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#Wer nicht zu schweben weiß, der lebt nicht

„Wer nicht zu schweben weiß, der lebt nicht“

Sie leben auf den Straßen von Tanger – ohne Jobs, Perspektiven und Geld. Durch die sozialen Me­dien sind sie bestens vernetzt. Sie kritisieren ihre Situation. Doch diese Gruppe ist anders als die anderen Ju­gendbewegungen. Ihr Mittel des Widerstands ist die Akrobatik. Ihr sozialer Protest drückt sich in waghalsigen Stunts und durchdringender Musik aus. Die Groupe Acrobatique de Tanger entstand Jahre nach dem „Arabischen Frühling“. Es ist die Post-Revolutionsgeneration, die immer noch wütend ist und diese Wut in ihre Zirkuskunst trägt.

Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen haben dieses Potential, das der „Cirque Nouveau“, der „Neue Zirkus“, zur Darstellung von gesellschaftlichen Problemen gerade im globalen Süden hat, er­kannt und ihm deshalb zum ersten Mal eine eigene Programmreihe gewidmet. Elf Produktionen kommen zur Aufführung: aus Frankreich und Finnland, Nordafrika oder Großbritannien. Doch zwei Abende sind besonders eindrücklich. Das sozialkritische und revolutionsgeladene Stück „Fiq – Wach auf“ der Artistentruppe aus Tanger und das wimmelbildhafte Befreiungsspiel „Exit“ des französischen Zirkuskollektivs Cirque Inextremiste.

Breakdance-Moves und leise Chöre

In „Fiq“ wird die Geschichte der ma­rok­kanischen Akrobaten erzählt, vom ers­ten Aufeinandertreffen bis zum Auftritt. Dabei zeigen die fünfzehn Zirkusmitglieder ihre soziale Realität – die Fußballtricks in den Parks der Stadt, das Ab­hängen auf Getränkekisten oder das Balzen beim Motorradfahren. Seit 2018 hat die Kompanie junge Talente im ganzen Land gecastet. Jeder der Akrobaten hat einen anderen Hintergrund: Hip-Hop, Breakdance, Clownerie, Akrobatik, Fußball oder Taekwondo. Regisseurin Ma­rous­sia Diaz Verbèke verbindet die Disziplinen auf wunderbare Weise mit den per­sönlichen Geschichten der Darsteller.

Fluchtfahrzeug Heißluftballon: Der französische Cirque Inextremiste mit „Exit“ im Stadion Hohenhorst in Recklinghausen


Fluchtfahrzeug Heißluftballon: Der französische Cirque Inextremiste mit „Exit“ im Stadion Hohenhorst in Recklinghausen
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Bild: Anastasiya Meijer

Den Soundtrack zu diesem besonderen Zirkus hat DJ Dino geschrieben, der be­kannteste Discjockey Algeriens, der in den Clubs von Paris, London und New York gefeiert wird. Auch er ist Teil der Performance, tritt im schwarzen Anzug mit Sonnenbrille auf und spielt sein Set wie ein Dirigent, der sein Orchester zu Höchstleistungen antreibt. Die Jungen füh­ren dazu Breakdance-Moves aus, die jungen Frauen singen erst mit ganz leiser Stimme und dann lauter im Chor. Immer wieder werden poetische Textfragmente zum Thema Flucht eingeblendet: „Das Leben kann so süß sein wie Süßigkeiten. Wirf es nicht weg.“

Zwei der Artisten wollen Marokko verlassen. Ob sie es schaffen, bleibt offen. Laute Rufe – „Wach auf! Wach auf!“ – führen immer wieder aus der Traumwelt heraus, auf die Straßen von Tanger mit der Musik, den bunten Gewändern und der Lust und dem Frust der Jugendlichen.

Vieles, was das junge Marokko bewegt, hat mit westlicher Popkultur zu tun, doch die Gruppe aus Tanger will auch die traditionelle marokkanische Akrobatik in die Szenerie einbinden. In einer Szene setzt sich die Truppe auf die Getränke­kisten und diskutiert die gegenwärtigen po­litischen Probleme des Landes – die Frauenrechte, die Abtreibungsfrage, Ju­gendarbeitslosigkeit oder den Autoritarismus.

Leuchtfeuer in dunkler Nacht: die Seiltänzer und Musiker von Cirque Inextremiste nutzen einen Heißluftballon als Requisite für ihre Stunts.


Leuchtfeuer in dunkler Nacht: die Seiltänzer und Musiker von Cirque Inextremiste nutzen einen Heißluftballon als Requisite für ihre Stunts.
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Bild: Anastasiya Meijer

„Die reichsten zwei Prozent des Planeten besitzen fünfzig Prozent des Vermögens auf der Erde. Die Hälfte be­sitzt der Rest“, heißt es. Was soll man tun? Wieder kommen alle in farbenfrohen Kleidern und Anzügen auf die Bühne, mit hoffnungsvollen Aufschriften wie „L’humanité“, „la jeunesse“ und „la jus­tice”. Die schwarzen Wände und Böden werden herausgerissen, dahinter liegen bunte Tücher und reich verzierte Ornamente. Hassan Hajjaj hat diese Bühnenwelten gestaltet. Er gilt als „Andy Warhol Marrakeschs“.

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