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#Wer die mächtigsten Leute in Russland sind

„Wer die mächtigsten Leute in Russland sind“

Die mächtigsten Leute bei uns im Land sind heutzu­tage die Offiziere des KGB.“ Mit diesem Satz lässt sich in gewisser Weise das Credo des russischen Schriftstellers Vladimir Sorokin zusammenfassen. Er, der in der Sowjetunion verboten und kurz nach dem Regierungsantritt Putins von dessen sittenwächterlichen Gefolgsleuten verpönt und verklagt worden ist, sieht als knallroten Faden der russischen Geschichte den Geheimdienst. Iwan der Schreckliche legte damit los, und Sorokin hielt diese Entwicklung literarisch bereits beispielsweise in „Der Tag des Opritschniks“ oder „Der Zuckerkreml“ fest.

„Die mächtigsten Leute bei uns im Land sind heutzutage die Offiziere des KGB.“ Diese Worte hat Sorokin in seiner Erzählsammlung „Die rote Pyramide“ einem sowjetischen Geheimdienstler in den Mund gelegt. Ein junger Pionier hört sie heimlich mit. Der Mann säuselt sie, nachdem er gerade eine junge Pionierin vergewaltigt hat. Die Schlussfolgerung des Jungen? Er geht zum KGB. Jahre später sitzt er unter Andropow mit einem Kollegen zusammen, beide übertrumpfen sich mit ihren Gräueltaten, die zugleich ein wilder Parforceritt durch die Ge­schichte sind. Chronologische Genauigkeit spielt keine Rolle, wichtig ist die grundierende Kontinuität. Die beiden KGBler gestehen von Deportation, Anzettelung der Ärzteverschwörung bis zu Erschießungen alles ein. Immer wieder stellen sie sich wechselseitig die ­Frage: „Und schämst du dich nicht?“ Immer wieder antworten sie: „Nein.“

Vladimir Sorokin: „Die rote Pyramide“. Erzählungen. Aus dem Russischen von Andreas Tretner und Dorothea Trottenberg. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 192 S., geb., 22,– €.


Vladimir Sorokin: „Die rote Pyramide“. Erzählungen. Aus dem Russischen von Andreas Tretner und Dorothea Trottenberg. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 192 S., geb., 22,– €.
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Bild: Kiepenheuer & Witsch

„Die mächtigsten Leute bei uns im Land sind heutzutage die Offiziere des KGB.“ Die insgesamt neun Erzählungen kreisen nicht immer explizit um den Geheimdienst, aber letzten Endes steht er selbst hinter Mangelwirtschaft und Gewaltbereitschaft. Über das Land ist eine riesige Propagandaglocke gestülpt. „Hier ist alles, als ob.“ Werte wie Freiheit und Frieden ebenso wie Materielles wie Käse und Autos. Selbst Atomsprengköpfe bestehen eigentlich aus Zucker . . . Wenn das niemand bemerkt, liegt das an der roten Pyramide. Und Lenin ist der „Mann, der die Pyramide des roten Rauschens in Gang setzte“, direkt am Roten Platz. Sie ist nötig, um „die innere Ordnung des Menschen zu stören“, damit „der Mensch aufhört, Mensch zu sein“, weshalb normalerweise niemand das Ding sieht. Das vermag man nur im Augenblick des eigenen Todes.

Für Sorokins Werk war der KGB schon immer ein zentrales Motiv

„Die mächtigsten Leute bei uns im Land sind heutzutage die Offiziere des KGB.“ Der Geheimdienst ist nicht nur in dieser Sammlung eine zentrale Größe im Werk Sorokins. Was das Schalten und Walten dieser Organisation bedeutet, hält er mit vielfältigen literarischen Mitteln fest. Er ist derb bis hin zum Vulgären und anspielungsreich bis hin zum Un­verständlichen. Aber er ist auch in kurzen Texten wie diesen Erzählungen mitunter zu lang. In der Geschichte „Der Fingernagel“ widmet Sorokin sich nicht nur dem russischen Klopapierdefizit, sondern beschreibt auch über Seiten hinweg eine Keilerei an der Festtafel. Vor allem verlieren seine Geschichten jedoch dadurch, dass sie von enormer Bedeutungsoffenheit in banale Aussagen wie: Der Kommunismus „ist nicht die lichte Zukunft, sondern das rote Rauschen von heute“ abfallen.

„Die mächtigsten Leute bei uns im Land sind heutzutage die Offiziere des KGB.“ Sorokin hat dieser Tage in einem Essay behauptet, Putin habe bei Regierungsantritt den „Ring der Macht“ übergestreift und sei dadurch zu dem geworden, der er heute sei. Das entspricht Sorokins Sicht der Pyramide: An der Spitze steht ein Mann. Putin, so Sorokin, habe nun eine rote Linie überschritten, deshalb könne die Pyramide einstürzen. Oder der Ring vernichtet werden. Doch in J. R. R. Tolkiens Epos gelingt das nur, weil der Kampf gegen das System kein Duell ist, sondern weil „Gefährten“ gegen Sauron antreten. Und noch ein fiktiver Spiegel sei erhoben: In Graham Greenes „Unser Mann in Havanna“ lassen sich die Briten Staub­saugerpläne gegen viel Geld als Pläne für militärische Anlagen unterjubeln. Es wird in Zukunft auch darauf ankommen, ein Verbot von Memorial nicht als Spiel­anleitung für Mensch ärgere dich nicht zu lesen.

Vladimir Sorokin, geboren 1955 und jüngst Unterzeichner eines Briefs russischer Schriftsteller, in dem von der Regierung im Kreml die Preisgabe der Wahrheit über den Krieg in der Ukraine gefordert wird, legt den Finger auf diese Fragen. Literarisch vielleicht nicht immer ganz überzeugend, politisch aber umso brisanter.

Vladimir Sorokin: „Die rote Pyramide“. Erzählungen. Aus dem Russischen von Andreas Tretner und Dorothea Trottenberg. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 192 S., geb., 22,– €.

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