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#Wer wacht über die Revolution von 1989?

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Wer wacht über die Revolution von 1989?

Wenn die Gemengelage unübersichtlich wird, empfiehlt es sich, die Dinge zu sortieren. So wie im Leipziger Museum in der „Runden Ecke“: Hier hat alles seine Ordnung, denn die Staatssicherheit ist aus dem mächtigen Gebäude am Innenstadtring quasi nie ausgezogen. Im Erdgeschoss links ist der Geheimdienst heute noch zu erleben; Raum für Raum werden seine Geschichte und Methoden sichtbar – von den Anfängen nach dem Krieg als Nachbau der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka bis zu seinem Ende im Dezember 1989.

Stefan Locke

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Vier Jahrzehnte Abgründe sind hier in knapp zwei Dutzend Räumen mit Schautafeln und Vitrinen akribisch sortiert, und es gibt einen Mann, der penibel darauf achtet, dass auch alles an seinem Platz bleibt. Er heißt Tobias Hollitzer, ist Herr über 400.00 Ausstellungsobjekte, und er kann zu jedem einzelnen einen Vortrag in epischer Länge halten.

„Hier, schauen Sie sich das an“, ruft Hollitzer, als er durch die derzeit von Besuchern verwaisten einstigen Stasi-Büros eilt. Stehen bleibt er vor einem Schrank mit Perücken, Augenbrauen, Bärten, Sonnenbrillen und Klebe-Nasen. In Vitrinen liegen Anleitungen zur Tarnung, wie sie Stasi-Auszubildende in der OPM erhielten, das steht für „Operative Personen-Maskierung“. „Wenn man das sieht, muss man eigentlich lachen“, sagt Hollitzer.

Tobias Hollitzer, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins


Tobias Hollitzer, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins
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Bild: Robert Gommlich

Es sieht ja auch alles aus wie in einem schlechten Agentenfilm. Nur für die Beobachteten konnte daraus im schlimmsten Fall tödlicher Ernst werden. „So einfach wie im ‚Leben der Anderen‘ hat das ja nicht funktioniert“, sagt er. In dem Oscar-gekrönten, aber von der Realität dann doch ziemlich weit entfernten Kino-Streifen beobachtet etwa eine alte Frau, wie die Stasi heimlich die Wohnung ihrer Nachbarn filzt. Hollitzer wiederum erzählt, wie die Stasi in solchen Fällen das gesamte Umfeld unter verschiedensten Legenden von einer solchen Wohnung fernhielt, um in Ruhe ihrer, nun ja, Arbeit nachgehen zu können.

Die Stasi ist Hollitzers Lebensthema. Am 4. Dezember 1989 war er 23 Jahre alt und dabei, als die Montags-Demonstranten nicht mehr an der Stasi-Bezirksverwaltung vorbeizogen, sondern das Gebäude besetzten. Denn da drin, so lautete ein Gerücht, liefen die Aktenvernichter auf Hochtouren. „So war es auch“, sagt Hollitzer. Den Demonstranten und Bürgerrechtlern gelang es, die Geheimdienstzentrale zu sichern. „Krumme Ecke – Schreckenshaus – wann wird ein Museum draus?“, hieß es schon Anfang November auf einem Transparent.

Bedeutung über Leipzig hinaus

Einige der Besetzer gründeten einen Verein, das „Bürgerkomitee Leipzig für die Auflösung der Staatssicherheit“, der heute Träger der Gedenkstätte und des Museums ist. Hollitzer, dem die SED das Abitur verweigert hatte, widmete sich fortan der Stasi-Aufarbeitung, erst als Vize-Leiter der Leipziger Außenstelle der Unterlagenbehörde und später im benachbarten Museum, dessen Leitung er 2007 übernahm. „Stasi – Macht und Banalität“ heißt die dort seit 30 Jahren unverändert gezeigte Dauerausstellung.

Demonstranten vor der Leipziger Stasi-Zentrale im November 1989


Demonstranten vor der Leipziger Stasi-Zentrale im November 1989
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Bild: © epd-bild / Jens Schulze

Genau daran hat sich nun ein heftiger Streit entzündet, bei dem es vordergründig um die Ausstellung geht, tatsächlich aber auch um die Deutungshoheit über die Friedliche Revolution und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der deshalb über Leipzig hinaus von Bedeutung ist.

Nur wenige hundert Meter von der „Runden Ecke“ entfernt sitzt Gesine Oltmanns in der vor zehn Jahren gegründeten „Stiftung Friedliche Revolution“, die sich das Ziel gesetzt hat, den Herbst 1989 nicht nur ins Museum zu stellen, sondern den Geist von damals auch heute lebendig zu halten. Oltmanns gehörte zu den ersten Montagsdemonstranten; im September 1989 rissen ihr Stasi-Leute in Zivil ein Transparent mit der Aufschrift „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ herunter. Die von Reportern gefilmte Szene ging um die Welt. Oltmanns war bei der Aktenrettung in der „Runden Ecke“ dabei, und ab 1990 arbeitete auch sie in der Leipziger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde, zusammen mit Tobias Hollitzer.

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