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#Wer treibt hier die Preise hoch?

Wer treibt hier die Preise hoch?

Die IG Metall hatte in ihren Branchen gerade erst ein Lohnplus von 8,5 Prozent durchgesetzt. Aber in den Belegschaften erntete sie damit nicht etwa Lob für einen guten Tarifabschluss – es herrschte miese Stimmung. Auf einer Versammlung von 1000 IG-Metall-Funktionären in der Kölner Flora brach diese Anfang 1973 dann auch in deren Reihen durch. Der Tarifabschluss sei „völlig unzureichend angesichts der galoppierenden Inflation“. So fasst ein Rückblick der „Metallzeitung“ die damalige Diskussionslage zusammen.

Die IG Metall steckte in einer Zwickmühle: Der Unmut in den Belegschaften hatte zwei Ursachen. Neben der Inflation trug eine neue Proteststimmung in der stark gewachsenen Gruppe sogenannter Gastarbeiter dazu bei – die sich mit ihren Interessen weder von der Gewerkschaft noch von sonst wem vertreten sahen. Und so kam eine Welle „wilder Streiks“ in Gang. Trotz tariflicher Friedenspflicht und ohne aktives Zutun der IG Metall probten Beschäftigte den Aufstand.

Was hat das mit heute zu tun? Die aktuellen Inflationsraten haben ungute Erinnerungen geweckt – an die Zeit anhaltend hoher Geldentwertung bei stark erhöhten Energiepreisen. Und so kehrte auch ein Begriff mit schaurigem Unterton zurück: Lohn-Preis-Spirale. Er steht für das, was schiefgehen kann, wenn Gewerkschaften in solchen Zeiten offensiv auftreten; falls sie mit aller Macht versuchen, die Folgen der Teuerung durch umso höhere Lohnabschlüsse für ihre Leute zu bekämpfen. Es setzt leicht ein sich selbst verstärkendes Wechselspiel der Geldentwertung in Gang.

Eine Kettenreaktion

In den Kölner Ford-Werken erreichte der Konflikt am 24. August 1973 den ersten Höhepunkt, nachdem Ford 300 Türken entlassen hatte, die nicht pünktlich aus dem Heimaturlaub zurückgekehrt waren. „12.000 Arbeiter besetzten die Werkstore und wählten eigene Streikleitungen“, so der Bericht. „Ford stellte die Produktion ein, schickte Arbeiter nach Hause.“ Vier Tage später erzielte der Betriebsrat ein Verhandlungsergebnis mit der Firmenleitung: „Bezahlung der Streiktage, 280 DM Teuerungszulage, Rücknahme von Entlassungen bei Vorlage von Attesten.“

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Eine Lösung der Probleme war das aber nicht. Die große Ölkrise, verursacht durch einen Lieferstopp der Erdöl exportierenden Länder, stand noch bevor. Sie trieb die Inflationsrate 1973 auf 7,1 Prozent im Jahresschnitt. Und so kam es, dass die Gewerkschaften 1974 in den nächsten regulären Lohnrunden erst richtig zulangten, auch um die eigenen Reihen wieder zu schließen. Die ÖTV erstritt im öffentlichen Dienst ein Plus von 11 Prozent. Die IG Metall schaffte gar 11,6 Prozent. Höhere Löhne sind aber auch höhere Kosten für die Betriebe. Doch die waren durch das verknappte Öl schon stark belastet und in der Produktion gebremst. Die von den Lohnabschlüssen befeuerte Konsumnachfrage heizte daher nicht in erster Linie die Produktion, sondern weitere Preiserhöhungen an. Es sollte bis 1976 dauern, bis die Inflation erstmals wieder unter 5 Prozent fiel – nicht zuletzt weil Massenentlassungen die Konsumlaune wie auch die Kostenlast der Unternehmen dämpften.

Wer zahlt für die Krise?

Hagen Lesch, Tarifforscher am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), erklärt es so: Trifft ein externer Preisschock die Volkswirtschaft, muss also zum Beispiel mehr für Öl oder Gas an ausländische Lieferanten gezahlt werden, sinkt das inländische Wohlstandsniveau. „Verlangen die Gewerkschaften in ihren Tarifrunden dann um jeden Preis den Teuerungsausgleich, ist das faktisch ein gesellschaftlicher Verteilungskampf darum, wer die Einbußen trägt.“ Das erinnert an das Motto, hinter dem sich in der Finanzkrise 2009 Kritiker der Bankenrettung scharten: „Wir zahlen nicht für eure Krise.“

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