird in Politik und Wirtschaft gestritten, seit im Westen aus moralischen wie realpolitischen Gründen die Forderung aufgekommen ist, selbst auf den Energiebezug aus Russland zu verzichten. Niemand bezweifelt jedoch, dass die deutsche Wirtschaft schwer unter dem plötzlichen Entzug des Lebenselixiers aus Sibirien leiden würde, von dem Deutschland sich so abhängig gemacht hat.

Die Aussicht auf eine ausgewachsene Rezession ist der Grund dafür, warum die Regierung Scholz sich bisher weigerte, ein sofortiges Energieembargo zu beschließen. Die Ampelkoalition befürchtet dabei nicht nur eine Pleitewelle, das Zerreißen von Lieferketten, Arbeitslosigkeit und eine noch höhere Geldentwertung als bisher schon. Die Regierenden, nicht allein die in Berlin, sind auch besorgt wegen der Schockwellen, die ein solcher Einbruch durch die deutsche Gesellschaft jagen könnte. Sollte diese tatsächlich so wenig krisenfest sein, wie manche Politiker meinen? Dann müsste die deutsche Politik sich parteiübergreifend den Vorwurf gefallen lassen, seit Jahrzehnten der Verweichlichung Vorschub geleistet zu haben.

Fürsorge auf Kosten der nachfolgenden Generationen

Die Krisen konnten sich drehen, um was sie wollten – um bankrotte Staaten, betrügerische Banken, das Klima, ein Virus –, nachhaltige Wohlstandsverluste für die Deutschen hatten sie nicht zur Folge. Immer standen Vater Staat und Mutter Merkel mit Hilfen in astronomischen Höhen bereit, um das Schlimmste abzuwenden. Gegen solche Fürsorglichkeit wäre selbstverständlich nichts einzuwenden – wenn die Unterstützung nicht regelmäßig auf Pump und damit auf Kosten der nachfolgenden Generationen ergangen wäre.

Der deutsche Staat hat sich in eine Vollkaskoversicherung verwandelt, der die Prämienzahlung in die Zukunft verschiebt. Dass dafür immer wieder das Kleingedruckte in den Versicherungsbedingungen geändert werden muss, kümmert nur noch wenige. Vielleicht glauben sogar manche, dass das von der Koalition beschlossene „Sondervermögen“ zur Ertüchtigung der Bundeswehr tatsächlich ein Vermögen ist. Die Mehrheit wird jedenfalls schon aus alter Gewohnheit erwarten, dass, wenn es wieder schlimm kommt, der Kanzler vor die Kameras tritt und sagt: Macht euch keine Sorgen, ich bin ja da. So wie früher Merkel, die Krisenkanzlerin.

Zwei Gespenster aus der deutschen Vergangenheit

Eine Superkrise aus einer noch nicht beendeten Pandemie und einer kriegsbedingten Rezession könnte aber selbst den deutschen Fürsorgestaat überfordern. Nicht jedes Maß an Arbeitslosigkeit ist über Kurzarbeit abzufedern. Das zweite Gespenst aus der Vergangenheit, die Inflation, hat sich schon am Ersparten der Deutschen festgesaugt. Krieg, Arbeitslosigkeit, Geldentwertung – angesichts dieser historisch belasteten Kombination ist es kein Wunder, dass es den Politikern mulmig wird.

Doch warum drohte Putin selbst mit einem Schritt, vor dem Berlin zurückschreckt? Um zu zeigen, dass er an jeder Front zur Eskalation bereit ist und den Angriffs- und Vernichtungskrieg in der Ukraine auch ohne das Geld aus dem Westen führen könnte? Das Ausbleiben der Transfers würde den russischen Staat schwer treffen, aber den Kreml vermutlich nicht sofort dazu zwingen, den Feldzug in der Ukraine zu beenden. Putins Kosten-Nutzen-Rechnung, das sollte inzwischen klar sein, sieht anders aus als diejenige, die man an westlichen Universitäten lehrt und lernt.

Wer ist schuld an der Abhängigkeit von einem Despoten?

Gewiss hält Putin das russische Volk für leidensfähiger als den aus seiner Sicht dekadenten Westen, in dem die Politiker Rücksicht auf die öffentliche Meinung nehmen müssen. Auch in Deutschland könnte die Stimmung umschlagen, wenn wegen des sofortigen Verzichts auf die russischen Energielieferungen eine Wirtschaftskrise ausbräche, der Krieg in der Ukraine aber weiterginge. Die Diskussion darüber, wer alles schuld daran ist, dass Deutschland sich in die Abhängigkeit von einem Despoten begab, hat schon begonnen. Die einsetzende Vergangenheitsbewältigung dürfte auch dazu beigetragen haben, dass sich die Forderungen mehrten, den Gashahn zuzudrehen, bevor Putin es macht. Deutsche Politik fällt immer noch gern von einem Extrem ins andere, besonders dann, wenn die Not groß ist.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!