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#So will Brüssel die Löhne in Europa anheben

So will Brüssel die Löhne in Europa anheben

Es war eines der Kernversprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Amtszeit: Mit der Einführung „fairer Mindestlöhne“ auf europäische Ebene wollte sie nicht nur Sozialdemokraten, sondern auch ihren französischen Macher, Präsident Emmanuel Macron, zufrieden stellen.

Hendrik Kafsack

Dass das nicht auf einen einheitlichen Mindestlohn hinausläuft, war früh klar. Angesichts der großen Kaufkraftunterschiede in der EU hätte das auch wenig Sinn ergeben. Ein Euro in Bulgarien ist eben „mehr wert“ als ein Euro in Deutschland. Sozialkommissar Nicolas Schmit wollte den Mindestlohn stattdessen gerne zumindest an das mittlere Einkommen, den Medianlohn, beziehen. Die Rede war von einer Untergrenze von 50 oder 60 Prozent.

Am Mittwoch hat die Europäische Kommission nun einen konkreten Vorschlag vorgelegt und bleibt damit klar hinter dem bisher in Aussicht gestellten zurück. Sie schreibt mit dem Vorschlag weder die Einführung von Mindestlöhnen vor, noch legt sie eine Untergrenze für Mindestlöhne fest – so sie in den Mitgliedstaaten existieren. Beides, das gesteht die Kommission nach langer Prüfung ein, wäre schlicht nicht mit den EU-Verträgen vereinbar, weil Artikel 153 explizit ausschließt, dass die EU sich in Fragen des „Arbeitsentgelts“ einmischt.

Auch Deutschland müsste sein Verfahren anpassen

Stattdessen will die Kommission nun Kriterien dafür festlegen, wie der Mindestlohn festgelegt wird. Dazu gehört die Kaufkraft, die Produktivität, die Lohnentwicklung und die Einkommensverteilung. Die Verfahren sollen transparenter sein, Ausnahmen gut begründet und klar begrenzt sein, etwa auf junge Arbeitnehmer, die Sozialpartner eingebunden und die Kontrollen verstärkt werden. Das klinge nicht beeindruckend, werde aber große Auswirkungen auf die Höhe der Löhne haben, hieß es aus der EU-Behörde.

Auch Deutschland müsste damit die Festlegung seines 2015 eingeführten Mindestlohns anpassen. Bisher orientiert sich die deutsche Mindestlohnkommission an der Entwicklung der Tariflöhne. Kriterien wie Kaufkraft oder Produktivität spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Zunächst müssen nun jedoch das Europaparlament und der Ministerrat, das Gremium der Staaten, über den Vorschlag beraten. In Kraft treten kann er erst, wenn beide Institutionen ihn angenommen haben. Sie können den Vorschlag der Kommission dabei auch grundlegend überarbeiten. Betroffen wäre Deutschland auch von den Vorschlägen der Kommission zur Stärkung der Tarifpartner.

Die Kommission will, dass mindestens 70 Prozent der Löhne von diesen festgelegt werden. Sie reagiert damit auf die Erkenntnis, dass die Löhne in den sechs Mitgliedstaaten ohne gesetzlichen Mindestlohn angemessener seien als in 21 EU-Staaten mit gesetzlichem Mindestlohn. Zu den sechs Staaten gehören neben Österreich Schweden, Finnland und Dänemark sowie Italien und Zypern.

Bis zu 20 Millionen Menschen würden profitieren

Der Grund sei, dass die Tarifpartner mit Ausnahme Zyperns dort eine starke Rolle spielten. In Deutschland liegt der Anteil momentan nach Angaben der Kommission bei 55 Prozent. Es müsste damit nach dem Kommissionsvorschlag einen Aktionsplan vorlegen, um Tarifverhandlungen zu fördern und die Tarifbindung zu stärken. Eine Pflicht, Tarifvereinbarungen zu Mindestlöhne wie in Frankreich für allgemeinverbindlich zu erklären, sieht die Kommission aber nicht vor.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich am Mittwoch zufrieden mit dem Vorschlag, ohne sich zu den Details zu äußern. Er verschaffe aber dem für die Sozialdemokraten wichtigen Ziel eines Mindestlohn von 12 Euro in Deutschland weiteren Schwung. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft werde den Vorschlag während ihrer Amtszeit bis Ende Dezember vorantreiben.

Im Europaparlament war die Enttäuschung bei den Sozialdemokraten hingegen groß. „Die Kommission ist heute eindeutig zu kurz gesprungen“, sagte die Abgeordnete Gabriele Bischoff. „Anerkannte Zielmarke für armutsfeste Mindestlöhne ist die Untergrenze von 60 Prozent des jeweils nationalen Medianlohns.“

Tatsächlich erwähnt die EU-Kommission die 60-Prozent-Grenze in ihrem Vorschlag sogar explizit. Sie argumentiert, dass bis zu 20 Millionen Menschen von einer Anhebung der Mindestlöhne in den EU-Mitgliedstaaten auf dieses Niveau profitieren würden und keine Armutslöhne erhielten. Beinahe 10 Prozent aller Arbeitnehmer lebten derzeit in Armut, betont Sozialkommissar Schmit. Dem stehen allerdings Arbeitsplatzverluste zwischen 0,5 und 1 Prozent gegenüber.

Derzeit überschreiten von den 21 Staaten mit gesetzlichem Mindestlohn nur Portugal und Bulgarien die 60-Prozent-Schwelle. Frankreich ist gefolgt von Slowenien nahe dran. Deutschland liegt bei 40 Prozent, mit einer Untergrenze bei 60 Prozent wäre man beinahe bei den von Heil geforderten 12 Euro.

Angemessene Mindestlöhne könnten auch einen Beitrag dazu leisten, die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen zu verringern, weil Frauen öfter als Männer nur den Mindestlohn bekommen, teilte die Kommission mit. Der Vorschlag sei zudem ein Signal, dass der Wert der Arbeit auch in Zeiten der Corona-Krise anerkannt werde.

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