Wissenschaft

#Wie Atomkerne schwingen

Die Bausteine der Atomkerne sind Teilchen, können sich aber auch wie Wellen verhalten und schwingen. Wie sie dies tun, verrät einiges über die Interaktion der Teilchen, kann aber auch physikalische Modelle und Konstanten überprüfen helfen. Jetzt ist es einem Düsseldorfer Physikerteam gelungen, die Schwingungen der Atomkerne und des Elektrons bei ionisiertem, molekularem Wasserstoff so genau wie nie zuvor zu messen. Mithilfe hochsensibler spektroskopischer Methoden gelang es ihnen so, den bisher präzisesten Test für die Quantenbewegung von geladenen Baryonen durchzuführen. Das Ergebnis liefert allerdings keine Hinweise für eine Abweichung von den Modellen und grenzt daher den Raum für Physik jenseits der etablierten Quantenmechanik weiter ein.

Einfache Atome wie Wasserstoff sind seit fast 100 Jahren Gegenstand präziser experimenteller und theoretischer Untersuchungen. Denn ihre Interaktion und ihr Verhalten bilden nicht nur die Basis unserer Existenz, sie spiegeln auch die Wirkung mehrere Naturkonstanten und Grundkräfte wider. Dies gilt vor allem für ihre energieabhängigen Quantenübergänge und die für diese Zustände spezifischen Schwingungen der Teilchen. Physikalische Theorien und Modelle sagen relativ genau voraus, wie sich Atomkerne oder Elektronen bestimmter Masse, Größe und Ladung verhalten müssten. Diese Vorhersagen kann man daher mit experimentellen Messungen des Schwingungsverhaltens vergleichen und überprüfen. „Dadurch wird es möglich, entweder die fundamentalen Konstanten genauer zu bestimmen oder auch durch Vergleich mit Ergebnissen anderer Systeme zu testen, ob es möglicherweise noch weitere, unkonventionelle, hypothetische Interaktionen gibt“, erklären Soroosh Alighanbari und seine Kollegen von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Wie misst man Teilchenschwingungen?

Messen lassen sich die Schwingungen und Energieübergänge von Atomen oder Molekülen mithilfe hochauflösender Laserspektroskopie-Techniken. Dabei werden die Teilchen bis auf Temperaturen nah dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, um sie auf ein möglichst niedriges Energieniveau zu bringen. Dann bringt man sie mithilfe eines Laserpulses gezielt auf ein höheres Energieniveau und bewirkt damit eine Veränderung ihres Quantenzustands und ihrer Schwingungen. Diese lassen sich anhand der Spektrallinien der Teilchen messen. Die Kunst der physikalischen Forschung besteht nun darin, die Wellenlängen der Spektrallinien extrem genau zu messen, sowie – mithilfe der Quantentheorie – diese Wellenlängen auch theoretisch genau zu berechnen. Stimmen beide Ergebnisse überein, kann dies als Nachweis für die Richtigkeit der Modelle und zugrunde gelegten Naturkonstanten gelten. Für das Wasserstoffatom sind die Energieübergänge und damit verknüpften Schwingungen bereits sehr genau vermessen und bekannt.

Weniger leicht messbar, weil sehr viel komplexer ist jedoch die Lage bei Molekülen: In diesen können sich die Bestandteile auf verschiedene Weise gegeneinander bewegen: Die Elektronen schwirren um die Atomkerne, die Atomkerne vibrieren gegeneinander oder rotieren umeinander. Welche Interaktionen dabei auftreten und ob sie mit den physikalischen Grundannahmen übereinstimmen, lässt sich besonders gut am einfachsten Molekül überprüfen, dem ionisierten molekularen Wasserstoff (MHI). Er besteht aus zwei Protonen, aber nur einem Elektron. Ebenfalls zu den MHI-Molekülen wird ein Ion aus einem Proton, einem Elektron und einem Deuteron (D) gezählt. Letzteres ist der Kern des schweren Wasserstoffs Deuterium und besteht aus einem Proton und einem Neutron. Das Team um Alighanbari hat nun die Schwingungen des HD+-Moleküls mittels einer optimierten Laserspektroskopiemethode mit zuvor unerreichter Präzision vermessen.

Messungen bestätigen Modelle

Für ihre Messung speisten die Physiker rund 100 ionisierte Wasserstoffmoleküle in eine Ionenfalle ein. In diesem Vakuumbehälter werden die Ionen durch Radiowellen in der Schwebe gehalten. Mittels Laserkühlung werden die Ionen dann bis auf eine Temperatur von etwa einem Milli-Kelvin abgekühlt. Der größte Teil der MHI-Teilchen befindet sich dadurch im Grundzustand – dem energieärmsten Zustand der Systeme. Dann beschießen die Forscher die Wasserstoff-Ionen mit Infrarot-Photonen eines speziellen Spektroskopielasers von 1,15 Mikrometer Wellenlänge. Dieser versetzt die Ionen in Vibration und kann gleichzeitig die Schwingungsfrequenzen für die Spektralmessungen dank eines Laserfrequenzkamms mit hoher Genauigkeit einfangen, wie das Team erklärt. Zusätzlich wechselt der Beschuss durch den Spektroskopielaser mit UV-Laserpulsen ab, die die Wasserstoffmoleküle zerschlagen und dadurch Vorher-nachher-Vergleiche ermöglichen.

Durch diesen Versuchsaufbau konnten Alighanbari und seine Kollegen die Schwingungen des Wasserstoffmoleküls erstmals in einer deutlich kürzeren Wellenlänge und damit genauer messen als zuvor. Das Ergebnis: „Die gemessene Übergangsfrequenz und die theoretische Vorhersage stimmen überein“, berichtet Seniorautor Stephan Schiller. „In Kombination mit früheren Ergebnissen konnten wir so den präzisesten Test für die Quantenbewegung von geladenen Baryonen aufstellen: Sollte es überhaupt eine Abweichung von den Quantengesetzen geben, muss diese kleiner sein als ein Teil in 100 Milliarden.“ Denn in ihren Messungen konnten sie keine ausreichend signifikanten Hinweise auf nicht in den Modellen enthaltene physikalische Effekte finden. Dennoch schließen die Physiker die Existenz solcher „neuen Physik“ nicht aus: „Eine solche hypothetische Kraft könnte im Zusammenhang mit der sogenannten Dunklen Materie existieren“, sagt Alighanbari. „Wir haben durch unsere Messungen zwar keine Hinweise auf eine solche Kraft gefunden. Wir werden aber weiter danach suchen.“

Quelle: Soroosh Alighanbari et al. (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Nature Physics, doi: 10.1038/s41567-023-02088-2

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