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#Wenn man Russland auf die Schnauze haut

Wenn man Russland auf die Schnauze haut

Zehn große Bahnhöfe gibt es in Moskau. Sie alle heißen nach Städten, in die man von ihnen aus fahren kann: Vom Leningrader Bahnhof nach Sankt Petersburg, vom Kasaner nach Kasan, vom Kursker nach Kursk. Nur vom Kiewer Bahnhof fahren seit gut zwei Jahren keine Züge mehr nach Kiew. Offiziell wegen der Pandemie.

Katharina Wagner

Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

Das bestätigt auch Olga, die im Untergeschoss des Bahnhofs an einem Auskunftsschalter sitzt. Olga ist eine gepflegte, sorgfältig geschminkte Frau Ende vierzig. Sie trägt eine schicke rote Uniform, die passende Stoffmaske hängt lässig unterm Kinn. Zu Beginn des Gesprächs ist Olga sehr freundlich. Sie verweist auf das Internet, wo man Busse nach Kiew finden könne. Sie ist auch bereit, über den Konflikt mit dem Nachbarland zu sprechen.

Auf die Frage, wieso Russland so viele Truppen an die ukrainischen Grenzen geschickt habe, antwortet sie noch höflich, geradezu versöhnlich: „Jeder versucht doch, seinen Besitz ein bisschen größer zu machen. Das ist rein menschlich, das sieht man überall. Zum Beispiel auf der Datscha, wenn der Nachbar den Zaun verrückt.“ Sie meint damit aber nicht Russland. Amerika mache sich dort breit: „Putin verteidigt nur das, was uns gehört.“

„Wenn es genug ist, ist es genug“

Bald redet sich Olga in Rage. Fragen sind nun nicht mehr nötig. „Wenn man Russland auf die Schnauze haut, dann geben wir auch gut zurück“, sagt sie. „Russen sind lange geduldig, aber wenn es genug ist, ist es genug.“ Die Sätze klingen wie aus dem Staatsfernsehen, das seit Jahren genau solche Botschaften verbreitet. „Ich verstehe nicht, warum sich der Westen permanent in unsere Dinge einmischt.“

Der Westen, das ist für sie jetzt die Person, die vor ihr steht: „Wenn es euch gefällt mit euren Minderheiten, Jungs mit Jungs und Mädchen mit Mädchen, dann ist mir das egal. Aber wir brauchen das hier nicht.“ Als sie fertig ist, wird Olga auf einmal wieder zu der angenehmen Person, die sie am Anfang war: Eigentlich dürfe sie bei der Arbeit gar nicht über solche Dinge reden, sagt sie lächelnd, und verabschiedet sich mit den besten Wünschen.

Viele Russen haben kaum eine Chance, der allgegenwärtigen Propaganda zu entgehen. Es ist eine Art Gruppenzwang, in den Familien, bei der Arbeit: Das Staatsfernsehen läuft immer nebenbei. Auch wenn man nicht hinsieht, etwas bleibt hängen. So fragt eine russische Kinderfrau auf dem Spielplatz, die beteuert, fast nie Fernsehen zu schauen: Ob es nicht möglich sei, dass die NATO sich die Sache mit dem Truppenaufmarsch ausgedacht habe?

Die NATO habe sich das doch ausgedacht, heißt es

Die Propagandasendungen wirken für Außenstehende zwar wie Parodien, so haarsträubend verdreht ist das, was verbreitet wird. Aber sie sind aufwendig produziert und professionell gemacht. Teuer gekleidete Moderatoren sprechen in ruhigem Tonfall über ukrainische „Nazis“, die Angriffe auf Russen im Donbass planten, wo „friedliche Bürger gequält und getötet“ würden.

Jelena am Kiewer Bahnhof in Moskau


Jelena am Kiewer Bahnhof in Moskau
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Bild: Marie Katharina Wagner

Gennadij hat schon lange keinen Fernseher mehr. Er nennt ihn die „Zombie-Kiste“, weil nur Lügen in ihr steckten. Er bekommt seine Informationen aus dem Internet. Dennoch ist er überzeugt, dass Amerika für alles Chaos auf der Welt verantwortlich ist. Gennadij ist sechzig Jahre alt und Sicherheitsmann am Kiewer Bahnhof. Er passt auf, dass alle Reisenden ihre Taschen auf das Band legen, bevor sie durch den Metalldetektor gehen. Gennadij trägt eine dunkelblaue, etwas abgewetzte Uniform, die über seinem Bauch spannt, dazu ein Käppi. Eigentlich lebt er in der Nähe von Rostow am Don in Südrussland, nicht weit von der Grenze zur Ukraine. Weil er dort keine Arbeit findet, kommt er immer wieder für ein paar Wochen „auf Schicht“ nach Moskau.

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