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#Warum Selenskyjs Besuch für Merkel eine Gratwanderung ist

Warum Selenskyjs Besuch für Merkel eine Gratwanderung ist

Angela Merkel hat am Montag möglicherweise zum letzten Mal als Bundeskanzlerin einen Präsidenten der Ukraine getroffen – Wolodymyr Selenskyj kam am Abend zu ihr ins Kanzleramt, nachdem er zuvor unter anderem Bundespräsident Steinmeier besucht hatte. Das Treffen stand in engem Zusammenhang mit einem anderen Termin in dem Kalender der Kanzlerin für diese Woche: der Reise nach Washington am Donnerstag, der ersten, seit Joe Biden dort Gastgeber ist.

Konrad Schuller

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Das Bindeglied ist ein Thema, das Deutschlands Beziehungen zur Ukraine ebenso belastet wie die zu Amerika: die Ostseepipeline Nord Stream 2. Die Gasleitung wird seit Jahren von einem Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom gebaut und ist offenbar fast fertig. Matthias Warnig, der Vorstandschef von Nord Stream 2, hat dem Handelsblatt gerade gesagt, Ende August werde die Arbeit wohl beendet sein.

Selenskyj wie Biden sind der Ansicht, dass die russische Ostseepipeline kein bloßes Wirtschaftsprojekt ist, wie Merkel immer wieder zu ihrer Verteidigung sagt. Selenskyj, dessen Land, in dessen Osten immer noch von Moskau gesteuerte Interventionstruppen stehen, 2014 von Russland überfallen worden ist, hat es in einem Interview mit der F.A.Z. Anfang Juni so gesagt: Nord Stream sei „eine Waffe“ gegen sein Land, und noch dazu „eine sehr scharfe“.

Flammt der Krieg in der Ostukraine wieder auf?

Die Überlegung dahinter geht so: Russland lebt unter anderem vom Gasexport nach Europa, und seine wichtigste Transportroute geht gegenwärtig noch durch die Ukraine. Deshalb wäre es für Russland im Augenblick riskant, seinen seit ein paar Jahren nur noch mit halber Kraft geführten Krieg gegen Kiew wieder stärker aufflammen zu lassen. Mit Nord Stream 2 in der Ostsee aber könnte Moskau auf die ukrainischen Leitungen verzichten.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue am Montag


Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue am Montag
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Bild: dpa

Auch in Washington sieht man das so. Unter Präsident Donald Trump hat Amerika Sanktionen gegen Unternehmen erlassen, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind, und auch Biden hält das Projekt für einen „schlechten Deal“. Das amerikanische Außenministerium hat dementsprechend noch im Mai festgestellt, dass Nord Stream 2 und sein Chef Warnig mit Sanktionen belegt werden könnten. Weil aber Biden gute Beziehungen zu Deutschland will, hat Außenminister Antony Blinken den Vollzug der Strafmaßnahmen einstweilen gestoppt. Für Merkel, die das Projekt zusammen mit der SPD immer unterstützt hat, wird es deshalb darauf ankommen, einen Weg zu finden, der alle halbwegs beruhigt.

Die Bundesregierung setzt hier zunächst auf die Idee, die Eröffnung von Nord Stream 2 an Bedingungen zu knüpfen: Die neue Pipeline soll nur ans Netz gehen können, wenn Russland seinen jetzigen Transitvertrag mit der Ukraine verlängert. Der läuft Ende 2024 aus, danach drohen Kiew gewaltige Ausfälle bei den Transitgebühren.

Regierungssprecher Steffen Seibert hat unlängst aber darauf hingewiesen, dass das jetzige Abkommen eine Verlängerung bis 2034 möglich macht. Dass Russland sich darauf einlassen wird, ist jedoch zweifelhaft. Putin hat unlängst gesagt, eine Verlängerung könne er sich nur vorstellen, wenn Kiew „guten Willen“ zeige und künftige Einnahmen nicht zu seiner Verteidigung verwende. Aus Kiewer Sicht ist das kaum zu akzeptieren.

Deshalb könnte ein neuer Gedanke Bedeutung gewinnen: Aus mehreren Quellen ist zuletzt zu hören gewesen, dass die Ukraine ihre Transitleitungen umwidmen könnte: Statt russisches Erdgas könnten die Röhren in einer postfossilen Zukunft grünen Wasserstoff transportieren. Der könnte in der Ukraine, dem größten europäischen Flächenstaat, sehr bald in großer Menge aus Wind- und Sonnenenergie hergestellt werden und Europa helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Für die Ukraine könnte das eine verlockende Perspektive sein, zumal das Geschäft mit dem Gastransit ohnehin spätestens dann zu Ende gehen dürfte, wenn Europa sein Ziel erreicht, bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden.

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