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#Wie der Dax die Virus-Sorgen ausblendet

Wie der Dax die Virus-Sorgen ausblendet

Es sei bald möglich, dass es mehr als 10.000 Infektionsfälle pro Tag geben werde, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, am Donnerstag in Berlin. Innerhalb eines Tages war die Zahl der Neuinfektionen von rund 3000 auf 4000 gestiegen. Während auf der einen Seite die Furcht vor einem zweiten Lockdown wächst, überspringt auf der anderen Seite der deutsche Aktienindex Dax die 13.000-Punkte-Marke. Und auch im Handelsverlauf zeigte sich der Index unbeeindruckt von den neuen Zahlen, stieg sogar leicht an. Von Virus-Sorgen an der heimischen Börse keine Spur. Doch wie passt das eigentlich zusammen? Schließlich hat der Dax seit dem Tief von Mitte März nahezu alle seine Verluste wettmachen können, mehr als 50 Prozent ging es für den wichtigsten deutschen Aktienindex seitdem nach oben.

Antonia Mannweiler

Dass sich der Dax derzeit so gut entwickele, habe mit der zyklischen Grundausrichtung des deutschen Aktienindex zu tun, sagt Marc Decker von der Privatbank Merck Finck und führt aus, dass der Index ein Spiegelbild der deutschen Industrie sei mit einem Schwerpunkt auf die Exportwirtschaft. Diese Grundausstattung unterstütze den Index, da zuletzt zyklische Werte aufgrund der verbesserten Wirtschaftsaussichten gesucht waren.

Unternehmenssitz nicht so wichtig

Es gehe darum, wo die Kunden der Unternehmen sitzen – und nicht, wo der Konzernsitz liege, sagt Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege von Flossbach von Storch dazu. Wichtig sei dabei, wie sich die Pandemie auf die langfristigen Umsatz-und Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirke. Dass sich etwa China in der Corona-Krise so gut geschlagen habe, komme vielen deutschen Unternehmen zugute, so Lehr. Zwar ließen sich viele zyklische Werte im Dax finden, die bei einer schwachen Konjunktur schlecht liefen. Dafür gebe es aber auch viele „Edel-Zykliker“, betont Lehr. Diese Werte seien international gefragt und nicht nur von der heimischen Wirtschaft abhängig. Wie es der chinesischen Wirtschaft gehe, sei für den Dax dann wichtiger als eine Sperrstunde in Berlin.

Mit Blick auf Aktien eines international ausgerichteten und stark diversifizierten Schweizer Nahrungsmittelkonzerns, so Lehr, werde schnell klar, dass die mittel- bis langfristige Perspektive eines Unternehmens, das weltweit Nahrungsmittel verkaufe und in der Schweiz sitze, in keinem Zusammenhang zum aktuellen Infektionsgeschehen dort stehe. Auch in Amerika sehe man das: Dort entwickeln sich Aktien von amerikanischen Softwarekonzernen mit hohem Gewicht im Index sehr gut, obwohl Amerika sehr viel stärker von der Pandemie getroffen sei.

Viel Liquidität im Markt

Die derzeit „freundlichen“ Märkte fußen dabei auch auf den äußerst umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen der Zentralbanken und den bereits geschnürten und in Aussicht gestellten Hilfspaketen, sagt Decker von Merck Finck. Weltweit sei viel Liquidität im Markt, die nach Anlagemöglichkeiten suche. In dem derzeitigen Niedrigzins-Umfeld gebe es für Investoren kaum Alternativen zu den Aktienmärkten. Darüber hinaus signalisierten makroökonomische Zahlen, dass es insgesamt besser laufe als zunächst befürchtet, so Decker. Dazu tragen auch positive Meldungen bezüglich der Fortschritte für die Entwicklung von Impfstoffen bei. All das unterstütze die Risikomärkte laut Decker.

Die Märkte priesen aktuell eine umfassende Erholung weitgehend ein, sagt auch Christian von Engelbrechten, Fondsmanager von Fidelity. „Ich bin, was die konjunkturelle Lage angeht, nicht völlig überzeugt“, fügt er jedoch hinzu. Man sehe bereits, dass sich der Erholungstrend in einigen Bereichen schon wieder verlangsame, so der Fondsmanager.

Die Kurse vieler Unternehmen in Deutschland stünden heute höher als noch vor einem Jahr, sagt von Engelbrechten. Es stelle sich dabei die Frage, ob die Aussichten für sie heute wirklich besser seien als noch vor zwölf Monaten. In einigen Bereichen des Marktes scheinen die Risiken aber zunehmend ausgeblendet zu werden, gibt der Fondsmanager zu Bedenken.

Die ökonomischen Daten hätten sich vom Infektionsgeschehen entkoppelt, sagt Pictet-Chefstratege Luca Paolini – nicht nur in Deutschland. Das liege auch daran, dass die Sterberate sinke und das Virus als weniger tödlich empfunden werde. Der Konsum zeige sich derzeit robust. Steige die Mortalitätsrate jedoch und komme es wieder zu einem landesweiten Lockdown, dann werde der Dax unter enormen Druck geraten, sagt Paoloni.

Börse handelt Zukunft

Wer sich frage, weshalb die Realwirtschaft und das Infektionsgeschehen einerseits und die Aktienkurse andererseits nicht zusammenpassen, sagt Thomas Lehr, unterstelle, dass der Kurs das „Hier und jetzt“ der Realwirtschaft widerspiegeln müsse. Dabei würden an der Börse die künftigen Erträge der Unternehmen der nächsten Jahre gehandelt. Die Investoren schauen sehr viel weiter voraus und beziehen das langfristige Zinsniveau in ihre Überlegungen mit ein. Und das, so findet Lehr, sei die für Anleger wohl relevanteste Folge der Pandemie.

Die Börsen handeln die Zukunft und nicht die Gegenwart, sagt auch Merck-Finck-Fachmann Decker. Man müsse daher konstatieren, dass Märkte auch trotz schlechter aktueller Nachrichten längere Zeit gut laufen können. Oft bedürfe es nur eines neuen Auslösers oder einer plötzlich veränderten Marktsicht auf die Dinge, um einen Abverkauf anzustoßen.

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