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#Menschenaffen machen sich schwindelig

„Menschenaffen machen sich schwindelig

Verschiedene Youtube-Videos zeigen, wie Menschaffen sich so lange im Kreis drehen, bis ihnen sichtbar schwindelig ist. Eine Studie hat solche Videos nun systematisch ausgewertet und mit menschlichen Verhaltensweisen verglichen. Demnach drehen sich die Affen ähnlich schnell wie professionelle menschliche Tänzer und Artisten oder wie Derwische, die durch rituelle Wirbeltänze eine spirituelle Trance erreichen. Aus Sicht der Forscher könnte das Verhalten der Menschenaffen einen Hinweis darauf geben, wie unsere frühmenschlichen Vorfahren bewusstseinsverändernde Erfahrungen gesucht haben.

Menschen verschiedener Kulturen suchen von Zeit zu Zeit bewusstseinsverändernde Erfahrungen. Neben Rauschmitteln wie Alkohol und Drogen haben wir auch weitere Möglichkeiten, unsere Sinne zu verwirren und andere mentale Zustände zu erreichen. Muslimische Derwische beispielsweise wirbeln in rituellen Tänzen herum, um eine spirituelle Trance zu erzeugen. Kinder fordern gerne ihren Gleichgewichtssinn heraus, sei es, indem sie sich um sich selbst drehen oder auf dem Spielplatz Karussell fahren. Und auch viele Erwachsene mögen das beschwingte Gefühl nach dem Tanzen oder einer Fahrt mit der Achterbahn.

Bewusstseinsveränderung durch Schwindel

„Die menschliche Eigenschaft, nach veränderten Zuständen zu streben, ist historisch und kulturell so universell, dass die faszinierende Möglichkeit besteht, dass wir sie von unseren evolutionären Vorfahren geerbt haben“, erklärt Adriano Lameira von der University of Warwick in Großbritannien. Einen möglichen Hinweis auf die evolutionären Ursprünge dieses Verhaltens hat er in Youtube-Videos von Menschenaffen entdeckt: „Zahlreiche Youtube-Videos zeigen, wie Menschenaffen sich während des Spiels drehen“, berichtet er. Dabei nutzen die Primaten oft Seile oder Lianen und sind am Ende der Drehepisoden sichtlich schwindelig.

Gemeinsam mit Co-Autor Marcus Perlman von der University of Birmingham hat Lameira 40 Videos von Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans analysiert, die sich alle drehten. Als Vergleich nutzten sie Videos von menschlichen Tänzern, die beispielsweise beim Ballett Pirouetten drehen oder als Zirkusartisten an Seilen herumwirbeln. Zusätzlich bezogen sie auch Videoaufnahmen von muslimischen Derwischen ein, die bei ihren traditionellen Wirbeltänzen einen Trancezustand erreichen.

Parallelen zwischen Affen und Menschen

„Das Drehen verändert unseren Bewusstseinszustand, es bringt unsere Körper-Geist-Reaktion und unsere Koordination durcheinander, so dass wir uns schwindlig oder beschwingt fühlen, wie es bei Kindern der Fall ist, die auf Karussells spielen“, erklärt Lameira. „Für unsere frühmenschlichen Vorfahren könnte dies eine Möglichkeit gewesen sein, ohne weitere Hilfsmittel andere Bewusstseinszustände zu erreichen. Wenn Menschenaffen den Schwindel suchen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass auch unsere Vorfahren dies getan haben.“ Tatsächlich stellten Lameira und Perlman fest, dass die Primaten sich mit ähnlicher Geschwindigkeit drehen wie die menschlichen Tänzer in den Videos, nämlich mit etwa 1,5 Umdrehungen pro Sekunde.

„Unsere Auswertung deutet darauf hin, dass die Primaten sich absichtlich so lange drehen, bis ihnen schwindelig wird und sie nicht mehr in der Lage sind, das Gleichgewicht zu halten“, berichtet Perlman. Über die Gründe für dieses Verhalten können die Forscher bislang nur spekulieren. „Es könnte ein Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit bestehen, da die Primaten aus den Videos meist in Gefangenschaft lebten und sich vielleicht langweilten und versuchten, ihre Sinne auf irgendeine Weise zu stimulieren“, sagt Lameira. In zwei Videos zeigten allerdings auch wildlebende Gorillas dieses Verhalten. „Es könnte sich auch um ein Spiel handeln, ähnlich wie bei Kindern auf dem Spielplatz“, so das Forschungsteam.

Drehen statt Drogen?

Frühere Studien, die sich mit der menschlichen Motivation für selbst herbeigeführten Schwindel beschäftigten, fokussierten sich auf den Konsum von Alkohol und Drogen. Ob entsprechende Substanzen allerdings bereits unseren frühmenschlichen Vorfahren zugänglich waren, ist zweifelhaft. „Je weiter man in der Menschheitsgeschichte zurückblickt, desto unsicherer wird die Rolle, die substanzinduzierte Erfahrungen in unserer Evolution gespielt haben“, erklärt Lameira. Drehen dagegen könnte schon früh die Möglichkeit eröffnet haben, die eigenen Sinneswahrnehmungen kurzzeitig zu verändern.

„Wahrscheinlich haben entsprechende Verhaltensweisen bei unserem letzten gemeinsamen Vorfahren auch das Nervensystem und die Muskulatur verbessert und so dazu beigetragen, das Spektrum der Handlungsmuster zu erweitern“, so das Forschungsteam. „Die hier vorgestellten empirischen Belege liefern Anhaltspunkte für die faszinierende Möglichkeit, dass die selbst herbeigeführten veränderten mentalen Zustände unserer Vorfahren Aspekte des modernen menschlichen Verhaltens und der Kognition sowie der Stimmungsregulation und des mentalen Wohlbefindens geprägt haben könnten.“

Quelle: Adriano Lameira (University of Warwick, UK) et al., Primates, doi: 10.1007/s10329-023-01056-x

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