„Militärische Mobilität ist für wirksame Abschreckung entscheidend“, heißt es im Vorwort einer neuen Studie zu diesem Thema. Es gehe um die Fähigkeit, Truppen schneller als der Gegner zu bewegen. Nur dann könnten politische Führer eine Krise rechtzeitig einhegen. Andernfalls bleibe ihnen nur die Rückeroberung verlorener Gebiete. Der Autor weiß, wovon er spricht: Ben Hodges war bis 2017 der Oberkommandierende der US Army in Europa.
Thomas Gutschker
Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.
Nach der russischen Eroberung der Krim 2014 musste er mit seinen Truppen üben, wie sie schnellstmöglich an die Ostflanke der Nato gelangen. Dabei machte er allerlei Erfahrungen, die nicht nur ihm die Haare zu Berge stehen ließen. Es dauerte ewig, um Zollformulare auszufüllen. Straßen und Brücken waren nicht für schwere Transporte ausgelegt. Einmal blieb der General mit seinen Kampfpanzern in einem Tunnel stecken.
Seitdem er pensioniert ist, arbeitet er an dem Thema weiter. Für die neue Studie des Center for European Policy Analysis tat er sich mit einem Mann zusammen, der die Nato-Strategie nach 2014 umgepolt hat. Heinrich Brauß, ebenfalls Drei-Sterne-General, war bis 2018 der oberste Verteidigungsplaner der Allianz. Unter seiner Ägide wurden sämtliche Verteidigungspläne neu ausgerichtet – auf einen hybriden Krieg, wie ihn Moskau in der Ukraine praktizierte. Brauß fürchtete, dass Russland in ähnlicher Manier das Baltikum destabilisieren und dann blitzartig angreifen könnte. Es ist die Achillesferse der Allianz: militärisch kaum zu verteidigen, direkt an Russland grenzend und mit einer beträchtlichen russischen Minderheit. Höchstens sechzig Stunden würde es dauern, bis Russland die drei Hauptstädte eingeschlossen hätte, ergab 2016 eine Simulation der Rand Corporation.
Fünf Einsatzszenarien durchgespielt
Damit ist die Herausforderung für die Nato umschrieben. Wenn sie ihre Verbündeten im Nordosten überhaupt verteidigen will, muss sie einem russischen Angriff zuvorkommen. Dem dienen alle wesentlichen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Das Bündnis stellte eine „Speerspitze“ von 5000 Mann auf, die in wenigen Tagen ein Krisengebiet erreichen kann. Im Baltikum und in Polen wurden „Battlegroups“ stationiert, jeweils unter Beteiligung einer Nuklearmacht – zur Abschreckung. Inzwischen arbeitet die Nato daran, dass sie binnen eines Monats rund 50.000 Mann zusätzlich verlegen kann. An der amerikanischen Atlantikküste entstand ein neues Kommando für den Seetransport, in Ulm eines für den Landtransport in Europa.
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