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#Wer bekommt Spahns Covid-Prophylaxe?

Wer bekommt Spahns Covid-Prophylaxe?

Der Vorwurf, vor allem Hochrisikopersonen für Covid-19 nicht ausreichend zu schützen, nagt seit Monaten erkennbar an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Der Beginn der Impfungen hat daran nichts geändert, zumal ihm auch da Versagen vorgeworfen wurde. Deshalb kann man den Ankauf von 200.000 Dosen des Antikörper-Kombipräparats REGN-CoV2 als Gegenreaktion werten, das seit Wochen beklagenswerte Sterben so vieler Hochaltrigen in den Pflegeheimen und Kliniken endlich einzugrenzen. Und: Spahn kann Impflücken schließen. Teurer zwar als die eigentlichen Impfstoffe, aber 2000 Euro pro Dosis sind für die biotechnisch aufwändig erzeugten Wirkstoffe geradezu ein Schnäppchen für diese Arzneiklasse, wo normalerweise Preise im hohen fünfstelligen Bereich pro Infusion überwiesen werden.

Joachim Müller-Jung

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Die Bundesregierung wird es so sehen: 200.000 hochgradig von Covid-19 gefährdete Bürger können mit dem Mittel gerettet werden, das letzten Endes dem amerikanischen Ex-Präsidenten und einigen Privilegierten in seiner Entourage vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Tatsächlich gelten die Antikörper-Präparate unter ganz bestimmten Voraussetzungen als ideales Gegenmittel gegen Sars-CoV-2, wirksamer als jedes andere bisher getestete Arzneimittel. 

Doch Spahn hat sich damit nicht nur eine für viele überraschende pharmazeutische Lösung geschaffen, sondern auch jede Menge neuer Probleme. Der Antikörper-Cocktail der amerikanischen Biotech-Firma Regeneron ist nämlich nicht zugelassen in Europa, also bleibt nur die Anwendung als individueller Heilversuch. In Notfällen also soll das Mittel angewendet werden und in begründeten Einzelfällen. Das allerdings dürfte bei den bisher klinisch erprobten monoklonalen Antikörpern in der Covid-19-Therapie schwierig werden, denn sie wirken praktisch nur, wenn die Infusion verabreicht wird, bevor die Infizierten in die Klinik eingewiesen werden – wenn also die Symptome noch nicht so stark ausgeprägt sind, dass sich die Viren massiv im Körper ausgebreitet haben und das Immunsystem schon extrem belastet ist. Auch deshalb spricht man bei den Antikörper-Therapien oft von einer „passiven Impfung“.

Im Unterschied zu der klassischen Impfung, bei der das Immunsystem vor einer Ansteckung „trainiert“ wird und der Körper selbst nach Tagen und Wochen die gegen den Erreger gerichteten Antikörper (sowie auch B- und T-Zellen) herstellt, werden die gentechnisch maßgeschneiderten und hochreinen monoklonalen Antikörper künstlich über eine Infusion in den Blutkreislauf verabreicht. In der Krebsmedizin haben monoklonale Antikörper seit langem ihren Platz, weil sie tatsächlich sehr gezielt ganz bestimmte Oberflächenstrukturen des „Feindes“  attackieren und im besten Fall jede gefährliche Zelle unschädlich machen.

Im Kampf gegen Viren allerdings haben diese modernen Waffen ein Problem: Die Viren können, sofern keine neutralisierende Immunität vorliegt und Vorerkrankungen oder das hohe Alter gepaart mit einer „Immunseneszenz“ es dem Erreger leicht machen, sich extrem schnell und  tagelang ungehindert exponentiell vermehren. Der Körper wird überflutet von den Viren. Deshalb funktionieren die Anti-Covid-Antikörper fast nur, wenn man schnell nach den ersten milden Symptomen eingreift.

Relativ früh in der Pandemie, als die ersten monoklonalen Antikörper in klinischen Versuchen getestet wurden, war klar: Die passive Impfung funktioniert nicht bei Covid-19-Patienten, bei denen die Krankheit bereits fortgeschritten war. Man muss die Antikörper praktisch prophylaktisch verabreichen: Die Zahl der Viren im Körper muss noch möglichst gering sein und das Immunsystem darf noch nicht aus allen Rohren schießen, damit sie ihre präventive Wirkung erzielen. Dann allerdings sind die monoklonalen Antikörper ein Segen: In zwei aktuellen Veröffentlichungen mit unabhängig geprüften klinischen Studien der beiden Pharma-Hauptkonkurrenten auf dem Gebiet, Regeneron und Eli Lilly, wird deutlich: Frühe Infusion schützt vor dem Tod.

Bamlanivimab, das Mittel von Eli Lilly, reduzierte in einer im „Jama“ veröffentlichten plazebo-kontrollierten Vergleichsstudie zusammen mit einem zweiten Antikörper, Etesevimab, das Risiko für schwere Verläufe und Tod, wenn es Bewohnern von Pflegeheimen frühzeitig verabreicht wurde, gegenüber der Plazebogruppe um 57 Prozent, bei positiv getesteten Patienten mit Anfangssymptomen sogar um bis zu 80 Prozent. Die synthetischen Antikörper hatten die Viruslast frühzeitig und entscheidend reduziert. Ähnlich waren die soeben im „New England Journal of Medicine“ publizierten Resultate für REGN-CoV mit 275 Probanden: Sofern die einmalige Antikrörper-Infusion verabreichte, bevor die Immunreaktion auf die Corona-Infektion einsetzte, war das Erkrankungsrisiko um gut die Hälfte reduziert – verglichen mit der Plazebogruppe.

Was aber heißt das für die Anwendung der Mittel in der Praxis? Wer soll es bekommen, wer ist besonders bedürftig – wenn vor der Behandlung gar nicht klar ist, wie schwer die „Kandidaten“ an Covid-19 erkranken? Die Risikogruppe jedenfalls, die in der amerikanischen Notfallzulassung für das Eli-Lilly-Mittel schon im Dezember veröffentlicht worden war, zeigt: Die Gruppe der potentiellen Antikörper-Kandidaten ist gewaltig. Für Bamlavnivimab sind das in den Vereinigten Staaten auch herzkranke Menschen im Alter über 55 Jahre, die einen erhöhten Blutdruck haben. Ja sogar Minderjährige über zwölf Jahre, die an schwerem Asthma, an angeborenen Immun- oder Herzschwäche leiden und regelmäßig behandelt werden müssen. Bundesgesundheitsminister Spahn muss also ähnlich wie bei den Impfungen Regelungen schaffen, so lange die Antikörper-Medikamente knappe Ressource sind, um die fast unlösbaren medizinethischen Konflikte zu lösen, die ansonsten die Kliniker und Ärzte im Alltag schwer belasten würden.

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