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#Warum gestreute Brustkrebszellen wieder erwachen

„Warum gestreute Brustkrebszellen wieder erwachen

Beim häufigsten Brustkrebstyp, dem sogenannten Östrogen-Rezeptor-positiven Brustkrebs, treten Metastasen oft noch Jahre bis Jahrzehnte nach der Krebstherapie auf. Warum das so ist, könnten Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Verantwortlich ist demnach ein hoher Spiegel des Proteins PDGF-C, der vor allem bei älteren Frauen und bei solchen mit vorgeschädigtem Lungengewebe auftritt. Die erhöhte Konzentration dieses Proteins begünstigt das “Wiedererwachen” gestreuter Krebszellen aus ihrer jahrelangen Ruhephase und fördert ihr Heranwachsen zu Metastasen. Die gute Nachricht: In Experimenten mit Mäusen konnte ein Leukämie-Medikament diesen “Wachmacher” ausschalten und Metastasen verhindern.

Rund 80 Prozent aller Brustkrebs-Patientinnen leiden unter einem Östrogen-Rezeptor-positiven Brustkrebs (ER+). Dabei tragen die Krebszellen Andockstellen für das weibliche Geschlechtshormon Östrogen auf ihrer Oberfläche und ihr Wachstum wird durch die Präsenz des Hormons gefördert. Bei dieser Krebsart ist der Primärtumor zwar meist besser behandelbar als bei der negativen Variante. Doch dafür sind die Spätfolgen besonders tückisch: Gestreute Krebszellen dieses Tumortyps können oft jahrelang in einem Ruhezustand im Körper überdauern und als “Schläfer” selbst aggressiven Chemotherapien widerstehen. Erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der scheinbar erfolgreichen Krebsbehandlung “wachen” diese Brustkrebszellen dann wieder auf und erzeugen dann Metastasen in Lunge, Leber, Knochen und anderen Organen. Diese Brustkrebs-Metastasen sind dann zwar behandelbar, indem man versucht, ihr Wachstum einzudämmen. Beseitigen lassen sie sich aber nicht mehr.

Spurensuche bei krebskranken Mäusen

Was zum Wiederaufwachen der schlafenden gestreuten Krebszellen führt, ist jedoch bisher weitgehend ungeklärt. Ähnlich wie anderen Krebsmetastasen gehen Onkologen aber davon aus, dass die Mikroumgebung dieser Zellen eine entscheidende Rolle spielt – das Umfeld, in dem sich die gestreuten Brustkrebszellen eingenistet haben. So können bestimmte Botenstoffe, Stressfaktoren oder Stoffwechseleinflüsse dazu beitragen, das Wachstum von Metastasen zu fördern. Einem weiteren Einflussfaktor ist ein Forschungsteam um Frances Turrell vom Institute of Cancer Research in London nachgegangen. Schon in früheren Studien gab es Hinweise darauf, dass bestimmte Signalmoleküle im Blut älterer Krebspatienten die Metastasenbildung begünstigen und die gestreuten Krebszellen aggressiver machen können. Turrell und ihr Team haben daher untersucht, ob möglicherweise auch das Wiedererwachen der gestreuten Brustkrebszellen durch ein solches Molekül beeinflusst wird.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler Mäuse verschiedenen Alters, bei denen sie Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs ausgelöst hatten. Bei allen Mäusen hatten daraufhin Brustkrebszellen vom primären Tumor in andere Körperregionen gestreut, darunter in Lunge und Leber. Die Untersuchungen ergaben jedoch, dass sich die gestreuten Krebszellen bei den jungen Mäusen nur zu einem sehr geringen Prozentsatz vermehrten und Metastasen bildeten. Bei den älteren Mäusen wuchsen die Brustkrebszellen dagegen meist zu großen Sekundärtumoren heran. “Die älteren Tiere hatten eine größere Zahl und weitere Verbreitung von Metastasen mit meist prominenten Läsionen im Lungenparenchym”, berichten die Forschenden. Auch bei schon vorgeschädigtem, vernarbtem Lungengewebe war dies der Fall.

PDGF-C-Proteine als Wecker für ruhende Krebszellen

Mithilfe einer Genexpressionsanalyse untersuchte Turrells Team anschließend, was sich bei den Versuchstieren auf molekularer Ebene abspielte. Es zeigte sich: Bei den Mäusen, die stärker zu sekundären Tumoren neigten, waren zahlreiche Gene stärker aktiv, die unter anderem Bindegewebszellen in der Lunge aktivieren und Vernarbungen auslösen. Besonders auffällig war dabei eine Gruppe von Genen, die sogenannte PDGF-C-Proteine kodieren. Diese Proteine werden von Bindegewebszellen und bestimmten Immunzellen produziert und stehen schon länger im Verdacht, auch das Wachstum einiger Krebsarten zu begünstigen, wie Turrell und ihre Kollegen erklären. Sie schließen aus ihren Ergebnissen, dass ein erhöhter PDGF-C-Spiegel auch das Erwachen der ruhenden Krebszellen und ihr Heranwachsen zu Metastasen fördert Das würde auch erklären, warum Frauen ab dem mittleren Alter und solche mit vorgeschädigten Organen häufiger betroffen sind.

Doch das Wissen um die Wirkung von PDGF-C auf das Wiedererwachen gestreuter Brustkrebszellen bietet auch einen Ansatzpunkt für neue Therapien: In ihrer Studie haben Turrell und ihre Kollegen einige der erkrankten Mäuse mit dem Krebswachstumsblocker Imatinib behandelt. Eigentlich kommt dieses Medikament bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie zum Einsatz. Einer zweiten Mäusegruppe verabreichten sie einen Antikörper gegen PDGF-C. Wie sich zeigte, reduzierten sowohl Imatinib als auch die Antikörperbehandlung das Wachstum der Brustkrebs-Metastasen in der Lunge der Tiere deutlich. Dabei war es egal, ob die Mittel den Mäusen bereits vor oder nach der Entwicklung von Tumoren verabreicht worden waren. Nach Ansicht der Forscher besteht damit die Hoffnung, dass sich die späte Metastasenbildung beim Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs in Zukunft womöglich verlangsamen oder sogar komplett stoppen lässt.

„Wir wollen nun besser herausfinden, wie Patientinnen von dem bestehenden Medikament Imatinib profitieren könnten, und langfristig wollen wir spezifischere Behandlungen entwickeln, die auf den Mechanismus des ‚Wiedererwachens‘ abzielen“, erklärt Turrell.

Quelle: Frances Turrell (Institute of Cancer Research, London) et al., Nature Cancer, doi: 10.1038/s43018-023-00525-y

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