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#Wer protestiert, ist Terrorist

„Wer protestiert, ist Terrorist“

Im Osten Tadschikistans, im Autonomiegebiet Berg-Badachschan, stehen die Zeichen auf Eskalation. In den vergangenen Tagen sind vermutlich Dutzende Menschen bei Protesten gegen Gesetzlosigkeit, Willkür und soziale Probleme getötet worden. Das Regime von Alleinherrscher Emomali Rachmon stellt das Vorgehen in der im Pamir-Hochgebirge gelegenen Region als „Antiterroroperation“ dar, gießt zudem mit dem gezielten Vorgehen gegen Wortführer Öl ins Feuer.

Am Sonntag wurde einer der einflussreichsten Anführer der „Pamirer“ getötet, Mamadbokir Mamadbokirow. Der 1963 geborene frühere Oberst der Grenztruppen war Milizkommandeur im Bürgerkrieg, der in den Neunzigerjahren Zehntausende Menschen das Leben kostete, und genoss in Berg-Badachschan weiter großes Ansehen, sehr zu Rachmons Verdruss. Dafür wurde Mamadbokirow mit strafrechtlichen Vorwürfen überzogen, auch für die jüngsten Proteste verantwortlich gemacht.

Eine fragwürdige „Antiterroroperation“

Nach Angaben des Innenministeriums wurde Mamadbokirow am Sonntagabend in Chorog, dem Verwaltungszentrum des Gebiets, „als Ergebnis innerer Zusammenstöße zwischen kriminellen Gruppen“ getötet. Das in Moskau beheimatete Zentralasienportal „Fergana“ schrieb aber, in sozialen Medien werde ein Scharfschütze des Regimes für die Tötung verantwortlich gemacht. Die Journalistin und Aktivistin Ulfatchonim Mamadschojewa, die vom Regime ebenfalls für die Proteste verantwortlich gemacht wird, schrieb wiederum, Mamadbokirow sei während eines Spaziergangs von vier Geheimdienstmitarbeitern, die in einem Geländewagen herangefahren seien, gestellt und erschossen worden. Ein Mitstreiter sei verwundet, ein Passant getötet worden.


Bild: sie./ F.A.Z

Die Ursachen für die Proteste gehen tief. Berg-Badachschan macht 45 Prozent des tadschikischen Territoriums aus, stellt aber nur drei Prozent der Landesbevölkerung von neuneinhalb Millionen Menschen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die wirtschaftliche Teilhabe der „Pamirer“ gering. Sprachliche sowie religiöse Unterschiede kommen hinzu: Die meisten der rund 230.000 Einwohner der Region sind Ismailiten, Anhänger einer Gemeinschaft im schiitischen Islam, die meisten Tadschiken Sunniten.

Die Bewohner der Gegend fühlen sich schlecht behandelt, stehen ihrerseits unter Separatismusverdacht des Regimes. Immer wieder kam es zu Unruhen. Die jüngste Protestwelle entzündete sich Ende November an der Tötung eines jungen Mannes durch Sicherheitskräfte; Tausende gingen auf die Straßen von Chorog, bei Zusammenstößen mit Polizei und Militär kamen zwei weitere Zivilisten ums Leben. Das Internet wurde abgeschaltet, erst im März wieder angestellt – und nun wieder abgestellt. Denn seit Mitte Mai spitzt sich die Lage zu.

Bewohner von Chorog stellten den Machthabern eine Reihe Forderungen, darunter, in den Tötungsfällen von Ende November zu ermitteln und inhaftierte Aktivisten freizulassen. Das lehnte das Regime ab und drohte, Proteste als Terrorismus zu ahnden. Am Montag voriger Woche setzten Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Chorog Tränengas und Gummigeschosse ein, in sozialen Netzen hieß es, auch scharfe Waffen. Ein junger Mann kam ums Leben. Daraufhin blockierten nach offiziellen Angaben rund 200 Personen die Straße aus der Hauptstadt Duschanbe nach Chorog.

Eine „Antiterroroperation“ begann, die offiziell einen Sicherheitsmann und acht „Mitglieder terroristischer Gruppen“ das Leben kostete. In sozialen Medien hieß es dagegen, es seien Dutzende Zivilisten getötet worden, und Radio Free Europe/Radio Liberty berichtete, die Leichname von 21 Opfern des Vorgehens seien ihren Familien übergeben worden. Zur Verschärfung der Lage tragen auch Urteile gegen Wortführer der „Pamirer“ bei: Ein als „informeller Anführer der Pamir-Jugend in Moskau“ beschriebener Mann und ein Mixed-Martial-Arts-Kampfsportler sind aus Russland nach Duschanbe überstellt und dort zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Die EU und die Botschaften westlicher Länder, darunter Deutschland, haben sich besorgt über die Lage geäußert. Der (in Frankreich residierende) Imam der Ismailiten, Karim Aga Khan IV., rief seine Anhänger dazu auf, den Konflikt durch Dialog zu lösen. Der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen, Fernand de Varennes, kritisierte die Reaktion des Regimes: Es versuche, die Proteste mit „übermäßiger und illegaler Gewaltanwendung“ zu beenden, die Lage drohe außer Kontrolle zu geraten.

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